Sport/Tennis

Wimbledon-Ausschluss russischer Spieler: "Fühlen uns hintergangen"

Im Jahr 2022 wird vor allem über Tennisspieler gesprochen, die irgendwo nicht spielen dürfen. Das war beim Serben Novak Djokovic so, der ungeimpft nicht bei den Australian Open und bei US-Turnieren antreten durfte, das ist bei Russen und Belarussen so, die in Wimbledon nicht aufschlagen dürfen.

Wie sieht die Situation aus?

Beim Rasen-Klassiker in Wimbledon (27. Juni bis 10. Juli) werden in diesem Jahr keine Profis aus Russland und Belarus zugelassen. Das betrifft vor allem Daniil Medwedew, der sich mit dem Serben Novak Djokovic um die Spitzenposition in der Weltrangliste matcht. Auch sein russischer Landsmann Andrej Rublew oder die Belarussin Viktoria Asarenka, ehemalige Nummer eins, dürfen nicht mitspielen.

 

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Kommt diese Aktion überraschend?

Ja. Denn unmittelbar nach Kriegsbeginn beschlossen die wichtigen Gremien im weltweiten Tennissport, russische und belarussische Spieler unter neutraler Flagge antreten zu lassen. Das sind: der Tennis-Weltverband ITF, die Spielervereinigungen ATP (Männer) und WTA (Frauen) und die vier Grand-Slam-Turniere. Dazu zählt neben den Australian Open, den French Open und den US Open eben auch Wimbledon. „Wir verurteilen den Krieg auf das Schärfste und unterstützen Hilfsmaßnahmen in der Ukraine. Aber wir haben uns aber alle gemeinsam entschieden, diese Spieler unter neutraler Flagge starten zu lassen, auch Wimbledon. Natürlich fühlen wir uns jetzt hintergangen nach diesem Alleingang“, sagt der Steirer Herwig Straka, seit Jahren in der Spitze der ATP tätig. „Das ist eine sinnbefreite Entscheidung, wenn man einzelne Sportler für ihr Land bestrafen will“, sagt Thomas Hammerl, Geschäftsführer von Tennis Europe (ITF). Tatsächlich leben viele Tennisprofis seit Jahren nicht mehr in Russland, fast alle distanzieren sich von den Geschehnissen. „No war please!“, schrieb Rublew schon unmittelbar nach dem Kriegsausbruch nach einem Match in Dubai auf die Kamera.

Ist die Geschichte ein Politikum?

Es sieht so aus. Der britische Sportminister Nigel Huddleston hatte im März erklärt, es wäre ihm unangenehm, wenn ein „russischer Athlet mit wehender russischer Fahne“ in Wimbledon gewinnt.

Sind Konsequenzen für den Turnierveranstalter in Wimbledon denkbar?

Am Turnier kann nicht gerüttelt werden, auch nicht an den Preisgeldern. Doch die ATP hat als Schirmherr der Weltrangliste andere Möglichkeiten. „Es ist noch nichts entschieden, aber es ist eine Option, dass keine Ranglisten-Punkte in Wimbledon vergeben werden“, sagt Straka. Auch, weil man verhindern will, dass das Ranking verfälscht wird, Medwedew hätte im Duell um Platz eins einen Riesen-Nachteil. Die WTA gab am Freitag offiziell bekannt, dass sie sich der ATP anschließt, wenn es um die Ranglisten-Zähler geht.

Ist Wimbledon eine Premiere?

Bei ITF-Jungend-Turnieren kam es heuer vor, dass Veranstalter keine Russen zuließen, weil „sie sich an die Empfehlungen ihrer Regierung oder des Nationalen Olympischen Komitees hielten“, sagt Hammerl. Aber im Profi-Tennis ist Wimbledon eine Premiere. Auf die sieben Instanzen des Tennissports wartet viel Arbeit. „Wir werden auch wegen Wimbledon bald tagen“, sagt Straka. „Vor allem wollen wir verhindern, dass dieses Beispiel Schule macht.“