Olympia nach Tokio: Ärger in Paris und Ungewissheit in Peking
Eigentlich wollten die Organisatoren von Paris eine gigantische Flagge fast in der Größe eines Fußballfeldes mit den Maßen von 90 mal 60 Metern am Eiffelturm hissen. Die Live-Übertragung davon sollte Teil der gestrigen Schlussfeier von Tokio werden. Aber der starke Wind in Paris verhinderte das Spektakel. Das sollen die Spiele in drei Jahren werden. Aber es gibt auch Gegenwind. Nicht alle Pariser und Franzosen sind Feuer und Flamme für die Spiele.
Gegner diverser Olympia-Projekte sind i unter dem Namen „Saccage 2024“ („Plünderung 2024“) zusammengekommen. Sie wollen sich gegen die Zerstörung, Verschmutzung, Vertreibung, Spekulation und die massenhafte Überwachung wehren, welche ihrer Auffassung nach die Folgen der der Olympischen Spiele sind. „Saccage 2024“ nimmt nicht gegen die Spiele Stellung, sondern gegen die damit einhergehende beschleunigte Urbanisierung. Im November 2020 haben sie eine „Toxic Tour“ für Projekte im Département Seine-Saint-Denis organisiert.
Kürbis nicht Beton
„Kürbis, nicht Beton“, lautete die Forderung auf einem Transparent, das vor den Kleingärten von Aubervilliers, einem Vorort von Paris, hing. Zwei Kilometer nördlich der Hauptstadt soll eine Schwimmhalle Teile eines Parks wegfressen. Zehn Millionen Euro, also knapp ein Drittel der Kosten, werden von der Solidéo finanziert, der staatlichen Gesellschaft, die für die Bereitstellung der olympischen Gebäude im Rahmen der Spiele 2024 zuständig ist.
Fünf Kilometer nördlich von Aubervilliers sollen in Dugny sieben Hektar eines Parks zerstört werden, um dort ein Mediendorf für die Spiele zu bauen. Moderner Wohnraum, der nach den Spielen den Parisern zugänglich gemacht werden soll. Auch hier stand schon vor der Vergabe der Spiele an Paris die Idee im Raum, neue Wohnungen zu bauen. Umweltaktivisten erheben den Vorwurf, dass der Park 20 Jahre vernachlässigt wurde, um ihn jetzt als ermüdete Grünfläche zu urbanisieren. In einem Viertel von St-Denis namens Pleyel sind schon seit Jahren Autobahnkreuze in Planung, die nun finanziert werden. Knapp 700 Kinder zwischen drei und zwölf Jahren besuchen eine Schule, die dann von Autobahnzubringern eingeschlossen sein wird.
Das Kollektiv „Big Brother olympique“ warnt vor Überwachungsmaßnahmen. 2024 ist das Datum, bis zu dem die gesamte Polizei und die Armee auf die neueste Technologie in Bezug auf Drohnen, Gesichtserkennung und On-Board-Kameras aufgerüstet werden.
Völliges Neuland in Peking
David Gleirscher ist ein gefragter Mann. Der Tiroler Rodel-Olympiasieger von 2018 weiß als einer der wenigen Sportler in etwa, was ihn ab 4. Februar 2022 bei den Winterspielen in Peking erwartet. Fast durch die Bank kennen die Athleten die olympischen Sportstätten bislang nur vom Hörensagen, von Videos oder Skizzen, nur David Gleirscher durfte bereits Bekanntschaft mit dem Eiskanal in Yanqing im Nordwesten von Peking machen, wo 2022 neben den Rodel- und Bobbewerben auch die Alpinrennen stattfinden werden.
„Ein brutaler Komplex“, erzählte der 27-Jährige nach seinen Testfahrten im Spätherbst 2020, „irgendwie ist in China alles größer.“ Die Videos, die er bei den Läufen machte, wurden dem Stubaier von den Rodlern, Skeletonpiloten und Bobfahrern aus der Hand gerissen. „Man kriegt zumindest einen Eindruck, was dort los ist“, sagt Skeleton-Ass Janine Flock.
Von solchen Aufnahmen können die Verantwortlichen beim ÖSV derweil nur träumen. 179 Tage vor der Eröffnung der nächsten Winterspiele herrscht in erster Linie Ungewissheit. Noch nie zuvor hatte der ÖSV vor Olympischen Spielen einen so geringen Wissensstand über die Pisten, die klimatischen Verhältnisse und die Schneebeschaffenheit wie vor Peking 2022. „Die größte Herausforderung ist, dass von uns noch keiner drüben war. Es gibt also null Erfahrungswerte“, gesteht ÖSV-Sportdirektor Toni Giger.
Keine Erfahrungswerte
Das Coronavirus hat in den vergangenen beiden Wintern sämtliche Pläne durchkreuzt. Alle Testwettkämpfe und Generalproben, die in den verschiedensten Disziplinen auf dem Programm gestanden waren, mussten abgesagt werden.
In einigen Sportarten wie etwa dem Skispringen oder dem Eisschnelllauf ist es vergleichsweise egal, wenn die Athleten die Sportstätten nicht kennen, die Abfahrer oder die Serviceleute stehen allerdings vor einer riesigen Herausforderung. „Wir hätten schon gerne Erfahrungswerte gehabt“, sagt Herren-Cheftrainer Andreas Puelacher, „es wäre schon wichtig gewesen, zu wissen, was uns dort erwartet.“
Normalerweise hätte der ÖSV zu diesem Zeitpunkt bereits containerweise technisches Equipment nach China gekarrt, die Unterkünfte für den Mitarbeiterstab kontrolliert und private Trainingspisten organisiert. „Das war leider alles nicht möglich“, sagt ÖSV-Alpinchef Patrick Riml, der für die gesamte Logistik rund um die Spiele verantwortlich zeichnet.
Der Ötztaler sieht die Sache trotzdem gelassen. „Alle Nationen sitzen im gleichen Boot. Insofern muss man das akzeptieren, kühlen Kopf behalten und darf sich ja nicht verrückt machen lassen.“