Formel 1: Warum Mercedes den Champagner einkühlen kann
Von Florian Plavec
Ausgerechnet auf der Ferrari-Heimstrecke in Imola wird Mercedes am kommenden Sonntag höchstwahrscheinlich den ersten Titel der Saison einsacken. 209 Punkte liegt man in der WM-Wertung der Konstrukteure bereits vor Red Bull. Nur ein Totalausfall der Silberpfeile würde die Entscheidung vertagen. Und schon zwei Wochen später in der Türkei könnte Lewis Hamilton seinen heiß ersehnten siebenten WM-Titel fixieren, womit er in dieser Wertung mit Legende Michael Schumacher gleichziehen würde.
Als der Deutsche 2012 endgültig zurücktrat, schienen seine Bestmarken für die Ewigkeit bestimmt zu sein. Nun hat Hamilton den 51-Jährigen in vielerlei Hinsicht schon überflügelt. 4.856 Tage nach seinem ersten Sieg in Montreal gewann der Engländer am Sonntag in Portimão sein 92. Rennen in der Formel 1 und übertrumpfte damit die 91 Siege Schumachers. Hamilton hat außerdem mehr Podestplätze als Schumacher (161:155), mehr Polepositions (97:68), mehr WM-Punkte nach dem aktuellen Wertungssystem (4.026:3.890)
Das Paket Hamilton/Mercedes ist auch heuer kaum zu schlagen. Hamilton ist „in jeder Hinsicht dem einzigen überlegen, der ihn in der aktuellen F1 in den Schatten stellen kann, seinem Teamkollegen Bottas“, schrieb am Montag die spanische Zeitung Mundo Deportivo. Nur dreimal schaffte es Bottas heuer, Hamilton punktemäßig zu überflügeln.
Als „surreal“ bezeichnet Mercedes-Teamchef Toto Wolff die Anzahl von 92 Siegen. „Wer hätte das gedacht, als wir 2013 in dieses Projekt gestartet sind? Lewis steckt seine Leidenschaft, seine Energie und einfach alles in diesen Sport.“
Fadesse?
Kritiker der aktuellen Formel 1 orten Fadesse, vorhersehbare Ergebnisse. Doch ist der Mercedes so überlegen, oder ist es die Extraklasse eines Lewis Hamilton, die verantwortlich ist für die One-Man-Show in diesem Jahr? Für den Schweizer Blick ist es Letzteres: „Der Brite ist im besten Auto längst zum Mister Perfect geworden. Clever, fehlerlos, reifenschonend und unerreicht.“ Sebastian Vettel zollt Respekt: „Man kann das nicht genug anerkennen, selbst wenn die Leute sagen, dass es mit diesem Auto einfach ist. Aber man muss diese Art von Konstanz über diese Jahre hinweg erstmal haben, um das zu erreichen.“ Und Toto Wolff glaubt, dass es noch zehn oder 20 Jahre dauern werde, „bis wir anerkennen, was für ein großartiger Fahrer er war.“
Natürlich lässt sich darüber diskutieren, ob Hamilton der beste Fahrer der Formel-1-Geschichte sei – oder doch Schumacher oder Senna, oder Fangio ... Die Zahlen sprechen mittlerweile jedenfalls für den Engländer, und sein Hunger nach immer neuen Erfolgen ist nicht gestillt. Kommende Saison wird es ins Dreistellige gehen mit der Zahl seiner Polepositions (97) und Siege (92).
Offen bleibt nur, ob Hamilton noch ein paar Saisonen anhängen wird, ein neuer Vertrag ist noch immer nicht unterschrieben. Doch in Portimão stellte Hamilton klar: „Ich plane, nächstes Jahr hier zu sein.“ Und die Medien ließ er wissen: „Ich glaube nicht an das Sprichwort: Der Himmel ist das Limit.“