Der Beste aller Zeiten? Hamilton jagt nächsten Schumacher-Rekord
Es ist angerichtet für Lewis Hamilton. Der 35-jährige Engländer könnte heute eine lange Zeit als unerreichbar geltende Rekordmarke brechen. Sollte er den Grand Prix von Russland (Start 13.10/live ORF1, RTL, Sky) gewinnen, würde er in der Anzahl der Siege mit Michael Schumacher gleichziehen – 91!
Nach einem schweren Unfall von Sebastian Vettel und einer Unterbrechung des Qualifyings schaffte es Hamilton am Samstag nur knapp in Q3. Doch dort ließ er es so richtig krachen. Mit einer herausragenden Runde holte er die Poleposition für das Rennen in Sotschi. Seitlich hinter ihm wird Red-Bull-Mann Max Verstappen am Start stehen. Hamiltons Teamkollege Valtteri Bottas war im Qualifying ein enttäuschter Dritter.
„Das war eines der aufregendesten Qualifyings meiner Karriere“, sagte Hamilton. „Ich weiß aber, dass die Poleposition hier nicht so viel zählt. Hoffentlich überholt mich niemand aus dem Windschatten.“
Der Rekordjäger
Schumachers Rekorde schienen für die Ewigkeit bestimmt zu sein. Doch knapp acht Jahre nach Schumachers Rücktritt und dessen folgenschweren Unfall hat Hamilton zahlreiche Meilensteine übertroffen. Er überflügelte den Deutschen bereits mit 96 Polepositions, 158 Podestplätzen, 24.710 Führungskilometern. Und kaum jemand zweifelt daran, dass Hamilton am Ende dieser Saison auch wie Michael Schumacher sieben WM-Titel haben wird.
„Ich habe Schumacher immer bewundert“, sagte Hamilton in Sotschi. 2013 hatte er das Mercedes-Cockpit vom (im Silberpfeil sieglosen) Deutschen übernommen, ab 2014 startete er seine Siegesserie. Eine echte Beziehung zu Schumacher hatte Hamilton nicht, sentimental erinnert er sich aber an eine Begegnung in Abu Dhabi. „Er hat sich die Zeit genommen, mit mir Helme zu tauschen. Das ist der wertvollste Helm, den ich habe.“ Hamilton würde es „als Ehre empfinden“, sollte er den Rekord brechen. Allerdings: „Es gibt wichtigere Dinge im Leben.“
Tatsächlich hat Hamilton eine Wandlung durchgemacht. Vor einigen Jahren machte er neben dem Sport vor allem mit seinem Jet-Set-Leben Schlagzeilen. Mittlerweile ist er ein nachdenklicher Mann geworden, er engagiert sich für den Klimaschutz, für Artenvielfalt und vor allem den Kampf gegen Rassismus und Polizeigewalt. Maßgeblich trug er dazu bei, dass die Piloten seit dieser Saison vor jedem Rennen ein politisches Signal setzen.
Wie Schumacher wurde Hamilton zum Gesicht und zur Stimme seines Sports. Das Time-Magazin wählte ihn vor Kurzem zu einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt.
Die Reaktionen
Was Schumacher dazu sagen würde, dass ihm Hamilton die Rekorde entreißt, weiß niemand genau. Doch niemand kennt Michael Schumacher so gut wie seine Frau und sein Sohn Mick. „Mein Vater hat immer gesagt, Rekorde sind da, um gebrochen zu werden“, sagte der Formel-2-Pilot, der gestern das Rennen in Sotschi gewann und die Gesamtführung übernahm. „Das ist natürlich gut für unseren Sport.“ Denn Hamilton drängt den Sport in das Rampenlicht – und „irgendwann wird auch er der Gejagte sein“, sagt Mick Schumacher: „Ich schätze, als nächstes würde es dann an mir liegen, wenn ich den Sprung in die Formel 1 schaffe, das zu durchbrechen.“
Sebastian Vettel sieht Hamiltons Attacke auf die Bestmarken seines Kindheitsidols mit gemischten Gefühlen. „Zu sehen, dass er den Rekord brechen wird, stimmt mich traurig. In meinem Kopf gehört der Rekord Michael“, sagte Vettel in Sotschi. „Andererseits freue ich mich aber auch für Lewis“, fügte der Ferrari-Pilot eilig hinzu.
Ob nun Michael Schumacher oder Lewis Hamilton der größere Rennfahrer ist? Schumachers Bruder Ralf (45) urteilt salomonisch: „Hamilton ist auf jeden Fall der Größte seiner Zeit. So wie Michael das auch war.“