Trotz Krieg in der Ukraine: Der Fußball ist kein Song Contest
Von Wolfgang Winheim
Mädchen, Burschen, Schiedsrichter. Hunderten neuen Mitgliedern des ÖFB, die seit wenigen Wochen in Österreich spielen oder pfeifen dürfen, wird egal sein, wen der neue ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick bei seiner Premiere im Nations-League-Spiel in Kroatien am 3. Juni einlaufen lässt. Für sie ist schon der 1. Juni TV-Pflichttermin. Aus verständlichem Grund. An diesem Tag kämpfen ihre ukrainischen Fußball-Idole den Kriegswirren zum Trotz in Schottland um die WM-Qualifikation.
ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer verhalf, unterstützt von Sportministerium und Außenamt, jungen geflüchteten Ukrainern zur temporären Spielerlaubnis für österreichische Klubs. Sogar die komplette Nachwuchsakademie aus Saporischschja, so Hollerer, habe man hier. Aus einer Stadt in der Ostukraine, wo die Russen besonders wüten.
Auch ein vollzähliges ukrainisches Frauenteam befindet sich auf österreichischem Boden in – sportlich aktiver – Warteposition. Die Kickerinnen waren erst gar nicht aus ihrem türkischen Wintercamp heimgekehrt, nachdem sie dort vom Einmarsch der Putin-Armee erfahren hatten.
Das war am 24. Februar gewesen, worauf sich der Teamchef der Männer, Oleksandr Petrakow, mit den Worten „Ich bin zwar schon 64, aber ich könnte noch zwei, drei Feinde ausschalten“ zu den Waffen meldete. Im Fußball-Verband überredete man ihn, dies nicht zu tun, sondern der Ukraine im Sport zu helfen. Obwohl Petrakow gemeint hatte, dass er nicht an Fußball denken wolle, solang in seiner Heimat Menschen sterben.
Inzwischen ist Petrakow mit einer ukrainischen Auswahl durch den EU-Raum getourt, wo bei drei Testspielen hunderttausende Spenden-Euro gesammelt werden konnten.
„Viele Menschen, darunter Soldaten mit denen wir Kontakt haben...“, sagt Mittelfeldspieler Taras Stepanenko von Schachtar Donezk, „bitten uns, alles zu tun, damit wir uns für die WM qualifizieren.“ Was schwer genug wird, zumal er – so wie die meisten Teamkollegen – seit Ende Februar kein Ligaspiel mehr in den Beinen hat.
Kein Wiedersehen
Über Matchpraxis verfügen nur die wenigen Legionäre. Wie Oleksandr Sintschenko, der soeben mit Manchester City englischer Meister wurde. Und der vor einem Jahr im EM-Aufgebot fixe Größe gewesen war. Als die Ukraine in Bukarest gegen Österreich (durch ein Tor von Christoph Baumgartner) mit 0:1 verloren hatte.
Zu einer Neuauflage des Duells Ukraine – Österreich hätte es am 6. Juni kommen können. Wenn, ja wenn, Marko Arnautovic und Co. nicht im Play-off an Wales gescheitert wären. So wird der Sieger aus Schottland – Ukraine im alles entscheidenden Match um die WM-Teilnahme in Katar auf die Waliser treffen.
Anders als beim Eurovisions Song Contest, bei dem letztlich die Publikums-Wahl entschied, gilt die Ukraine im Fußball nicht als Favorit. Aus Mitleid werden weder die Ukrainer gewinnen, geschweige denn Briten verlieren wollen.