Sport/Fußball

Rapide Wahlkämpfer auf Russland-Reise

Der Wahlkampf ist eröffnet. Bei Rapid ist durch den angekündigten Rückzug von Michael Krammer Einiges in Bewegung geraten. Erste Brüche werden spürbar, teils sogar sichtbar.

Seit den Sowjetzeiten gibt es Kremologen, die jede Regung im Kreml deuten, um Machtverschiebungen unter den verschwiegenen Herrschern festzuhalten. Bei Rapid war in dieser Hinsicht die Reise nach Moskau erhellend. Krammer wirkt gelöst, weil die Last einer schweren Entscheidung abgefallen ist, aber gleichzeitig ist er motiviert: Der Präsident will im letzten Jahr der Amtszeit nochmals durchstarten und den Laden zusammenhalten.

Ende der Teamarbeit

Das wird schwierig genug. Fredy Bickel, der immer um Ehrlichkeit bemühte Schweizer, macht nicht den glücklichsten Eindruck. Stets trug der Sportdirektor die Entscheidungen mit, gab (maximal) so viel Geld aus, wie er am Transfermarkt erwirtschaftete. Aber kaum machte intern die Runde, dass Krammer auf eine dritte Amtszeit verzichten dürfte, war von Teamarbeit wenig zu sehen. Nach dem Motto: Rette sich (vor der angefressenen Mitgliederschar), wer kann.

Plötzlich wurde die „Kreditkarte“ bemüht, die dem Sportdirektor zur Verfügung gestellt würde. Bei der Hauptversammlung wurden die gute wirtschaftliche Lage und der positive Ausblick betont. Dass das aber mit dem hauchdünnen Einzug in die Europa League zusammenhängt, wurde verschwiegen.

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Bickel hätte damals, in der Nacht auf den 31. August, kaum 24 Stunden gehabt, um noch nachzurüsten. Zu wenig für einen Medizincheck. Das am Freitag zur Freude der Fans in den Raum gestellte Transferbudget wurde bei der Hauptversammlung verbal gestutzt. Martin Bruckner, der Mann für die Zahlen im Präsidium, sprach vom „Limit bei der Kreditkarte“ und dass dieses für zwei Transferperioden ausreichen müsse. So richtig austoben dürfte sich Bickel somit erst im Sommer, wenn trotz der Krise der neue Transferrekord (knapp elf Millionen Euro Erlöse) abermals überboten werden dürfte.

Kandidatensuche

Im Rahmen der Moskau-Reise hat das noch homogen wirkende Präsidium auch besprochen, ob (und wann) ein interner Kandidat in das Nachfolge-Rennen geschickt werden soll. Oft fällt der Name Bruckner, der ebenfalls mitgereiste Vorstand der Allianz-Investmentbank.

Von den aktuellen Top-Kandidaten (Tojner, Hoscher, Doskozil) war einer an Bord: Casinos-Manager Hoscher reiste wie fast immer im Europacup mit Tochter. Es ist damit zu rechnen, dass noch andere Kandidaten kommen und gehen. 2013 wurde Krammer auch erst in letzter Minute nominiert.

Und für die Monate davor? Kündigt sich ein Hauen und Stechen an. Vom Vereinsmotto „Gemeinsam – Kämpfen – Siegen“ ist nicht nur auf dem Feld wenig zu sehen.

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Bei den bisherigen Russland-Reisen von Rapid gab es Gastgeschenke durch die Hausherren: Sieben Spiele, null Niederlagen lautet die verblüffende Bilanz. Darunter finden sich historische Erfolge wie das 1:0 in Moskau, als gegen Lok 2005 die letzte Teilnahme an der Champions League gefeiert wurde. Oder das „Wunder von Kasan“, als der wieder mitgeflogene nunmehrige Talente-Manager Steffen Hofmann nach einer 0:2-Heimniederlage in Kasan 2004 mit zwei Toren das 3:0 einleitete. Oder das 1:0 in Moskau, als das Team rund um Didi Kühbauer 1996 auf dem Weg ins Europacup-Finale auch von Dinamo nicht zu stoppen war.

„Heute wollen wir überraschen“, sagt Kühbauer, der Trainer. Und das wäre mitten in der Krise: ein Punktgewinn. Diesen benötigen die Grünen ab 16.50 Uhr MEZ (18.50 Ortszeit), um im Rennen um den Aufstieg zu bleiben.

Bislang ist dieser Europacup-Herbst zweigeteilt. Zu Hause hui, mit drei Siegen und dem 0:0 gegen Villarreal. Auswärts pfui, mit vier Niederlagen (auch wenn jene in Bukarest dank des Aufstiegs in die Gruppenphase bejubelt werden durfte).

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Ausgerechnet für den ultimativen Punktzwang muss improvisiert werden: Kaum war das Ende der Verletzungsmisere bejubelt worden, fehlten im Flieger schon wieder vier Stammspieler. Murg ist erkrankt. „Bei ihm hoffe ich auf einen Einsatz in Innsbruck“, blickt Kühbauer auf den Liga-Sonntag. Auch bei Ivan könnte das Comeback gegen Wacker gelingen, Dibon und Pavlovic werden länger fehlen.

Umgestellt

„Offensiv sind die Ausfälle schwerwiegend, da müssen wir uns etwas einfallen lassen“, weiß der Chefcoach. Da Potzmann beim 2:0-Heimsieg gegen Spartak links hinten überragend gespielt hatte, könnte Bolingoli links eine Reihe vor dem variablen Außenverteidiger aufgeboten werden. Das eklatante Formloch von  Alar könnte  Berisha  oder Guillemenot zu einem Einsatz ganz vorne verhelfen. „Eines ist sicher: Den Schobi werde ich nicht verheizen“, sagt Kühbauer über den Sprinter.

„Bei Spartak ist seit dem Trainerwechsel neue Energie drinnen“, hat Kühbauer festgestellt. Coach Kononow wurde um 3,2 Millionen Euro von Arsenal Tula gekauft, hat die unter Ex-Trainer Carrera in Ungnade gefallenen Stars zurückgeholt und am Sonntag mit einem 3:1 gegen Samara die Abwärtsspirale gestoppt.