Sport/Fußball

Ralph Hasenhüttl: "Spielen quasi zwölf Mal gegen Bayern"

Die vier Finalisten der diesjährigen Europacup-Endspiele kommen alle aus England. Das ist natürlich kein Zufall, ist sich Ralph Hasenhüttl sicher. Der 51-jährige Steirer sah Teams wie Liverpool und Tottenham aus nächster Nähe. Der erste österreichische Trainer in der Premier League hat im Dezember 2018 den kriselnden FC Southampton übernommen – und letztlich souverän den Klassenerhalt geschafft.

KURIER: War der Klassenerhalt mit Southampton Ihre bisher schwierigste Mission?

Ralph Hasenhüttl: Die Aufgabe war sehr komplex. Wir mussten etwas neu aufbauen, haben von den Spielern viel gefordert und hatten auch mit einigen Unbekannten zu kämpfen. Es war ein Schritt, der mit einem gewissen Risiko behaftet war, aber ich wollte diese Chance unbedingt nutzten. Und ich habe die Entscheidung bis jetzt noch keine Sekunde bereut.

Befinden Sie sich derzeit in England oder schon in Österreich?

Jetzt, wo wir mit Southampton in der Premier League geblieben sind, muss man den Blick sofort nach vorn richten. Für mich bedeutet das durch die Position des Managers, dass ich auch während der Meisterschaftspause Zeit in England verbringe, um die Saison entsprechend vorzubereiten.

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Würde ein Brexit Auswirkungen auf Ihre Trainertätigkeit in England haben?

Aktuell gibt es grundlegend noch viele offene Fragen. Deshalb sind mögliche Auswirkungen noch nicht absehbar. Ich persönlich fühle mich gerade seit meiner Tätigkeit in Großbritannien noch stärker als Europäer. Ich hoffe, die Parteien finden eine gute Lösung für alle.

In beiden Europacup-Endspielen stehen ausschließlich englische Klubs. Schießt Geld die entscheidenden Tore? Die Topklubs der Premier League profitieren enorm davon, dass es sechs Vereine gibt, die auf einem sehr hohen Niveau agieren. Die Topklubs bestreiten so viele Duelle untereinander, dass für sie in gewisser Art und Weise das ganze Jahr Champions League gespielt wird. Das hilft extrem, um in den europäischen Duellen zu bestehen. Und uns kleineren Klubs helfen die vielen Spiele gegen die Top 6 natürlich auch in der Entwicklung.

Was überraschte Sie in der Premiere League am meisten?

Einige Themen werden anders angepackt, beispielsweise wird viel mehr laufen gelassen. Man muss physisch dagegenhalten. Meine Mannschaft musste das am Anfang erst einmal lernen. Inzwischen haben wir in diesem Bereich einen großen Fortschritt gemacht, aber es ist längst noch nicht perfekt.

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Liverpool-Trainer Jürgen Klopp hat Sie öffentlich in den höchsten Tönen gewürdigt. Können Sie in Anbetracht dieses Lobes beim Champions-League-Endspiel LiverpoolTottenham ein neutraler Beobachter sein?

Ja, denn Klopp und auch Tottenham-Coach Pochettino machen einen unglaublich guten Job, sonst hätten sie es nicht ins Finale geschafft. Beide hätten den Sieg deshalb absolut verdient.

In Deutschland sehen Experten die Premier League als das Maß aller Dinge. Zu Recht?

Wir haben in der Premier League sechs Mannschaften auf dem Niveau von Bayern München, wir spielen also in der Saison quasi zwölf Mal gegen Bayern. Das bedeutet für uns, dass wir perfekte Spiele abliefern müssen – und selbst dann ist es nicht garantiert, dass danach auch Punkte auf dem Konto stehen. Das macht die Geschichte zu einer besonderen Herausforderung und spricht für die Qualität der Liga.

Ist bei Ihnen – wie bei Englands Topklubs – die Öffentlichkeit vom Training ausgeschlossen?

In England ist das die Regel. Für mich bedeutete das zu Beginn eine Umstellung. Ich war es aus Deutschland anders gewohnt, und ich habe es auch als positiv empfunden, den Kontakt zu den Fans zu pflegen und Feedback zu bekommen. In der letzten Trainingswoche haben wir deshalb in Southampton ein öffentliches Training im Stadion angesetzt, um uns auch auf diesem Weg bei den Fans für ihre Unterstützung zu bedanken. Solche Themen liegen mir sehr am Herzen.

Die Trainer-Karriere des Ralph Hasenhüttl:

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In Agenturen war zuletzt zu lesen, dass sich Southampton im Sommer neu aufstellen werde. Bezieht der Klub auf dem Transfermarkt auch Österreicher in die Überlegungen ein?

Wir müssen und werden einige Veränderungen vornehmen – im Kader und im Team rund um das Team. Aktuell sind wir in zahlreichen Gesprächen. Die Scouts, die für uns im Einsatz sind, haben die verschiedensten Ligen im Blick. Natürlich auch das Geschehen in Österreich.

Der 18-jährige Wiener Christoph Klarer, der vor drei Jahren nach Southampton übersiedelt ist, spielt in der U 23. Darf der Innenverteidiger mit einem Aufstieg zur den Profis spekulieren?

Southampton war in der Vergangenheit besonders für eine gute Nachwuchsarbeit bekannt. Dort wollen wir auch wieder hin. Junge Talente bekommen bei uns eine Chance, um sich durchzusetzen. In den letzten Monaten gab es einige Beispiele, die eindrucksvoll zeigten, wie schnell es gehen kann. Bei entsprechender Leistung steht die Tür offen.

Andreas Herzog meint, dass sich deutsche Klubs künftig noch öfter englische Rohdiamanten holen werden, weil selbst Toptalente aus dem eigenen Nachwuchs keine Chance bei englischen Spitzenklubs haben. Teilen Sie diese Ansicht? 

Diese Aussage kann man schwer auf alle Klubs runterbrechen. Jeder Verein geht anders mit der Nachwuchseinbindung um.

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Die britische Presse hat konträr zum englischen Bürger keinen seriösen Ruf. Ist die Medienarbeit mühsamer als im deutschsprachigen Raum? Wurden Sie klubintern vor der Yellow Press gewarnt?

Bisher habe ich durchwegs positive Erfahrungen gemacht. Ich denke, es ist immer ein Geben und ein Nehmen. Wir machen alle unseren Job. Wenn wir fair miteinander umgehen, sollte es keine Probleme geben.

Wie viele Mitarbeiter zählen Sie zu Ihrem Betreuerstab? Noch mehr als in Leipzig?

Unser Mitarbeiterstab ist von der Personenzahl her mit Leipzig vergleichbar.

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Wie wird die Saisonvorbereitung aussehen? Werden Sie auf dem Festland, vielleicht sogar in Österreich, ein Sommercamp aufschlagen?

Unser Vorbereitungsprogramm ist vielseitig. Wir starten in Southampton und reisen dann ins Trainingslager nach Tirol. Anschließend fliegt eine Auswahl zu einem Freundschaftsspiel nach Macau. Der andere Teil des Teams nutzt die Zeit zur Vorbereitung in Irland.

Verbringen Sie im Trainingsalltag mittlerweile mehr Zeit vor dem Computer oder auf dem Trainingsfeld?

Im Gegensatz zu meiner Zeit in Leipzig verbringe ich wieder mehr Zeit mit dem Coachen auf dem Platz. Das war mir wichtig. Ich will selbst mit der Mannschaft arbeiten und als Ergänzung zu meinen Kollegen eigene Eindrücke sammeln. Aber die Arbeit am Computer gehört natürlich dazu und macht neben vielen Gesprächen einen großen Teil der Aufgaben aus. Dieses Portfolio hat auch eine Anpassung meiner Arbeitsweise erfordert.