Sport/Fußball

Problemzone Defensive: Salzburg wurschtelt sich zum Winterkönig

Drei Niederlagen in den letzten fünf Bundesliga-Runden des Jahres 2020 kassierten die Salzburger Serienmeister. Gut, dazwischen gab es die Fixierung des dritten Gruppenplatzes in der Champions League durch ein 3:1 bei Lok Moskau und einen 6:2-Kantersieg im Cup-Achtelfinale gegen Rapid. Aber zufrieden können die Salzburger mit der Ausbeute nach der Länderspielpause im November nicht sein. Nach zwölf Bundesliga-Runden  hat man jetzt schon mehr Niederlagen kassiert als in der Saison 2018/’19 und der Saison 2019/’20. Da setzte es je zwei Pleiten – allerdings in 32 Spielen.

Um drei Salzburger Niederlagen in so wenigen Runden zu finden, muss man ziemlich weit zurück in die Vergangenheit blicken. Im Frühherbst 2014 gab es nach dem albtraumhaften Ausscheiden in der Champions League gegen Malmö FF unter Trainer Adi Hütter gleich drei Pleiten in der Bundesliga in Serie. Dass die Salzburger trotzdem auf Platz eins überwintern, können sie einem Spieler verdanken, den sie ausgebildet haben. Austria-Tormann Patrick Pentz, der ja aus der Red-Bull-Akademie kommt, hielt in der Partie gegen den LASK in allerletzter Sekunde einen Elfmeter.

Hätte Rene Renner diesen verwandelt, dann wären die Linzer auf Platz eins. Und Salzburg wäre nach Verlustpunkten überhaupt nur Dritter gewesen. Denn Sturm liegt ja bei einem Spiel weniger nur einen Punkt hinter dem Serienmeister. Die Grazer waren auch die Letzten, die statt Salzburg als Erster überwintert haben. Das war vor drei Jahren. „Wir haben gut gespielt, aber wir haben schlecht verteidigt“, lautete das Fazit von Trainer Jesse Marsch nach der 2:3-Niederlage gegen den WAC. Die Kärntner gewannen am Sonntag zum ersten Mal überhaupt in der Red-Bull-Arena gegen Salzburg – und das im 17. Versuch.

Das stimmt schon. Es war nicht alles schlecht. Wie sich die Salzburger nach einem Doppelschlag des WAC kurz nach der Pause wieder in die Partie zurückgekämpft haben, war sehenswert. Dass man nach dem 2:2 doch noch verloren hat, offenbarte die ganz  große Schwachstelle dieser Salzburger Mannschaft. Für ein Spitzenteam bekommt Red Bull viel zu viele Gegentore. Zehn waren es in den vergangenen fünf Liga-Partien. Und wenn die Offensive dann nicht mehr so regelmäßig trifft, dann bekommt halt auch ein Serienmeister Probleme.

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Viele Spiele gleichen einander wie ein Ei dem anderen. Das sieht auch Marsch so. „Es war fast die gleiche Situation wie beim Sturm-Spiel. Da haben wir nach der Halbzeit gut gespielt, und dann bekommen wir von unserer linken Flanke zwei Tore im Umschaltspiel“, sagte der US-Amerikaner am Sonntag. Die Lernfähigkeit seiner Mannschaft scheint begrenzt. Die defensiven Probleme zogen sich wie ein roter Faden durch den Herbst. Individuelle  und taktische Fehler lösen einander ab. Es fehlt der Abwehr vieles, aber besonders eines: ein Chef. Das ist, trotz all seiner Qualitäten, auch Andre Ramalho nicht.

Dass Salzburg so einen in naher Zukunft bekommen wird, ist praktisch ausgeschlossen. Sportchef Christoph Freund wird weiter seiner Philosophie treu bleiben und auch für die Defensive Talente, aber keine fertigen Spieler holen. Die jungen Spieler, die zuletzt für die Innenverteidigung verpflichtet wurden, haben sich alle nicht entscheidend weiterentwickelt. Max Wöber, der mehr als zehn Millionen gekostet hat, und Jerome Onguene, der um rund zwei Millionen kam, machten eher einen Schritt zurück als vorwärts. Oumar Solet, der im Sommer um immerhin 4,5 Millionen Euro geholt wurde, merkt man die fehlende Spielpraxis und die körperlichen Defizite noch immer an. Der 20-jährige Franzose hatte das komplette erste Halbjahr 2020 bei seinem Ex-Klub Lyon wegen eines Kreuzbandrisses versäumt.

Trotz großer Investitionen konnte Salzburg den Abgang von Duje Caleta-Car, der mit Ramalho offensichtlich besser zusammengepasst hat als seine Nachfolger, vor zweieinhalb Jahren zu Olympique Marseille noch immer nicht kompensieren. Der Kroate war einst den Weg über den FC Liefering erfolgreich gegangen. Anders als in vielen anderen Mannschaftsteilen konnte Salzburg den Abgang des Innenverteidigers nicht intern ersetzen. Und momentan schaut es nicht so aus als würde sich daran etwas in naher Zukunft ändern.

Sollte keine Transferüberraschung passieren, wird Marsch wohl oder übel mit den vorhandenen Innenverteidigern das Ziel Titelverteidigung im Frühjahr angehen müssen. „Wir müssen in beiden Strafräumen besser werden“, meint der US-Amerikaner. Und das wird auch notwendig sein. Denn dass der Meistertitel ein Selbstläufer wie in den letzten Jahren wird, darauf deutet momentan nichts hin, auch weil die Konkurrenz in Österreich ganz offensichtlich aufgeholt hat.