Sport/Fußball

Nach Skandal-Spiel: Welle der Empörung im deutschen Fußball

Dietmar Hopp und Karl-Heinz Rummenigge standen Schulter an Schulter am Spielfeldrand im strömenden Regen. Der Mäzen der TSG 1899 Hoffenheim und der Vorstandschef des FC Bayern - seit Jahren gute Freunde - beobachteten sichtlich ergriffen die bemerkenswerte Aktion ihrer Mannschaften. Nach wiederholten Hass-Plakaten gegen Mäzen Hopp ließen beide Teams die Uhr bei der Bundesliga-Partie am Samstag in Sinsheim fast eine Viertelstunde lang nur noch herunterlaufen - das da schon feststehende 6:0 der Bayern spielte keine Rolle mehr. „Das ist ein schwarzer Samstag“, sagte Rummenigge wenig später.

„So wie die Spieler das gemacht haben, das ist ein absolutes Zeichen“, erklärte der Bayern-Boss. „Ich schäme mich zutiefst für diese Chaoten. Spätestens heute ist der Moment gekommen, wo die gesamte Bundesliga gegen diese Chaoten vorgehen muss. Wir müssen alle zusammenstehen. Wir haben viel zu lange die Augen zugemacht, was in den Kurven passiert. Das ist das hässliche Gesicht des Fußballs.“

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Schiedsrichter Christian Dingert hatte die Partie zuvor wegen der entsprechenden Plakate im Block der Bayern-Anhänger zweimal unterbrochen. Die zweite Pause dauerte fast 20 Minuten, ehe die Teams nur noch symbolisch auf den Rasen zurückkehrten, sich den Ball hin und her spielten, Dehnübungen machten und miteinander sprachen. Im Kabinengang hatten beide Teams diese in der Bundesliga einmalige Reaktion beschlossen.

„Alle Beteiligten - Spieler, Schiedsrichterteam und die Verantwortlichen von Bayern München und der TSG Hoffenheim sowie sehr, sehr viele Stadion-Besucher - haben in dieser Situation vorbildlich gehandelt und damit ein klares Signal an einige selbsternannte Herrscher über die Fußball-Kultur gesetzt, derartige Entgleisungen nicht mehr zu dulden“, sagte DFL-Chef Christian Seifert. „Jegliche Art von Hass darf keinen Platz haben. Dies muss der Anspruch des gesamten deutschen Profifußballs sein.“

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„So geht es einfach nicht weiter“

Die Bayern-Profis, Trainer Hansi Flick, Rummenigge und auch Vorstandsmitglied Oliver Kahn hatten vor der Kurve wild gestikulierend auf die Fans eingeredet, das Transparent wieder abzuhängen. Die Schmähungen gegen den Hoffenheimer Macher seien „schon lange nicht mehr hinnehmbar“, sagte Seifert. Flick, einst selbst in Hoffenheim Trainer, äußerte nach dem Spiel: „Was heute passiert ist - so geht es einfach nicht weiter.“

Der FC Bayern wird Rummenigge zufolge „mit aller Schärfe“ gegen die „Chaoten“ vorgehen. Schon beim Hoffenheimer 1:1 in Gladbach war vergangene Woche die Partie unterbrochen worden, als Hopps Konterfei von Fans der Gastgeber in einem Fadenkreuz gezeigt wurde. Wegen Schmähgesängen gegen Hopp wurde an diesem Samstag auch die Partie von Dortmund gegen Freiburg kurzzeitig unterbrochen. Die verschiedenen Fan-Gruppen spielten damit auf ein Urteil des DFB-Sportgerichts an, das den BVB mit einer Zwei-Jahres-Sperre für seine Fans für Gastspiele in Sinsheim belegt hatte.

Bilder vom Skandal-Match in Sinsheim:

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Mittlerweile ist im Internet auch eine Stellungnahme der Verfasser der Transparente aufgetaucht. In dem am Samstag auf  "suedkurve-muenchen.org" veröffentlichten Text steht etwa: "Man muss den Wortlaut nicht gut heißen, aber es gab für uns hierzu keine Alternative, da nur so das Thema die nötige Aufmerksamkeit erhält."

Grund  für den Protest sei, dass der DFB durch die Verhängung einer Stadionsperre für alle Fans von Borussia Dortmund bei Spielen ihres Vereins in Hoffenheim das Versprechen gebrochen hätte, keine Kollektivstrafen gegen Fangruppen mehr auszusprechen.

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Scharf kritisiert werden in der Stellungnahme die Spielunterbrechung. "Will man zukünftig immer, wenn solche Beleidigungen auf der Zuschauertribüne geäußert werden, Fußballspiele ab- oder unterbrechen, wird man keine Partie mehr über 90 Minuten spielen können. Die Unterbrechung heute war einfach nur überzogen und absurd."

Update: Die Seite "suedkurve-muenchen.org" war am Sonntag um 6.55 Uhr nicht aufrufbar.

Weitere Reaktionen: 

Sebastian Kehl (BVB-Lizenzspielerchef): „Solche Schmähungen haben ins unserem Stadion nicht zu suchen. Es gibt bei uns keinen Raum für solche Themen. Natürlich verändert sich die Welt, es gibt ein paar Themen, die uns nachdenklich machen. Wir haben uns als Club klar positioniert, es gibt für uns keinen Raum für Anfeindungen.“

Michael Zorc (BVB-Sportdirektor): „Bislang hat es die Bundesliga nicht in den Griff bekommen. Ich glaube, wir haben jetzt einen Punkt erreicht, der so nicht mehr zu tolerieren ist. Solche Schmähgesänge gegen eine Person sind unsäglich. Deshalb hat der Schiedsrichter richtig reagiert.“

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Christian Streich (Trainer SC Freiburg): „Was in diesem Land in den letzten zehn Monaten passiert ist, in puncto Hetze, in puncto Anschläge auf Politiker, auf jüdische Einrichtungen und jetzt auf eine türkische Shisha-Bar ist extrem gefährlich. Man braucht nur die Geschichte der Weimarer Republik zu studieren, um zu wissen, wo es hingehen kann. Diese Hetze gegen Menschen ist nicht hinnehmbar. Die Menschen lieben Fußball in diesem Land, er hat eine wichtige Funktion. Wenn es so weiter geht, steh ich dahinter, dass ein Spiel einfach beendet wird und man nach Hause geht. Man darf auf keinen Fall darüber hinwegsehen.“

David Wagner (Trainer FC Schalke 04): „Ich habe keinerlei Erklärung, keinerlei Verständnis dafür. Jeder, der sich dazu äußert, weiß, wie hirnlos das Ganze ist.“
Jochen Schneider (Sportvorstand FC Schalke vor dem Spiel bei Sky): „Es muss jetzt ein Prozess bei den wahren Fußballfans einsetzen. Das kann ja nicht im Interesse von allen sein, die den Sport lieben.“

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Achim Beierlorzer (Trainer FSV Mainz 05): „Ich kann gar nicht nachvollziehen, dass es Menschen gibt, die Plakate schreiben, um andere Menschen, die viel für die Gesellschaft und den Sport machen, zu diffamieren. Das werde ich im Leben nicht verstehen. Man sollte diese Menschen aus dem Block ziehen. Den Block absperren, rein, raus - Ende. Nie mehr Stadion plus alles, was gerichtlich geht. Das sind immer nur wenige, die so etwas machen. Dagegen müssen wir alle aufstehen und uns wehren. Die dürfen keine Mitstreiter kriegen.“

Martin Schmidt (Trainer FC Augsburg): „Es darf nie persönlich werden und nie unter die Gürtellinie. Die jüngsten Auswüchse gehen klar in diese Richtung und deshalb sind sie klar zu verurteilen.“

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