Nach dem US-Triumph: Ein WM-Titel, der weniger wert war
Von Stefan Berndl
"Wir haben die unglaublichste Show geliefert, die man sich je vorstellen könnte", sagte Megan Rapinoe, die Frontfrau des erfolgreichen US-Frauenteams, die überhaupt die prägende Figur des zurückliegenden WM-Turniers war. Nicht nur erhielt die 34-Jährige am Sonntag den Goldenen Ball als beste Spielerin und den Goldenen Schuh als beste WM-Torschützin, sie schrieb mit ihren Botschaften für Gleichberechtigung sowie gegen Homophobie, Rassismus und Ausgrenzung auch abseits des Sportlichen die Schlagzeilen.
"Mit ihrer Persönlichkeit ist Megan wie dafür gemacht, ein Lautsprecher für den Frauenfußball zu sein", sagte US-Trainerin Jill Ellis. "Es gibt Menschen, die verbrennen im Scheinwerferlicht. Sie lässt es erstrahlen." Rapinoe und ihre Teamkolleginnen hatten sich bereits vor der WM für eine Gleichbehandlung der Geschlechter eingesetzt. So hatten etwa am Frauentag mehr als zwei Dutzend Spielerinnen den Nationalverband in den USA (US Soccer) verklagt.
Behauptet wurde, die Organisation zahle den Frauen weniger als Männern und biete ihnen schlechtere Trainings- und Spielbedingungen, obwohl ihre Leistungen im internationalen Vergleich höher einzustufen seien als jene der Fußballer. Dass das Frauen-Team deutlich erfolgreicher agiert beweist nicht nur der nun verteidigte WM-Titel. Doch wie sieht es mit der Bezahlung aus?
US-Fußballer bekommen viermal mehr
Die britische Tageszeitung The Guardian schlüsselte zuletzt die Prämien der US-Frauen im Vergleich mit ihren männlichen Verbandskollegen auf. Dabei wird offensichtlich: Die US-Fußballer würden für gleiche Errungenschaften fast drei- bis viermal so viel verdienen wie Rapinoe und Co. So gibt es vom US-Verband für die erfolgreiche WM-Qualifikation rund 2,5 Millionen US-Dollar für das Team der Herren, was knapp 109.000 Dollar (rund 97.000 Euro) für jeden Spieler des 23-Mann-Kaders bedeutet. Eine US-Spielerin kommt lediglich auf 37.500 Dollar (rund 33.000 Euro).
Differenzen gibt es auch bei jenen Frauen und Männern, die es in den US-Kader für eine Weltmeisterschaft schaffen. Eine Spielerin erhält dafür rund 37.500 Dollar, ein Spieler knapp 69.000 Dollar. Einen großen Unterschied gibt es auch bei den WM-Titelprämien. Während das Herren-Team davon ohnehin nicht einmal träumen darf - für die WM 2018 hatte man sich nicht einmal qualifiziert - dürfen sich die Frauen über zusätzliches Geld freuen. Jede Spielerin erhält rund 110.000 Dollar für den Titelgewinn. Ein Mann hätte etwas mehr als 400.000 Dollar erhalten.
Die Frauen-WM selbst war mit einem Preisgeld von 30 Millionen Dollar (rund 26,7 Millionen Euro) dotiert. FIFA-Chef Gianni Infantino kündigte an, dass der Weltverband 2023 noch einmal so viel - also 60 Millionen US-Dollar (rund 53,4 Millionen Euro) - an Prämien ausschütten will. Erstmals erhielten die Teilnehmer auch Geld für die Turniervorbereitung, insgesamt 11,5 Millionen US-Dollar.
Die Lücke ist weiter groß
Die Vereine wurden zudem zum ersten Mal für die Abstellung von Spielerinnen entschädigt. Es sind auf den ersten Blick weitere Schritte zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Doch die Lücke ist weiter groß und wird sogar noch größer. Denn auch die Männer-Prämien steigen weiter. 2018 in Russland erhielt allein Weltmeister Frankreich eine Prämie von 38 Millionen US-Dollar (damals 32,5 Millionen Euro). Die Gesamt-Prämien für die nächste Männer-WM in Katar 2022 sollen rund 440 Millionen US-Dollar betragen.
Die Unzufriedenheit mit dieser Ungleichbehandlung machten auch die Zuschauer beim WM-Finale deutlich. Bei der Siegerehrung im Stade de Lyon waren von den Rängen "Equal Pay"-Rufe zu hören. Als Fifa-Präsident Gianni Infantino den Rasen betrat, um den US-Spielerinnen zum WM-Titel zu gratulieren, skandierten die Fans die Forderung nach gleicher Bezahlung, unabhängig vom Geschlecht.
"Ich denke, jeder ist bereit, diese Konversation auf die nächste Stufe zu heben", sagte Superstar Rapinoe nach dem Finale. "Wir sind durch mit der Frage, ob wir genau so viel verdienen sollten."
Gleiche Bezahlung für Hirscher und Shiffrin
Der Fußball ist jedenfalls, was die gleiche Bezahlung angeht, deutlich hinter vielen anderen Sportarten. Im Tennis werden etwa seit 2017 bei den großen Grand-Slam-Turnieren die gleichen Preisgelder an Frauen und Herren ausgeschüttet. Für den Sieger, die Siegerin gibt es beim am Sonntag zu Ende gehenden Turnier knapp 2,6 Millionen Euro.
Auch in der Leichtathletik herrscht Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, bei Weltmeisterschaften und in der Diamond League gibt es bei den Preisgeldern keine Unterschiede. Und auch im Skisport, bei Marcel Hirscher oder Mikaela Shiffrin, wird gleich viel Geld an die Fahrerinnen und Fahrer verteilt. "Ich bin extrem stolz auf meinen Sport, bei dem es keinen Gender Gap gibt", sagte Shiffrin. Ihre Landsfrauen und Neo-Fußball-Weltmeisterinnen müssen weiter dafür kämpfen.