Janko über die ÖFB-Krise: "Die 'Foda-Raus'-Rufe sind entbehrlich"
Von Marc Janko
Ich habe das Spiel gegen Schottland live im Stadion gesehen und mitgelitten. Ich kenne solche Partien, in denen einfach nichts funktioniert. Wenn ich aber die drei September-Länderspiele gesamtheitlich betrachte, dann ist es für mich ernüchternd, erschreckend und auch unerwartet, dass man nach so einer EURO den Schwung überhaupt nicht mitnehmen konnte.
Die Aussage von David Alaba nach dem Israel-Match war für mich bezeichnend, dass man atmosphärisch den Spirit nicht prolongieren konnte. Handelte es sich im Mai und Juni nur um eine Momentaufnahme über ein paar Wochen? Wenn man diverse Medienberichte in den letzten Monaten verfolgt, dann scheint einiges seit Monaten auch in diesem Bereich nicht zu passen.
Alltagsgeschichten
Denn der Alltag zeichnet nun wieder ein anderes Bild im Vergleich zur EM, jetzt ist umso mehr eine gute Stimmung gefragt, auch eine funktionierende Hierarchie innerhalb des Teams. Diese Misere kann man nicht am Teamchef allein aufhängen, das wäre zu kurz gegriffen. Viele Faktoren fügen dieses Bild zusammen.
Ich verstehe den Unmut der Fans im Stadion. Die Pfiffe als Ausdruck sind in Ordnung, aber die „Foda raus“-Rufe finde ich schade, weil entbehrlich.
Man muss auch in einigen Bereichen die Mannschaft in die Pflicht nehmen, vor allem in Spielen wie diesem im Wiener Prater. Da braucht es eine gute Hierarchie, in der Führungsspieler vorangehen mit einer guten Körpersprache. Vielmehr habe ich aber Verzweiflung gesehen, auch Ohnmacht und Ratlosigkeit.
Keinem Spieler kann es Spaß machen, wenn man solche Partien abliefert. Dafür reist niemand extra nach Wien an. Dass bei der Qualität des Teams und der Einzelspieler deutlich mehr möglich wäre, für diese Erkenntnis muss man kein Experte sein.
Moderation
In der aktuellen Situation sind alle gefordert, auch der Sportdirektor. Peter Schöttel steht daher ebenso in der Verantwortung, sollte eingreifen, nahe an der Mannschaft sein, gegebenenfalls moderieren, vermitteln und mit allen reden.
Darüber hinaus möchte ich noch ein strukturelles Thema ansprechen. In sehr vielen Ländern hatte man in der Vergangenheit sehr auf die „falsche Neun“ als Stürmertyp gesetzt, dabei aber in der Nachwuchs-Ausbildung ein wenig auf die klassischen Stoßstürmer vergessen.
Variantenreich
Gegen tief stehende Gegner, gegen die Österreich zuletzt regelmäßig vor Lösungsproblemen stand, benötigt man beides, kann ein groß gewachsener Stürmer mit brachialen Mitteln durchaus von Vorteil, zumindest aber eine taktische Variante sein. Je mehr Möglichkeiten man hat, einen gegnerischen Abwehrriegel zu knacken, desto eher wird das zum Erfolg führen.
Dasselbe gilt auch für Spieler, die sich im Eins gegen Eins durchsetzenkönnen, deren Ausbildung und Förderung im Nachwuchsbereich extrem wichtig ist. Denn diese Spieler produzieren mit ihren Fertigkeiten im Spiel oft Überzahlsituationen, die eine offensiv ausgerichtete Mannschaft dringend benötigt.
sport
Marc Janko ist Fußball-Experte bei Sky – der 38-Jährige spielte 70-mal für das Nationalteam und erzielte 28 Tore.
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