Sport/Fußball

Klopp vor Hit in Salzburg: „Wir werden um unser Leben rennen“

140 Journalisten, 60 Fotografen, Dutzende TV-Reporter, -Kameraleute und -Techniker. Sie alle haben sich für das finale Champions-League-Gruppenspiel zwischen Salzburg und Liverpool am Dienstag akkreditiert (18.55 Uhr, im Liveticker auf kurier.at). Zehn TV-Stationen, die in ihren Ländern die exklusiven Übertragungsrechte haben, sind mit eigenen Übertragungswagen angereist – so viele wie bei keinem anderen Spiel in der Königsklasse in dieser Woche.

Der Ausnahmezustand kommt nicht von ungefähr. Eine der größten Sensationen der letzten Jahre könnte passieren. Alle sind gekommen, weil der Titelverteidiger der Champions League just gegen einen Klub aus Österreich ausscheiden und er sein Waterloo erleben könnte. Er, das ist Jürgen Klopp, Liverpools Coach, der erst vor Kurzem von den Teamchefs und Teamkapitänen der 211 FIFA-Mitglieder als Trainer des Jahres geadelt wurde.

Volles Haus

Schon bei der Pressekonferenz am Tag vor dem Showdown war der Auflauf an Medienvertretern so groß, dass der eigentliche PK-Raum in den Stadionkatakomben zu klein gewesen wäre. Klopp sprach deshalb im kurzfristig umgebauten, proppenvollen VIP-Zelt vor der Westtribüne zur Journalistenschar.

Im Blitzlichtgewitter betrat er den Raum, setzte sich nieder und lauschte den Antworten von Liverpool-Kapitän Jordan Henderson, der als erster die Journalistenfragen abarbeitete. Nach acht Minuten legte Klopp - geblendet vom Gegenlicht - los. Bei seinen Antworten wollte er keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass er wisse, welche schwierige Aufgabe wartet: „Es ist das wichtigste Spiel in unserem Leben, weil es nach diesem kein Gruppenspiel mehr geben wird. Wir wissen das und so werden wir das Spiel angehen.“

Dass auch er vor die Gruppenfinale ziemlich angespannt ist, gab Klopp zu: „Das ist doch normal. Wenn du Ambitionen hast, dann bedeutet das, dass dir etwas wichtig ist. Wenn es dir wichtig ist, dann will man es auch erreichen. Ich hatte schon viele wichtige Spiele, ich habe leider viele wichtige Spiele verloren. Aber man lernt im Laufe der Jahre, dass einen Niederlagen nicht umbringen.“

Die Vorbereitung auf das letzte Gruppenspiel war ungewöhnlich. Auf das obligate Abschlusstraining in der Red-Bull-Arena wurde verzichtet. Nur ein kurzer Stadionspaziergang stand auf dem Programm. Klopp ließ aber auch diesen aus, gab in den Katakomben einigen TV-Stationen stattdessen Interviews.

Späte Ankunft

Erst um 18.30 Uhr war der Liverpooler Mannschaftstross am Salzburger Flughafen gelandet. Von dort war man mit dem Teambus schnurstracks in das gut zehn Minuten entfernte Salzburger Stadion gefahren. Das Teamhotel nahe des Hauptbahnhofs wurde erst später bezogen.

Klopp ist aktuell wohl der weltweit populärste Vertreter der Trainerzunft. Der 52-Jährige ist Taktikfuchs, Fußball-Revolutionär, Menschenversteher, Showman, Exzentriker und Werbestar in Personalunion. Adrenalin und Leidenschaft prägen seine Auftritte in den Arenen der Fußballwelt.

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Klopp kommt bei der breiten Masse an. Er ist auch ein dankbarer Gesprächspartner für Journalisten. Er weiß nämlich ganz genau, wie man Schlagzeilen produziert. Und er füttert die Medien mit starken Sprüchen, durch die er bei der Heim-WM 2006 als ZDF-Experte zum Medienstar in Deutschland wurde.

Gestern war er zwar nicht in Überform, vielleicht auch, weil er zu angespannt war, aber einmal brachte er die Journalisten immerhin zum Lachen: „Ich bin schon im Wettbewerbsmodus“, sagte er auf Englisch, nachdem er den Dolmetscher auf Deutsch forsch zurechtgewiesen hatte, mit dessen Arbeit er nicht zufrieden war. Freundlichkeit oder zumindest Gelassenheit strahlte er in diesem Moment keine aus.

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Ihn aber nur auf seine Schlagfertigkeit zu reduzieren, würde ihm nicht gerecht werden. Er beweist seit mehr als 15 Jahren, wie akribisch und gewieft er als Trainer arbeitet, um maßgeschneiderte Strategien zu entwerfen. Erfolg hatte er bisher mit jedem Klub, bei dem er als Trainer gearbeitet hat, ob nun mit Mainz, Dortmund oder Liverpool.

Er will mit seinen Teams immer begeistern, Spektakel bieten, dynamischen Fußball spielen. Sein Konzept kann er seit seinem Amtsantritt 2015 noch perfekter als bei seinen anderen Klubs umsetzen, weil er jetzt zusätzlich das nötige Kleingeld zur Verfügung hat. Sadio Mané, einst Publikumsliebling in Salzburg, Mohamed Salah, Virgil van Dijk oder Torhüter Alisson Becker – alle wurden um viel Geld verpflichtet, alle vier schlugen ein.

Größter Erfolg

Mit den Reds hat Klopp am 1. Juni den Olymp des Klubfußballs bestiegen, gemeinsam wurden sie in Madrid durch ein 2:0 gegen Tottenham Champions-League-Sieger. In dieser Saison ist er auf dem besten Weg, Liverpool zum ersten Titel in der Premier League zu führen, die 1992 gegründet wurde.

Dafür könnte der Titelverteidiger in der Königsklasse schon in der Gruppenphase scheitern – eine Niederlage, die sich der Erfolgsmensch Klopp nicht leisten will: „Es ist ein Finale. Wir wissen das seit zwei Wochen. Salzburg muss gewinnen. Das ist möglich. Deshalb liebe ich den Fußball so. Wir sind kein typischer Champions-League-Sieger. Wir sind noch gierig und werden um unser Leben rennen“, kündigte er an. Der Dienstagabend wird zeigen, ob dem wirklich so ist. Denn die Wahrheit liegt wie immer auf dem Platz.