Sport/Fußball

Spanien wird Europameister und kann eine Ära begründen

Ich lege mich fest, auch wenn das etwas gefährlich ist vor einem großen Finale. Spanien wird Europameister, aber es wird am Sonntag in Berlin enger und ausgeglichener als gedacht.

Das liegt in erster Linie an Gegner England. Mit dem Team von Gareth Southgate hatte ich eigentlich schon abgeschlossen nach zwei Spielen in der Vorrunde, aber die so talentierte Mannschaft hat zuletzt doch noch die Kurve bekommen. Man sieht bei den Engländern im Spiel mehr Leidenschaft und – endlich auch – mehr Plan.

Die Breite im Kader ist doch noch ein kleines Stück größer als bei Spanien. Schon im Halbfinale hat das den Ausschlag gegeben zugunsten der Engländer. Auch im Endspiel könnte dies, vor allem wenn es bis zum Schluss eng bleibt, der entscheidende Faktor werden.

Englisches Fußball-Märchen

Es wäre natürlich eine coole Geschichte für den Fußball, sollten die Engländer nach Jahrzehnten der Enttäuschungen doch wieder einmal triumphieren. Im Falle eines Erfolges wird niemand mehr an die mageren Auftritte in der Gruppenphase denken.

Dennoch ist Spanien jene Nation, die am meisten und durchgehend begeistern konnte während der vergangenen vier Wochen. Das ist die vielleicht schönste Erkenntnis dieser Europameisterschaft: Man kann auch mit attraktiven Fußball erfolgreich sein.

Das Kuriose ist ja, dass die Spanier intern diese EM als Übergangsturnier bezeichnet haben. Man dachte wohl nicht, dass es nach dem großen Umbruch im Kader samt Neubestellung des Teamchefs schon reicht für den großen Wurf. Die Mannschaft hat noch viel Potenzial zur Entwicklung. Hält diese in den kommenden Monaten und Jahren an, ist es möglich, dass uns wieder eine ganz große Ära im Weltfußball bevorsteht.

Das Gesicht des spanischen Aufschwungs ist zweifelsfrei Lamine Yamal. Er hat die Fähigkeiten, Spiele zu entscheiden – und das bereits als Teenager. Die Feier zu seinem 17. Geburtstag am heutigen Samstag  wird nicht überschwänglich ausfallen.

Lamine Yamal braucht ein gutes Umfeld

Ich kann mir vorstellen, dass er aufgrund seines Alters sogar ein wenig wie ein Fremdkörper wirkt im Teamcamp. Ihn beschäftigen privat (noch) andere Themen, als die Mehrheit seiner Teamkollegen.  Überhaupt wird es in naher Zukunft stark von seinem Umfeld abhängen, ob er tatsächlich zum neuen Superstar des Weltfußballs wird. Sportlich steht dem kaum etwas im Weg.

Aber: Er wird schon bald mit Geld, Angeboten und Aufmerksamkeit überhäuft werden. Er sieht schon jetzt Mitspieler, die Armbanduhren tragen im Wert von Zwei-Zimmer-Wohnungen. All das macht etwas mit einem jungen Menschen. Die große Kunst ist es, hier die richtigen Schlüsse – und auch Grenzen – für sich selbst zu ziehen.

Marc Janko ist Fußball-Experte bei Sky – der 41-Jährige spielte 70-mal für das Nationalteam und erzielte 28 Tore.

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