Die Baustellen im ÖFB-Team bleiben bestehen
Die Teamchef-Ära von Marcel Koller neigt sich dem Ende zu. Es dürfte nur eine Frage der Zeit und der Art und Weise sein, wie der Schweizer und der ÖFB die einvernehmliche Trennung formulieren werden. Die Entscheidung wird definitiv vor den nächsten WM-Qualifikationsspielen im Oktober fallen. Danach können sich Präsident Leo Windtner und Sportdirektor Willi Ruttensteiner, ebenso wie Koller für das sportliche Scheitern verantwortlich, auch offiziell der Suche nach einem neuen Teamchef widmen. Inoffiziell blickt man sich ohnehin schon um.
Wer auch immer Österreichs oberster Fußball-Lehrer wird, er erbt von Marcel Koller so manche Baustelle, die er so schnell wie möglich schließen muss, um in Ruhe arbeiten zu können.
Causa Alaba
Gegen Georgien hat der Bayern-Spieler wieder einmal verdeutlicht, dass die offensive Position im Mittelfeld einfach nicht sein Revier ist. Schade nur, dass sich ein so guter Fußballer etwas einbildet, das ihm gar nicht zum Vorteil gereicht, und er sich weigert, dort zu spielen, wo er bei den Bayern Woche für Woche zum Einsatz kommt. Zwei Mal hat ihn Koller gebeten, als linker Verteidiger auszuhelfen. Einmal im Heimspiel gegen Irland, als Ilsanker eingewechselt wurde – und Alaba die Anweisungen schlicht und einfach ignorierte und weiter auf seiner Position im Mittelfeld blieb. Und auch vor dem Spiel in Serbien startete Koller einen Überzeugungsversuch, da winkte der 25-Jährige ebenfalls ab.
Causa Linksverteidiger
Martin Hinteregger hat die Rolle als "Notlösung" hervorragend gespielt, muss in Zukunft aber wieder in die Innenverteidigung rücken, da er dort aufgrund seiner in den letzten zwei Jahren gezeigten Leistungen der absolute Abwehrchef ist. Der neue Teamchef könnte sein Telefon zur Hand nehmen, die Nummern von Andreas Ulmer und Markus Suttner wählen und sie zu einem Teamcomeback bewegen. Jedenfalls benötigt das Nationalteam einen Linksverteidiger, der diese Position auch bei seinem Verein praktizieren darf. Das trifft nach wie vor auf Alaba zu.
Causa Torjäger
Österreich benötigt wieder einen Stürmer wie Marc Janko in der Form der EM-Qualifikation. Einen, der die stets vorhandenen Torchancen auch zu einem Großteil verwertet. Österreich benötigte in der Vergangenheit für die Qualifikation für ein Turnier immer einen Torjäger. Auf Krankl folgte Polster, auf Polster irgendwann Janko. Ein Nachfolger ist bis dato noch nicht in Sicht, Burgstaller und Gregoritsch sind zwar Kandidaten, aber von dieser Treffsicherheit auf höchstem Niveau noch klar entfernt.
Causa Mannschaftsgefüge
Gruppenbildungen gibt es in jedem Betrieb, in jeder Mannschaft der Welt. Die Kunst des Teamchefs ist es, die Gräben nicht aufbrechen zu lassen. Gewöhnlich sind Erfolge der beste Kitt, wie die so erfolgreiche EM-Qualifikation verdeutlichte. Über Differenzen konnte so lächelnd hinweggesehen werden. Allerdings blieben disziplinarische Verfehlungen von gewissen Spielern ohne adäquate Konsequenzen durch Teamchef Koller; er ließ sie gewähren, da er diese Spieler benötigte. Allerdings wurden dadurch wiederum andere erfahrene und wichtige Spieler irritiert, das Mannschaftsgefüge wurde sehr wohl belastet.
Causa Selbstreflexion
Die misslungene EURO wurde in Wahrheit nie in die Tiefe gehend aufgearbeitet, weder von Koller, noch von Sportdirektor Ruttensteiner. Ganz nach dem Motto: Wir haben keine Fehler gemacht. Als Gründe der Pleite wurden fehlendes Glück, Formkrisen und Verletzungen der Spieler angegeben. Schön reden, Augen verschließen und sich dann wundern, dass sich auch in der WM-Qualifikation nichts ändert?
Vor einem Neustart sollte man wissen, was bei der EM-Quali funktioniert und was bei der WM-Quali nicht geklappt hat. Nur dann kann man handeln.