UEFA, Russland und Ukraine-Krieg: Abkehr von der sportlichen Neutralität
Der offizielle Teil eines UEFA-Kongresses ist wohl kaum spannender als die Generalversammlung eines Schrebergartenvereins – bis hin zur Video-Grußbotschaft des österreichischen Sportministers, der am Mittwoch verhindert war. Das Relevanteste war ohnehin schon am Vortag vom Exekutivkomitee beschlossen worden. So wurde der offizielle Teil des 46. UEFA-Kongresses am Mittwochvormittag in der Messe Wien zu einem Zuckerl für Zwischen-den-Zeilen-Leser und Zwischentöne-Hörer.
- Europacup-Reform
UEFA-Präsident Aleksander Ceferin sagte am Mittwoch, "dass wir alle einen Schritt zurück gemacht haben". Daraus lässt sich schließen, dass am Dienstag heftig über die Champions League ab Sommer 2024 diskutiert wurde. Mehr Vereine, mehr Spiele, Fix-Plätze für "Traditionsvereine" – das wollten die Großklubs als Entgegenkommen dafür, dass man die Pläne einer Super League wieder fallen gelassen hat. Gegen eine radikale Aufstockung der Champions League machten aber einige Fangruppen und europäische Ligen mobil. Nun können 36 statt 32 Klubs in der Champions League spielen.
Diese bestreiten nun acht statt sechs Vorrundenspiele – insgesamt macht das 64 Spiele mehr. Und zwei der vier neuen Plätze gehen nicht direkt an „Traditionsvereine“, sondern an die beiden Länder, die im Vorjahr im Europacup am erfolgreichsten waren. Das Thema mit dem größten Streitpotenzial dabei wurde jedoch verschoben – wie die UEFA das Geld verteilen wird, das sie durch die Vermarktung der zusätzlichen Spiele verdienen wird. 2020/2021 hat die UEFA 5,7 Milliarden Euro eingenommen, das sind um 1,1 Milliarden mehr als vor fünf Jahren bei der letzten EM-Saison. In einem Jahr ohne EM (2019/2020) waren es immer noch drei Milliarden.
- Russland
Die UEFA hatte russische Vereine aus allen Wettbewerben ausgeschlossen, den russischen Verband aber nicht suspendiert. Die RFU-Delegation in Wien wurde von Generalsekretär Alexander Alajew angeführt. Der ukrainische Verbandschef wurde, in einem von Bomben zerstörten Stadion stehend, per Videokonferenz zugeschaltet. Zum Ausschluss der Klubs und Nationalteams sagte Ceferin: "Es mag als gefährlicher Präzedenzfall angesehen werden, aber in diesem Fall ist die Sache größer als alles andere. Größer als die Karrieren einiger Hundert Fußballer und die Tradition der sportlichen Neutralität, die 2022 im Krieg nicht mehr zu halten ist."
- Der UEFA-Boss
Stille Post spielte der Däne Christensen mit dem Schweden Nilsson, der dann am Rednerpult erzählt, dass bei einer Sitzung in Dänemark der Wunsch geäußert wurde, dass Ceferin sich der Wiederwahl stelle. Der 54-jährige Slowene, er ist seit 2016 im Amt, grinste und meinte, er sage zunächst nur, dass er nicht gedacht habe, dass die beiden ihn aus dem Gleichgewicht bringen könnten. "Doch sie haben es geschafft. Wenn ich jetzt Fehler mache, seid gnädig." Den internationalen Agenturen war das Ausweichmanöver eine Meldung wert.