Sport/Fußball

Bosnien-Star Dzeko: "Ein paar Österreicher sind Weltklasse"

Sein Heimatland fiel auseinander, als er fünf war. Seine Kindheit verbrachte er in einer belagerten, die Jugend in einer vom Krieg zerstörten Stadt. Aus der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina, heute eines der ärmsten Länder Europas, schaffte er den Sprung in die große Fußballwelt.

Heute ist Edin Dzeko, 32, nicht nur in seiner Heimat eine Marke, sondern auch der einzige Spieler, der in drei der Top-5-Ligen mindestens 50 Tore erzielt hat. Für die Nationalmannschaft traf der Kapitän in 96 Partien 55 Mal, so oft wie kein anderer in der Geschichte des jungen Staates. Stets im Rampenlicht zu stehen, ist Dzeko also gewohnt. Ob auf dem Feld als Anführer oder auf dem Red Carpet an der Seite seiner Frau Amra Silajdzic, die als Model tätig ist. Der bosnische Fußball-Verband ermöglichte dem KURIER vor dem heutigen Spiel ein Interview mit dem Star von AS Roma.

KURIER: Wie groß ist Ihre Vorfreude auf das Spiel in Wien? Immerhin werden viele bosnische Fans im Stadion sein. Edin Dzeko: Ich freue mich auf jedes Spiel mit dem Nationalteam und weiß, dass viele Bosnier da sein werden. Sie nutzen jedes Gastspiel von uns, um ein Stadion zu füllen. Österreich ist nah, auch deshalb wird seit Wochen darüber gesprochen, wie man nach Wien gelangen kann.

Glauben Sie, dass Bosnien-Herzegowina der erste Platz in der Gruppe noch zu nehmen ist?

Das Spiel gegen Österreich wird ausschlaggebend sein. Gewinnen wir, ist uns Platz eins nicht mehr zu nehmen. So müssten wir das Duell zwischen Österreich und Nordirland nicht abwarten. Wir wollen am Donnerstag alles geben, damit wir nicht zittern müssen.

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Können Sie der These etwas abgewinnen, Österreich hätte im Moment – zumindest auf dem Papier – bessere Einzelspieler?

Unser Teamchef sagte vor ein paar Tagen, dass er Österreich trotz des starken Teams mit hervorragenden Einzelspielern nicht für den Favoriten hält. Am Ende wird ohnehin das Kollektiv ausschlaggebend sein, nicht die Einzelspieler. Die Österreicher haben tatsächlich einige tolle Spieler, ein paar sind sogar Weltklasse. Doch wir besitzen auch Qualität. Bei uns findet gerade ein Generationswechsel statt, die neuen Jungs haben sich hervorragend eingefügt.

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Ihr Treffen mit Marko Arnautovic nach dem Hinspiel in Zenica wirbelte hierzulande viel Staub auf. Haben Sie davon etwas mitbekommen bzw. hatten Sie danach Kontakt mit ihm?

Das war ein Abendessen zweier Freunde. Wir hatten uns davor lange nicht gesehen und hatten im Vorfeld des Spiels ausgemacht, dass wir danach, unabhängig vom Spielausgang, zu Abend essen gehen werden. Ich sehe keinen Grund für so viel Kritik, im Falle einer Niederlage von Bosnien wären wir genauso ausgegangen. Auch nach dem Spiel in Wien werden Marko und ich uns treffen, weil wir abseits des Rasens Freunde sind. Auf dem Feld wird jeder von uns alles geben, aber danach werden wir uns umarmen und unsere Freundschaft pflegen.

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Bevor sie Teplice im Jahr 2007 Richtung Wolfsburg verlassen haben, soll es einen Kontakt zu Austria Wien gegeben haben. Aus heutiger Sicht war der Schritt nach Deutschland wohl der richtige...

Ich möchte Dinge, die so lange her sind, nicht kommentieren. Ich bin froh, nach Deutschland gegangen zu sein, weil ich dort schlussendlich mit Wolfsburg den Meistertitel gewonnen habe.

Können Sie sich vorstellen, Ihre Karriere in einer kleineren Liga, womöglich gar in der bosnischen, ausklingen zu lassen?

Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Derzeit denke ich noch nicht über das Karriereende nach.

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Der Nationalstolz der Sportler aus dem ehemaligen Jugoslawien scheint größer zu sein als der anderer Sportler. Warum ist das so?

Es ist sicherlich so, dass alle Mannschaften aus dieser Region einen Nationalstolz haben, der sie antreibt. Doch nicht nur wir besitzen diese Charaktereigenschaft. Bei vielen südamerikanischen Nationalteams ist es genauso. Jeder, der das Trikot seines Landes überstreift, sollte sich dessen bewusst sein, dass er für sein Land, für das Wappen auf der Brust, kämpft und sich dementsprechend auf dem Platz verhalten soll. Wenn ich das Team-Trikot anziehe, dann ist das für mich etwas Besonderes, voll mit Emotionen, voll mit Leidenschaft – weil ich weiß, dass die Leute unsere Nationalmannschaft lieben, diese förmlich leben. Viele Menschen sind emigriert, vor allem aufgrund des Krieges. Die Nationalmannschaft ist für viele der einzige Berührungspunkt mit der Heimat. Dessen sind wir uns bewusst, und wir versuchen daher, diese Menschen glücklich zu machen.

Sie lebten in Ihrer Karriere in vielen Ländern, derzeit in der Metropole Rom. In wieweit hat Sie das alles verändert?

Ich habe meinen Freundeskreis erweitert, andere Kulturen und Sitten kennengelernt, und das hat mich zu einem anderen Menschen geformt. Meine Kinder sind außerhalb Bosniens geboren worden, dennoch bringe ich ihnen die Heimatliebe bei. Sie müssen lernen, dass wir stolze Bosnier sind, und dass andere europäische Städte nur Orte sind, in denen wir leben. Bosnien und Herzegowina ist unsere einzige Heimat.

Sie haben ein Angebot aus der Premier League ausgeschlagen und sich für Rom entschieden. Tut Ihnen das „Dolce Vita“ gut?

Ich genieße meine Zeit in Rom. Meine Familie hat sich dort eingelebt, wir fühlen uns pudelwohl. Rom ist meine Familie geworden.

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Es fällt auf, dass Sie sich in der Öffentlichkeit nie politisch äußern – im Gegensatz zu vielen Kollegen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Warum eigentlich?

Wenn es Ihnen schon aufgefallen ist, warum glauben Sie, dass ich Ihnen diese Frage nun beantworten würde (lacht)? Ich verfolge alle Geschehnisse, kommentieren möchte ich sie aber nicht.

Versuchen kann man es ja. In Ihrer von zahlreichen Problemen geplagten Heimat sind Sie ein Volksheld. Wie groß ist diese Bürde?

Ich habe mich an den Druck gewöhnt. Manchmal komme ich damit besser, manchmal schlechter zurecht. Wie ich bereits sagte: Wir Spieler sind uns der Verantwortung bewusst. Insbesondere ich, der in Sarajevo aufgewachsen ist, in einer Stadt, in der man tagtäglich auf einem schmalen Grat zwischen Leben und Tod gewandert ist. Ich habe einige gleichaltrige Freunde im Krieg verloren, auch das hat mich als Mensch geformt. Meine Landsleute lieben den Fußball. Dieser dient ihnen oft als Druckventil, beim Fußball lassen sie dann ihren Zorn raus, sie freuen sich oder sie trauern. Der Fußball ist unsere Arbeit, aber auch unsere Liebe. Die Tore sind ein fixer Bestandteil dessen, und deshalb ist niemand glücklicher als ich selbst, wenn ich ein Tor im Klub oder fürs Nationalteam schieße. Ich weiß, dass ich damit jemandem ein Lächeln ins Gesicht zaubern, jemanden glücklich machen kann.

Porträt

Edin Dzeko wurde am 17. März 1986 in Sarajevo  geboren. Fußballspielen lernte der 1,92 m große Stürmer bei Zeljeznicar, wo auch Ivica Osim groß wurde. Sein tschechischer Trainer Jiri Plisek empfahl Dzeko dem FK Teplice, der den 19-Jährigen 2005 holte. Es folgte der Wechsel zum VfL Wolfsburg, mit dem er als Torschützenkönig sensationell Meister wurde. Mit Manchester City holte er zwei Titel. Seit 2015 spielt der zweifache Vater in Rom.