Berührendes Buch über das "Demenz-Drama" von Ex-Teamchef Constantini
Von Christoph Geiler
Als am 4.Juni 2019 die Nachricht die Runde machte, dass Dietmar Constantini einen Unfall verursachte, weil er auf der Brennerautobahn gegen die Fahrtrichtung fuhr, hatten viele Außenstehende noch an eine Verkettung unglücklicher Umstände gedacht. Und natürlich wurde damals auch völlig nichtsahnend darüber spekuliert, ob denn der frühere Fußball-Teamchef möglicherweise unter Alkohol- oder Medikamenteneinfluss gestanden war.
Der Familie und dem engsten Freundeskreis des ehemaligen Tiroler Bundesligafußballs war zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass Dietmar Constantini an Demenz erkrankt ist. Wenige Wochen später ging die Familie damit an die Öffentlichkeit und sorgte mit dieser Nachricht in der Fußballwelt für einen Schock. Denn gerade Dietmar Constantini, der Didi, wie ihn alle nur nennen, war stets ein Sunnyboy und ein Junggebliebener.
Tochter Johanna hat nun ein Buch über die Erkrankung ihres Vaters geschrieben und das Schicksal des ehemaligen Fußball-Teamchefs aufgearbeitet. In „Abseits“ schreibt die Psychologin über persönliche Strategien, schildert die Karriere ihres Vaters, seinen Rückzug aus dem Fußballgeschehen und die Lasten, die eine Demenzerkrankung nicht nur für den Betroffenen, sondern auch die Angehörigen mit sich bringt.
„Für alle, die verstehen möchten“, lauten die einleitenden Worte im 200 Seiten starken Buch der Psychologin Johanna Constantini. Verstehen, wie das Leben von Erkrankten und deren Angehörigen auf den Kopf gestellt wird. Wenn die Autorin etwa schildert, wie jener Mann, der früher die Kommandos an der Seitenlinie gab, von einfachen Alltagsverrichtungen wie dem Tischdecken vor große Herausforderungen gestellt wird. Oder der einst schlagfertige Tiroler „Sunnyboy“ in einem Interview plötzlich um die richtigen Worte ringt.
Didi Constantini selbst hat sich aus der Öffentlichkeit weitgehend zurückgezogen. Eine Ausnahme macht er nur bei seinen Fußball-Nachwuchscamps, die er schon vor Jahrzehnten ins Leben gerufen hatte. Constantini hatte schon immer einen guten Draht zu Kindern, aber auch Behinderten, und wo immer er früher auftauchte, da scharten sich die Menschen um ihn. Auch mit seiner Erkrankung lässt es sich der Ex-Teamchef nicht nehmen, bei den Camps in Tirol selbst auf dem Platz zu stehen.
Johanna Constantini schreibt in "Abseits" auch über die vielen Gesichter der Demenz bei ihrem Vater. Von Orientierungslosigkeit über Vergesslichkeit und Sprachschwierigkeiten bis hin zu Wesensveränderungen - für alle Beteiligten ein harter Weg. Offen beschreibt Constantini auch ihre eigenen Schwierigkeiten, mit der veränderten Situation, dem „Schock“ umzugehen. Berührend, wenn sie schildert, wenn „ich Tränen vergieße und die Tatsache nicht anerkennen will, dass mein einst so starker Papa krank geworden ist.“
Depressionen
Nicht zuletzt die Wichtigkeit einer frühen Diagnose ist Constantini wichtig. So sei es ihrem Vater schwer gefallen, die ersten Signale mit ärztlicher Hilfe richtig zu deuten. Depressionen, die der heute 65-Jährige nach seinem Ende als ÖFB-Teamchef 2011 erlitt, hätten die Einordnung erschwert. Schließlich ähneln die Symptome einander.
Das Buch dreht sich aber nicht nur um die Gegenwart. Constantini hat beginnend mit der Jugend ihres Vaters eine Art Familiengeschichte geschrieben, flankiert von zahlreichen Bildern aus dem eigenen Album. Und es kann auch als rührende Danksagung an den Vater verstanden werden: „(...) sollte mein Papa irgendwann zur Gänze in seine eigenen Gefühlswelten entgleiten und uns mit keiner Regung seines Selbst mehr als seine Familie erfassen können, so wird er und alles, was ihn ausmacht, zumindest in unserer Erinnerung niemals vergessen sein.“
Johanna Constantini: „Abseits. Aus der Sicht einer Tochter“. Seifert-Verlag, 200 Seiten, 24,95 Euro)