Sport

Fußball, Pizza, Mafia – oder die Kunst, sich zu arrangieren

Das wahre Italien, heißt es, finde man nur zwischen Neapel und Palermo. Es ist ein Land, das man nicht zu sehen bekommt vom Strand in Lignano aus oder bei der Kolosseum-Besichtigung in Rom.

Neapel, wo die Salzburger Fußballer heute auf ihrer Reise durch Europa den nächsten Stopp einlegen, ist das unrhythmisch pochende Herz des Südens. Die Stadt ist ein Widerspruch, furchtbar betörend, unerhört laut, traumhaft hoffnungslos.

Vor allem die Jugend bekommt das zu spüren. Von den 15- bis 24-Jährigen haben sechs von zehn keine Arbeit, aufgefangen werden sie selten vom Staat, öfter vom engmaschigen Netz der Camorra. Noch immer kontrollieren die Mafia-Clans viele Teile des öffentlichen Lebens in Kampanien, von der Wohnungsvergabe bis zur Müllabfuhr.

Völlig dicht

Die Stadt stinkt zum Himmel. In der historischen Altstadt türmen sich Mistsäcke und überfüllte Müllcontainer an jeder Ecke, wovon es viele gibt in der am dichtesten besiedelten Stadt Italiens. Zwar zählt Neapel nur halb so viele Einwohner wie Wien, dafür leben auf einem Quadratkilometer fast doppelt so viele Menschen wie in der österreichischen Bundeshauptstadt.

Der Tagestourist bekommt die alltäglichen Unzulänglichkeiten nur am Rande mit, er übersieht das rasch, er lechzt nach Pizza um vier Euro und ist angetan vom lockeren Lebensgeist der Neapolitaner. „L’arte di arrangiarsi“, die Kunst, sich zu arrangieren, nennen das die Einheimischen.

Das Fremde spielt eine alltägliche Rolle. Seit Etrusker (1000 v. Chr.) und Griechen erste Siedlungen bauten, ist Migration Teil der Stadtkultur. Daher ist auch die Politik des Rechtspopulisten Matteo Salvini kaum mehrheitsfähig in Neapel, zudem verkörpert der Innenminister als Mailänder das Feindbild vom reichen Norden, der hinabblickt gen Süden.

Alle Inhalte anzeigen

Logisch, dass sich die Animositäten auch im Fußball, dem heiligen Calcio, wiederfinden. Die Rivalitäten zwischen Napoli und den Klubs aus Mailand und Turin sind legendär. Brodelnd war die Stimmung am vergangenen Wochenende, als Meister Juventus Turin zum Verfolger nach Neapel kam. Dass Napolis Titelchancen nach dem 1:2 und 16 Punkten Rückstand gegen null tendieren, wird die Anhänger nur kurz irritieren. Zu stolz sind sie auf ihre Società Sportiva Calcio, die es zuletzt als einziger Klub dauerhaft mit dem reichen Norden aufnehmen konnte.

Doch auch diese Heldengeschichte hat ihre Ungenauigkeiten. Mit einem Jahresumsatz von 200 Millionen Euro gehört Napoli selbst zu den zwanzig finanzstärksten Vereinen der Welt (Rang 19). Dennoch hat der Kommerz hier noch keine abartigen Auswüchse angenommen. Es gibt weder glänzende Merchandising-Tempel noch ein hypermodernes Stadion.

Auf ewig unerreicht

Wer Andenken sucht, wird in jeder Straße fündig. In vielen Geschäften schimmert es hellblau, Verkaufsschlager ist noch immer das Leiberl mit der 10 und dem Namen Maradona. Kaum ein Fußballer hat einen Klub so geprägt wie der heute 58-Jährige Napoli (bei Messi und Barcelona ist man sich noch nicht sicher). Diego Maradona war es, der Neapel die bis heute einzigen zwei Meistertitel schenkte und damit noch etwas viel Wichtigeres: (inter)nationales Gewicht.

Dass Erfolg im Sport flüchtig ist, wissen die Neapolitaner nur zu gut. 1998, nur sieben Jahre nach Maradonas Abschied, stieg der Klub ab, fünf Jahre später war er insolvent. Doch auch damit wusste man sich in Neapel zu arrangieren.