Erfolgscoach Günter Bresnik: "Ich war ein Ahnungsloser"
Es ist gut zwanzig Jahre her, dass Günter Bresnik zuletzt eine Partie Tennis spielte. „Da sind meine Ansprüche zu hoch und der Ehrgeiz noch zu groß. Bevor man etwas richtig schlecht macht, sollte man es gar nicht machen“, sagt der 57-jährige Niederösterreicher.
Vieles richtig gemacht hat der Vater von vier Töchtern mit seinem Schützling Dominic Thiem, der heute Abend Roger Federer fordert. Bresniks Erfolgsformel klingt einfach: harte Arbeit. Ein Gespräch über seine Anfänge als Trainer von Horst Skoff und warum ihm 150 Jahre alte Teppiche so große Freude bereiten.
KURIER: Herr Bresnik, genießen Sie das Leben auf der ATP-Tour?
Günter Bresnik: Wenn das Trainerdasein immer so wäre, wäre das das Schlaraffenland. Das ist Arbeit im absoluten Grenzbereich. Als ich als Trainer begonnen habe, hätte ich daran nicht zu denken gewagt. Als mich Horst Skoff 1987 gefragt hat, ob ich ihn begleiten möchte, war ich ein Ahnungsloser.
Was meinen Sie damit?
Ich hatte weder Ahnung vom richtigen Erstellen eines Turnierplans noch von Trainingssteuerung. Ich lernte im Schnelldurchlauf. Eines hab’ ich schnell bemerkt.
Was denn?
Die Tour ist ein komisches Werk’l. Es gibt wenige Trainer, die davon wirklich gut leben können. Rivalität und Missgunst sind groß. Ich hatte das Glück, dass ich als Medizinstudent von niemanden ernst genommen wurde und jedem Fragen stellen durfte.
Sind Sie Horst Skoff dankbar?
Extrem. Mein Plan war, dass ich das die Sommerferien lang mache. Dass der Skoffi ein Jahr später gleich sein erstes Turnier gewinnt, war natürlich ein Glücksfall.
Skoff war nur sieben Jahre jünger als Sie, Dominic Thiem kennen Sie seit Kindesbeinen. Verändert das die Trainerrolle?
Klar. Zum Skoffi hatte ich emotional ein anderes Verhältnis. Er hat jahrelang im Haus meiner Eltern gewohnt. Sein Tod (Herzinfarkt, 2008, Anm.) war eine Tragödie. Bei Dominic war das ein wenig anders. Als ich mit Dominic angefangen habe, hat er mich angesehen wie den lieben Gott.
Wenn man mit jemanden ab dem achten Lebensjahr fast täglich zu tun hat, formt man ihn nicht nur als Sportler, sondern auch als Mensch. War Ihnen das immer bewusst?
Freilich. Und gewissermaßen hat er mich auch geformt. Die Leidenschaft, mit der er immer Tennis gespielt hat, hatte ich vorher nur sehr selten gesehen. Das war auch für mich ein Energiespender.
Ist es wertvoller, jemanden über fünfzehn Jahre an die Weltspitze zu führen als einen gestandenen Profi zu trainieren?
Das ist unvergleichlich. Es dreht sich um die Frage: Werden Champions gemacht oder geboren? Meine Antwort ist eindeutig. Wenn ich als Trainer warten muss, bis jemand geboren wird, damit ich mit ihm auf Tennisreisen gehen kann, würde ich meinen Beruf als unwichtig erachten.
Mit 16 hat er zugunsten des Sports die Schule geschmissen. Eine schwierige Entscheidung?
Die hab’ ich voll mitgetragen. Ich hab’ den Eltern gesagt: Er ist mittlerweile so gut, dass es kein Risiko mehr darstellt. Wenn es nicht aufgeht, wäre er intelligent genug gewesen, dass er mit 22 oder 23 die Matura nachholt.
Sie gelten als einer der anerkanntesten Trainer auf der Tour. Macht Sie das stolz?
Wenn es von der richtigen Adresse kommt, erfüllt es mich mit Befriedigung. Das Trainergeschäft war für mich eine Herausforderung, weil ich keine Ahnung hatte, wie es wirklich funktioniert. Im Medizinstudium war es umgekehrt. Das ging mir leicht von der Hand und ich wusste alles, weil meine Eltern beide Ärzte waren.
Sind Sie froh, nicht Arzt geworden zu sein?
Ich wäre wahnsinnig gern Arzt geworden. Ideal wäre es gewesen, das Medizinstudium abzuschließen und danach Tennistrainer zu werden. Aber beides vertrug sich nicht. Genauso war es bei Dominic. Schule und Spitzentennis geht sich ab einem gewissen Level nicht aus. Aber Mitleid habe ich deswegen keines mit ihm.
Was meinen Sie damit?
Der versäumt nichts, was andere haben. Im Gegenteil. Der hat Dinge erreicht, in deren Genuss nur ganz wenige kommen. Was die besten Tennisspieler erfahren dürfen, ist beneidenswert. Wie oft die ihre Grenzen ausloten können, ist fantastisch.
Von Ihnen stammt der Satz: Talent ist unbedeutend. Ganz sicher?
Talent wird für mich so definiert, dass das Leute sind, die mit weniger Aufwand mehr erreichen. Die gibt es für mich auf Dauer nicht. Wenn jemand glaubt, dass Roger Federer alles so einfach zugeflogen ist, der irrt. Wie der diesen Sport noch einmal professionalisiert hat, ist unvorstellbar. Und wenn einer so hart arbeitet, dann kann es oft leicht und virtuos ausschauen. Da unterscheidet sich Federer nicht groß von einem Konzertpianisten.
Würden Sie gerne einmal Federer, Djokovic oder Nadal trainieren?
Ich habe Anfang der Neunzigerjahre Boris Becker trainiert, der zu der Zeit ein ähnliches Standing hatte. Aber mich reizt nicht, dass ich mit jemandem trainiere, sondern dass ich jemanden mitforme.
Was bereitet Ihnen abseits des Platzes Freude? Stimmt es, dass Sie Antiquitäten sammeln?
Wenn ich jetzt meine Frau und vier Töchter an zweiter Stelle nenne, bekomme ich Ärger. Aber ja, in der Freizeit bin ich ein leidenschaftlicher Sammler von altem Zeug.
Geht es da ums Handeln oder ums Besitzen?
Handeln liegt mit weniger. Das Besitzen reizt mich. Dieses Jagen und Sammeln steckt in mir tief drinnen. Etwas als Erster zu finden, es zu erlegen, also zu kaufen und danach zusammenzutragen, erfüllt mich mit großer Freude.
Sammeln Sie etwas Spezielles?
In den letzten Jahren hat sich eine Leidenschaft für alte Bauern- und Nomaden-Teppiche entwickelt, im Idealfall vor 1850. Generell gefällt mir volkstümliche Kunst.
Schon mal übers Ohr gehaut worden?
Sicher. Ich bin aber eher ein vorsichtiger Käufer, weshalb mir einiges durch die Lappen geht.
Man kennt Sie im Trainingsanzug. Wann hatten Sie zuletzt ein Sakko an?
Das weiß ich ganz genau: Vor drei Wochen, als ich in der Oper war. Was Kleidung betrifft, habe ich eine einfache Regel.
Welche denn?
Ich bin ein Verfechter von adäquater Kleidung. Am Sportplatz im Sakko ist ein No-go. Genauso wenig verstehe ich es, wenn man in die Oper in Jeans oder im Trainingsanzug geht.