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Die Dopingaffäre und der ÖSV: Wenn die Opferrolle System hat

Es muss schon einiges mehr passieren, dass Peter Schröcksnadel sich freiwillig zurückzieht. Am Tag nach der Dopingrazzia und der Verhaftung der beiden heimischen Langläufer Dominik Baldauf und Max Hauke sitzt der Präsident demonstrativ mitten auf der Terrasse der Sportalm Seefeld. Den Appetit haben ihm die jüngsten Dopingvorfälle in seinem Verband offensichtlich nicht verdorben, so schnell wie Schröcksnadel sein Grillhendl verputzt hat.

Immer wieder kommen wildfremde Menschen an seinen Tisch und klopfen ihm auf die Schulter. Er solle mit den Langläufern abfahren, er solle sich nicht unterkriegen lassen. Zugegeben, es sind durchwegs Unterstützer mit Tiroler Dialekt, die dem Präsidenten in seiner Sicht und Einschätzung der Dinge recht geben.

Blutspur

Was ist der Österreichische Skiverband denn jetzt wirklich? Lediglich ein Opfer, so wie es immer gerne dargestellt wird, wenn in regelmäßigen Abständen österreichische Sportler beim Dopen erwischt werden? Kann und darf sich der ÖSV so leicht aus der Verantwortung ziehen?

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Die Blutbeutel-Affäre 2002, die Razzia 2006 in Turin, die Dopingaffäre Johannes Dürr 2014, jetzt die Fälle von Max Hauke und Dominik Baldauf bei der Heim-WM – wie ein roter Faden zieht sich eine Blutspur durch den heimischen Langlaufsport. Und wieder steht der ÖSV als verantwortlicher Verband im Zwielicht.

Die Kritik, die aus dem Ausland auf den ÖSV und die Verbandsspitze einprasselt, ist deutlich massiver als der Gegenwind, der dem größten Sportverband des Landes in der Heimat entgegenweht. Es habe sich kein einziger Sponsor bei ihm über die jüngsten Vorkommnisse beklagt, sagt Peter Schröcksnadel.

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Strukturproblem

Hajo Seppelt sieht die Angelegenheit ganz anders, der ARD-Journalist ist ein echter Dopinginsider. „Vielleicht sollte man nicht ganz so viel feiern, sondern mal ein bisschen mehr nachdenken über die Hintergründe von Spitzensport“, sagte Seppelt. Wer jetzt noch immer von einzelnen schwarzen Schafen spreche, „der lenkt von einem systemischen, strukturellen Problem des Hochleistungssports ab“.

Beim ÖSV war man bei all den Dopingfällen in diesem Jahrtausend freilich stets bemüht, die Einzeltätertheorie zu untermauern. Und tatsächlich müsste man dem mit Abstand größten Skiverband der Welt wohl zutrauen, dass er ein etwaiges systematisches Doping wohl ausgeklügelter und geschickter anstellen würde als die beiden Langläufer, die offensichtlich wie blutige Anfänger agierten. Anders ist das Vorgehen nicht zu bewerten, wenn ein Sportler wenige Stunden vor dem Rennen auf frischer Tat ertappt wird.

Hätte nicht gerade das dilettantische Verhalten auffallen müssen? Hätte nicht irgendein Betreuer stutzig werden müssen? Hätte nicht gerade ÖSV-Direktor Markus Gandler mit seiner langjährigen Erfahrung und nach all den Vorkommnissen der Vergangenheit hellhöriger sein müssen?

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Außer Kontrolle

Gandler betonte am Donnerstag im Ö1-Journal noch einmal, dass es unmöglich sei, die Athleten rund um die Uhr zu kontrollieren. „Das ganze Sportsystem basiert auch auf einer gewissen Vertrauensbasis“, sagt der Weltmeister von 1999. Und er bekommt Unterstützung von Bernhard Kohl, der vor zehn Jahren beim Dopen erwischt worden ist. „Für mich ist es plausibel, dass man als Trainer oder Betreuer nichts von Doping-Aktionen mitbekommt“, sagt der Ex-Radprofi. „Je weniger Leute davon wissen, desto besser. Mit seinen Hintermännern bespricht man sich natürlich, aber das Betreuerteam bekommt das nicht mit. Bei mir wurde damals vielleicht auch nicht genau genug hingeschaut. Aber dass sie in der sportlichen Leitung davon etwas gewusst haben, halte ich für unwahrscheinlich.“

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