Romy

Rudi & ROMY

Er ist das, was man einen alten Hasen nennt. Seit mehr als 46 Jahren schreibt Rudolf John, bald 70, für den KURIER. Kaum der Schule und der Filmakademie entkommen, checkte er in der Redaktion in der Seidengasse in seinem Heimatbezirk Neubau ein. Heute genießt er als Film-Kritiker Kult-Status. Die KURIER-Leser haben ihn populär gemacht. "Manche haben den KURIER nur wegen mir gekauft," sagt der ROMY-Erfinder, der seit 2010 den Berufstitel Professor trägt, selbstbewusst.

Mehr als 10.000 Filmkritiken hat John in seinem Leben geschrieben, und immer noch spricht er am liebsten darüber, wer wann wo unter wessen Regie gespielt hat.

Sexfilme

An der Leidenschaft fürs Kino ist in erster Linie Johns Oma schuld. Die hat ihn als Kind ins Schottenfeld-Kino mitgenommen. Bleibende Kino-Eindrücke hinterließen auch Filme im Schäfer-Kino. "Das war ein Sexkino. Die französischen waren zwar keine Sex- sondern Arthouse-Filme, aber auch nicht gerade jugendfrei. Wir Halbwüchsigen haben da unsere ersten nackten Frauen gesehen. Um reinzukommen, mussten wir unsere Ausweise fälschen."

Tausende Filme hat er seither gesehen, ist unzählige Mal kopiert und karikiert worden. Die Zeitung Falter hatte viele Jahre eine eigene Kolumne, in der John wöchentlich zitiert wurde. Lustig gefunden hat er das nicht immer. "Manchmal haben sie ja meinen Text für eine Pointe manipuliert, Teil eins oben gesucht und Teil zwei unten, und haben das dann fusioniert. Das war dann schon ... naja. Aber dafür war ich unangefochten der populärste Filmkritiker. Jeder, der das Opfer von Satire wird, darf sich freuen, denn die Satire befasst sich ja nur mit Leuten, die bedeutend sind. So gesehen, war das okay."

Was den guten Kritiker ausmacht? Sich nicht von der Meinung anderer beieindrucken lassen. Jedoch sei es "von Vorteil, wenn man ein Verständnis hat, das einem genießendem Kino-Publikum nahekommt, und kein fanatischer Cineast ist. Weil dann kann man sich zwar in einem Club von Auserwählten fühlen, aber letztlich schreibt man für die Katz. Die Leute sagen dann: Was der Depperte schreibt, das schau ich mir sicher nicht an."

Die meisten Kollegen seien extreme Cineasten, "die finden Filme toll, die kein Mensch sehen will". John teilt gerne ein bisschen aus.

Gemetzel

Scheu, mit Kollegen anzuhängen, hatte er nie. Mit Frank Hoffmann, Schauspieler und Moderator der populären Kino-Sendung "Trailer", hat er einige mediale Sträuße ausgefochten. "Es war ein kurzes Gemetzel. Schauspieler halten so etwas nie lange durch."

Beschimpft worden ist er natürlich oft. Unter anderem von Peter Handke. "Es war lange Zeit sehr freundschaftlich zwischen uns. Dann hat er einmal einen Film gemacht, so einen hochgestochenen Blödsinn. Er hat mich dann Trottel beschimpft, weil mir der Film nicht gefallen hat. Das stört mich aber nicht. Man hat ja viele Feinde als Kritiker. Die dann vielleicht später wieder Freunde werden. Auch Handke hat mit mir wieder seinen Frieden gemacht. Aber über diesen Film haben wir nie mehr geredet."

Es ist natürlich ein Spagat: Sich einerseits als Kritiker oft unbeliebt zu machen und andererseits mit der ROMY eine Hommage an die Filmwelt zu kreieren. Begonnen hat alles mit Johns Berichterstattung von den Oscars. "Ich hab mir gedacht: So was brauchen wir auch." Aber der Marketing-Chef im KURIER war nicht überzeugt. "Einen Preis, der ROMY heißt, braucht niemand, hat er gesagt." John hat um die ROMY gekämpft. Viel Herzblut sei da drin. 1990 hat es endlich geklappt. "Ich habe alle Bedenken weggewischt."

Die ROMY im Wandel der Zeit

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Hartnäckig

Allerdings war die erste Preisverleihung "eine peinliche Angelegenheit. Im Atrium am Küniglberg, die Preisträger haben Schlange gestanden, um sich die Trophäe übergeben zu lassen, wie bei einer Zeugnisverteilung." Andere haben die Statuette gar nicht abgeholt. John, gewohnt hartnäckig, reiste ihnen nach, bis nach Hollywood (zu Linda Hamilton). Aber bekanntlich ist jeder Anfang schwer: "Der erste Oscar wurde auch in einer Garage übergeben. Und heute fühlt sich jeder, der einen hat, wie ein König."

Ein Vierteljahrhundert später kommen die Stars nicht nur freiwillig, sondern überaus gerne zur ROMY. Die seit ihrem Bestehen viel durchgemacht hat: Heiratsanträge, Todesfälle, Grapsch-Affären (O. W. Fischer versus Christina Lugner, damals noch Baumeistersgattin).

Heute, glaubt John, sei die ROMY durchaus mit dem Oscar vergleichbar. "Eben im bescheideneren Rahmen. Natürlich haben die mehr Geld. Aber wir haben die Hofburg!"

Nachgefragt. Dem Kultkritiker wurde im Falter jahrelang die Ehre einer wöchentlichen Nennung zuteil. Der KURIER übernahm die freundliche Anregung und machte daraus eine Kolumne: "Der John der Woche." Rudolf John über das Zitiertwerden und andere Kleinigkeiten wie ...

... die erste ROMY: "Unspektakulär"

... Romy Schneider: "Ich hab sie leider nie getroffen."

... seinen Lieblingsfilm: "Mehrere in der Filmgeschichte, aktuell Woody Allens ,Matchpoint‘. Genial, weil Tragödie und Komödie zugleich."

... seinen Lieblingsschauspieler: "Einige. Brandauer. Momentan Kevin Spacey. Natürlich schau ich gerade ,House of Cards‘."

... seine Lieblingsschauspielerin : "Cate Blanchett."

... seinen nächsten Wunschfilm: "Die neuen von Sofia Coppola und Kathryn Bigelow."

... Kinobesuche: "Mindestens vier Mal pro Woche."

… seine ersten Kino-Helden: "Mit Helden hab ich’s nicht so."

... Siskel und Ebert: "Ich wäre gerne einer der beiden gewesen. Das muss ich ehrlich sagen. Aber ich war mit ihnen nicht immer einverstanden."

... den Filmkritiker und die Mehrheitsmeinung: " Jede andere Meinung muss ihm wurscht sein."

... den Falter: "Manchmal war es ärgerlich, manchmal war’s mir wurscht. Insgesamt habe ich das als Werbeeinschaltung für mich gesehen."