Panama: Von Ozean zu Ozean durch die Wildnis
Von Markus Foschum
Die moderne Welt mit ihren künstlichen Lichtern, künstlichen Geräuschen und ihrer künstlichen Umgebung ist nur drei Stunden entfernt. Allerdings drei Stunden mit Geländewagen und Kanu. Doch hier scheint sie unendlich weit weg. Hier, mitten in der Wildnis Panamas. Eines bisher kaum bekannten Urlaubsziels, das Reisenden mit etwas Hang zum Abenteuer aber einzigartige Erlebnisse bietet.
In meiner Hängematte schaukle und schwinge ich sanft in die Nacht und scheinbar in eine andere Welt und Zeit. Rund um mich ragen die Urwaldriesen des panamesischen Regenwaldes in den Himmel. Was ich mehr erahnen als sehen kann, denn die Dunkelheit, die hier in den Tropen innerhalb von Minuten einbricht, hat alles eingehüllt. Aber ich weiß, dass sich vor mir ein runder Lehmplatz befindet und dahinter im Halbkreis die Holzhütten der Embera-Indios stehen, traditionell auf vier Meter hohen Stelzen zum Schutz vor dem alljährlichen Hochwasser. Und wiederum dahinter beginnt die Wildnis des Chagres-Gebietes. Einer der letzten intakten Urwälder der Tropen. Natur pur, die ich auch akustisch als paradiesische Stille erwartet habe. Doch nachdem der Dieselgenerator, mit dem die Indios eine Telenovela auf einem flimmernden Fernseher genossen haben, verstummt ist, folgt – Lärm. Ein unsichtbares Orchester aus unzähligen Zikaden und anderen Insekten sorgt für eine ungeahnte Geräuschkulisse. Dazu gesellen sich die Rufe von Affen und anderen, unbekannten Urwaldbewohnern, die in meiner Fantasie ziemlich groß und gefährlich erscheinen. Das große Abenteuer Panama hat begonnen.
Dschungelpfade
Der Kanal, der als Wasser-Highway Atlantik und Pazifik verbindet. Und das Kinderbuch, wonach Panama "oh, so schön" ist. Von dort ist das mittelamerikanische Land bekannt, als Destination aber kaum. Das Ziel meiner Reise ist der Weg, und der Weg heißt Camino Real. Angesichts des dichten Urwaldes ist es kaum vorstellbar, aber vor 400 Jahren führte dieser "Königsweg" nicht nur von Küste zu Küste quer durchs Land, sondern war auch eine der wichtigsten Verbindungen der Welt.
Hier, an der schmalsten Stelle des amerikanischen Festlandes, mussten die spanischen Eroberer die in Peru geraubten Schätze von Ozean zu Ozean bringen, um sie dann mit dem Schiff nach Europa zu transportieren. Jahrhundertelang war die Urwaldstraße verschollen, bis sie ausgerechnet ein Österreicher wiederentdeckte. Der Kärntner Christian Strassnig kam als Sozialarbeiter vor zehn Jahren ins Land und blieb. Ab 2008 hat er mit panamesischen Freunden 300 Kilometer im Dschungel vermessen und 30 Kilometer des verschollenen Weges wieder entdeckt. Heute führt er Touristen durch den Urwald.
Der historische Ausgangspunkt ist Panama Vieto. Von der ehemaligen Hauptstadt (nahe der heutigen Metropole Panama City) stehen nur noch Ruinen. 1671 wurde sie vom berühmten Piraten Henry Morgan zerstört. Zuvor machten sich hier aber immer zur Trockenzeit im Frühjahr Karawanen von schwer beladenen Maultieren auf den mörderischen Weg. 200 Tonnen Silber und Gold wurden so jährlich von der Pazifik- auf die Atlantikseite gebracht. Mit unzähligen Opfern an Tieren und Menschen.
Unsere kleine Reisegruppe genießt die ersten Kilometer noch den Luxus des 21. Jahrhunderts und fährt mit dem Geländeauto bis zum Alajuela-See, wo mit dem riesigen Chagres-Nationalpark alle Straßen enden und die Wildnis beginnt. Für den sicheren und trockenen Transport über den von Krokodilen bewohnten See sorgt unser Fährmann Erito. Der Embera-Indio bringt uns mit dem Kanu – traditionell aus Holz, aber mit Außenbordmotor – ins Dorf. Wo nach einer ersten "swinging" Nacht in der Hängematte der Fußmarsch beginnt.
Wilde Kreaturen
Ursprünglich war der Camino Real auf 1,20 Meter Breite gepflastert, erklärt Christian Strassnig. Doch heute sind nur noch ab und zu ein paar Steine zu sehen, fast alles ist vom Urwald überwuchert. Auf weiten Strecken folgt der Weg aber Wasserläufen als natürlichen Schneisen und auch für uns heißt es, wie vor Jahrhunderten, stundenlang am oder auch im Bach zu gehen. Wobei das kühlende Wasser in der feucht-heißen Umgebung eine Wohltat darstellt. Das Wandern mit luftigen Trekking-Sandalen hat aber auch Nachteile in Form von kleinen Ameisen, die anscheinend nur darauf gewartet haben, unerfahrenen Europäern die Füße zu zerbeißen. Aber wer natürliche Schönheit erleben will, muss eben leiden. Unsere einheimischen Führer, die mit Macheten den Weg freischlagen und sich mit unbegreiflicher Sicherheit im Dickicht orientieren, können da nur lächeln.
Drei Tage dauert das Dschungelcamp, dann ist das Ziel in Sicht: Portobelo, der schöne Hafen. Einst als Ausgangspunkt der Silberflotten nach Spanien eine der wichtigsten und größten Städte Amerikas. Heute ein verschlafenes Nest, das aber mit historischen Bauten wie massiven Befestigungsanlagen beeindruckt.
Wolkenkratzer-City
Eine Autofahrt und fünf Stunden später folgt der Zivilisationsschock in Form von Panama City. Rund die Hälfte der 3,5 Millionen Panamaer lebt in dem Moloch. Laut einem Einheimischen gleicht die Stadt dem amerikanischen Miami: Es ist heiß, voller Wolkenkratzer und alle sprechen spanisch. Tatsächlich handelt es sich um eine moderne Metropole, die von den spiegelnden Fassaden der Hochhäuser und einem scheinbar unerschöpflichem Autostrom beherrscht wird. Es gibt aber auch ein ganz anderes Gesicht: Die kleine Altstadt ist nicht umsonst Weltkulturerbe. Die Bauten im kolonialen Stil erinnern an vergangene Zeiten und in den letzten Jahren wird auch viel zum Erhalt der teilweise schon verfallenen Gebäude getan. Mittelpunkt ist die zentrale Plaza mit der Kathedrale. An der übrigens lange, von 1688 bis 1796, gebaut wurde, weil alles Geld in die Verteidigung gepumpt wurde. Schließlich wollte man dem Schicksal des zerstörten Vorgängers entgehen. Davon profitiert nun der Besucher.
Unweit der City ist das bekannteste "Wahrzeichen" des Landes zu besichtigen: Der Kanal. 15.000 Schiffe befahren jährlich den 82 Kilometer langen Wasserweg. Erste Pläne gab es bereits im 16. Jahrhundert, doch in Angriff genommen wurde das Projekt erst 1881 von den Franzosen. Nach deren Scheitern machten die Amerikaner weiter und 1914 fuhr das erste Schiff. Erst 1999 wurde der Kanal an Panama übergeben. Den mächtigen Ozeanriesen beim Passieren der tonnenschweren Schleusentore zuzusehen, ist beeindruckend und lässt lächeln. Sind wir doch Kollegen als Reisende von Ozean zu Ozean.