Leben/Reise

Salzburg und der Sound of Kitsch

Langsam war ich es leid von Reisenden aus anderen Ländern auf "The Sound Of Music" (deutscher Titel: "Meine Lieder, meine Träume") angesprochen zu werden und dann ungläubige Blicke zu ernten, wenn ich zugeben musste, den Film nie gesehen zu haben. Also habe ich mich entschlossen, dem Phänomen auf den Grund zu gehen, mit dem die ganze Welt Österreich verbindet - von dem aber Österreich zum Großteil keine Ahnung hat.

Eine Reise nach Salzburg soll es also sein, doch zuvor muss ich noch 2 Stunden und 54 Minuten Kitsch pur – kurz: Sissi meets Heimatfilm mit Gesang – durchsitzen.

Bereits in den ersten Szenen wird klar, warum Romantiker aus aller Welt diesen Film lieben: Luftaufnahmen von den schönsten Flecken im vermeintlichen Salzkammergut, ein Schlösschen nach dem anderen und eine überglückliche Julie Andrews, die singend eine Almwiese hinunterläuft. Die restlichen zweieinhalb Stunden wird das Leben der Salzburger Familie Trapp geschildert, zumindest die Hollywood-Version der Geschichte.

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Ich reise also nach Salzburg und übernachte im Trapp-Zimmer des Markus-Sittikus Hotels nahe der Salzburger Altstadt. Berglandschaften und Edelweiß an den Wänden, sogar die Nachttischlampen haben Dirndeln an – keine Frage, das ist, was "Sound Of Music"-Touristen wollen.

Auf einem Spaziergang durch die Stadt begleitet mich Fremdenführerin Inez Reichl de Hoogh. Sie zeigt mir einige Schauplätze des Films und erzählt Anekdoten. Außerdem mache ich die "Sound of Music"-Bustour von "Gray Line", die bis ins Salzkammergut führt. Deutschsprachige Mitfahrer könne man an einer Hand abzählen, wird mir gesagt. Am Weg hören wir die Lieder des Films, die so eingängig sind, dass jeder schnell mitsingen kann. Und das tun sie auch, die Touristen aus China und Amerika, die ebenfalls im Bus sitzen.

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Die ganze Stadt ist mit "Sound Of Music" vollgepflastert und tatsächlich scheint es, als ob der Film ein großes Thema wäre, aber ausschließlich bei nicht-deutschsprachigen Gästen. Und die Einheimischen, die über die Geschichte Bescheid wissen, weisen immer wieder darauf hin, dass es in Wahrheit ja ganz anders war. Maria, sei bei weitem keine liebevolle Frau gewesen, die singend und springend mit den Kindern durch die Stadt zog. Der Baron hingegen soll nicht streng, sondern besonders liebevoll gewesen sein. Es sei auch keine Liebes- sondern eine Vernunftehe gewesen und bei den Salzburger Festspielen hat die Familie zwar tatsächlich gewonnen, doch war das bereits Jahre vor der Flucht aus Österreich. Auch geographisch ist am Film einiges falsch - die Familie ist nicht über den Untersberg in die Schweiz geflohen - und grob geschätzt sei etwa die Hälfte erfunden, heißt es immer wieder.
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Das bestätigt auch die Sonderausstellung im Salzburg Museum "Die Trapp Familie. Realität und 'Sound of Music'", die bis September 2013 zu sehen ist. Nicht ganz so realitätsgetreu ist das "Sound of Music"-Musical im Landestheater und auch im Marionettentheater, auf das die Salzburger so stolz sind, wird "The Sound of Music" aufgeführt. Warum das alles so lange gedauert hat? Es war nicht einfach die Aufführungsrechte von Rodgers und Hammerstein, die Urheber des Musicals, zu bekommen. Die Salzburger jedenfalls haben im Moment fast keine Chance der Thematik gänzlich zu entkommen. Und wer weiß, vielleicht werden sie sich, wie ich mit dem Film anfreunden und in naher Zukunft selbst "Do-Re-Mi" vor sich hinsummen, wenn sie am Pegasusbrunnen stehen. Eingängig genug sind die Lieder ja.