Leben/Reise

Auf der Suche nach dem anderen, ursprünglichen Dubai

Offene Türen, offene Herzen“, predigt Nasif, als die Gäste die Moschee betreten. Er trägt eine weiße Kandora und ein Tuch. Im Laufe des Vormittags werden die Besucher des Open-Air-Heimatmuseums von Dubai auch erfahren, warum sein Gewand – die Landestracht – weiß ist, und was er drunter trägt. Aber natürlich nicht im Gotteshaus. Das wäre respektlos.

Doch der Reihe nach.

Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, Dubai sei ab den 1970ern aus dem Nichts auf Sand gebaut worden, um sich zu einer gigantomanischen Kunstmetropole auszuwachsen ... nein, sie werden an dieser Stelle kein Wort über all die Superlative der Wüstenstadt lesen. Zu viel wurde bereits über Burj Khalifa, Dubai Mall oder Palm Jumeirah geschrieben. Vielmehr wollen wir uns auf die Suche nach dem anderen Dubai begeben, jenem Ort, an dem alles begann. Denn der soll nach dem Willen von Dubais Herrscher Scheich Al Maktoum eine weitere, andere Touristenattraktion werden.

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Damit sind wir wieder bei Nasif, jenem stolzen, stattlichen Mann, der Touristen auf ihrer Bastakiya Heritage Tour begleitet. Bastakiya ist das Ur-Dubai am Fluss Creek, und heute ein Stadtviertel, das man leicht übersehen könnte. „Ursprünglich waren wir Beduinen“, erzählt Nasif. Man zog auf der Suche nach Wasser und Futter für die Tiere umher.

Später entdeckten die Wüstensöhne das Perlentauchen. Kein Scherz! „Und von da an verbrachten unsere Vorfahren den Sommer in der Wüste und den Winter am Meer, um nach Perlen zu tauchen“. Schon bald brachte ihre neue Lebensgrundlage gutes Geld ein, und die Beduinen hatten keinen Grund mehr, in die Wüste zu gehen. Dafür brauchten sie bessere Häuser, „denn die Hütten aus Palmblättern, die sie bisher bewohnt hatten, gingen nach einem Winter kaputt“, erzählt Nasif und führt durch die schattigen, schmalen Gässchen des alten Wohnviertels.

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Im 19. Jahrhundert haben steinreiche, persische Händler, die in Dubai ihren Geschäften steuerfrei nachgehen konnten, das Bastakiya-Viertel erbaut. „Muschelkalkstein“, sagt Nasif und deutet auf die sandfarbenen unverputzen Mauern. „Ist luftdurchlässig und wirkt wie eine natürliche Klimaanlage“.

Essen auf Emirati-Art

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Davon kann man sich dann auf der Tour durchs Kulturzentrum überzeugen. Viele der alten Häuser sind heute restauriert und Cafés oder Geschäfte. In einem wird dann ein Mittagessen auf Emirati- Art serviert. Bei Reis, Erdäpfeln, Paprika, Zucchini und anderen Gemüsen in würzigen Saucen erfährt der neugierige Europäer dann vieles, was er sonst nie zu fragen wagen würde: Nasif erzählt freimütig, dass er unter seiner Kandora Boxershorts trägt, dass das Tuch auf seinem Kopf Gutra heißt und die Kordel Igal, die ursprünglich das Fuß-Seil für die Kamele war. Wie alles so schön weiß bleibt? „Ich wasche es täglich“.
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Das ist bei der Abaya nicht nötig. Die Frauentracht aus Dubai ist schwarz. Die Frage nach dem Warum wird im Bastakiya Heritage Center von Menal beantwortet. „Frauen tragen kein Weiß, weil man durchsieht“, sagt die junge Touristenführerin mit den typisch arabischen Mandelaugen und behauptet kategorisch, dass das Schwarz nicht die Hitze, sondern das Licht anzieht. „Wir schmelzen nicht von innen. Es geht uns gut.“

Wortreich erklärt sie, warum das schwarze Ganzkörperkondom eh super ist und zeigt den Damen in der Gruppe, wie sie das Kopftuch korrekt anlegen. Überhaupt: Der Film „Sex in the City II“, der hier spielt, sei Schwachsinn. Menal regt sich auf, „dass die Leute hierherkommen und denken, sie seien entwickelt und wir eben erst aus der Wüste geflüchtet. Junge Leute lernen einander auch bei uns über Facebook kennen.“ Die Scheidungsrate sei hoch – 19 Prozent. Gleichzeitig gibt es natürlich arrangierte Ehen und Männer, die mit mehreren Frauen verheiratet sind. Noch Fragen?

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Menal erklärt: „Wenn der Rauch kommt, ist das bei einer Einladung in ein Haus in Dubai das Zeichen, aufzubrechen.“ Aufs Stichwort wird das Räucherwerk hereingetragen – ein teurer Pilz, der verbrannt wird und die Gästein die Nachmittagssonne scheucht. Hier warten auch schon die legendären 50er-Jahre-Land-Rover – ohne Verdeck, versteht sich. Das Dach würde die Sicht auf die Wüste und das kleine, aber feine, Dubai Desert Conservation Reserve verstellen. Onyx-Antilopen, ein Besuch im Wüstencamp und eine Falken-Show – all das bei Sonnenuntergang – gehören zum ausgeklügelten Programm.

Tausend-und-eine-Nacht

Bolt heißt der Star der Show und er ist ein Vogel „schneller als der Läufer“, erklärt sein Falkner die Namenswahl, während sich Bolt in die Lüfte erhebt und pfeilschnell über die Köpfe zischt. Inzwischen lässt der Falkner aus Südafrika die traditionelle Geschichte der Vogeljagd à la Tausend-und-eine-Nacht wieder aufleben. „Wanderfalken, die auf ihrem Vogelzug Arabien überflogen, wurden gefangen und zur Jagd ausgebildet.“ Trappen waren das Objekt der Begierde, bedeuteten sie für die Nomadenfamilie doch zwei Kilo Fleisch und damit möglicherweise das Überleben.

Während Bolt unermüdlich dem Köder hinterherhetzt, fährt der Falkner fort: Wenn Monate später der Falken-Zug wieder über Arabien flog, wurde der gefangene Vogel freigelassen, um die Artgenossen ins Winterquartier zu begleiten. Und wenn er nicht gestorben ist ...

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Wer mag, kann sich nach all den Eindrücken auch körperlich stärken. Die Platinum-Heritage-Wüstensafari endet mit einem Dinner im Al Maha, einem grandiosen Wüstenhotel mit kaum leistbaren Villen, auf Tripadvisor die Nummer 1 unter sämtlichen Hotels in Dubai.

Aber Vorsicht! Um mit den Worten des Direktors Arne Silvis zu sprechen: „Das ist nicht Dubai!“ Aber wir wollten uns an dieser Stelle ja einmal auf die Suche nach dem anderen Dubai begeben.

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