Politik/Inland

Wie das Aus für „Numerus-Clausus-Flüchtlinge“ möglich wäre

11.735 Bewerber versuchten am Freitag beim Aufnahmetest für das Medizinstudium einen der begehrten 1.850 Studienplätze zu ergattern. Gleichzeitig wurde in den letzten Monaten von mehreren Seiten vor einem drohenden Ärztemangel gewarnt. Die Lösung scheint naheliegend: Mehr Studienplätze – und weniger Deutsche.

Die SPÖ fordert die Verdoppelung der Medizinstudienplätze. Laut Klubobmann Philip Kucher gebe es genug junge Menschen, deren Traum es wäre, Leben zu retten, und diesen sollte man ihnen erfüllen.

➤ Mehr dazu: Medizin-Aufnahmetest startet: 11.735 Kandidaten für 1.850 Plätze

Auch der niederösterreichische Vizelandeschef Stephan Pernkopf (ÖVP) fordert eine „massive Aufstockung der Medizinstudienplätze“. Außerdem sollen „nur jene Menschen zum Studium zugelassen werden, die das auch in ihren europäischen Heimatländern dürfen“ . Konkret bedeute das das Aus für sogenannte „Numerus-Clausus-Flüchtlinge“. Diese haben den erforderlichen Notenschnitt für die Studienzulassung in ihrem Heimatland nicht erfüllt.

Dieselbe Ansicht vertritt Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Sie möchte deutschen Kandidaten, die den Numerus-Clausus (NC) für die Studienzulassung in Deutschland nicht erfüllen, auch den Zugang zu österreichischen Medizinunis erschweren. Aus diesem Grund gab sie ein Gutachten bei Walter Obwexer, dem Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Innsbruck, in Auftrag.

Der Europarechtsexperte sollte prüfen, ob Österreich die Studienzulassung für Kandidaten aus dem EU-Ausland erschweren kann. Die Antwort des Juristen: Ja.

Das Gutachten

Laut Gutachten könne der Bund eine „besondere Universitätsreife“ voraussetzen. Wie von Mikl-Leitner und Pernkopf gefordert, würden dann für ausländische Bewerber in Österreich dieselben Zulassungsbedingungen gelten wie in ihrem Heimatland. Das gilt auch für den Numerus-Clausus. Für Medizinstudien beträgt er fast immer 1,0. Deutsche Studieninteressierte, die den Schnitt nicht erfüllen, könnten nicht mehr auf österreichische Unis „flüchten“, wenn der NC für sie auch hier gelte.

Die „besondere Universitätsreife“ gab es in Österreich bereits in der Vergangenheit, sie wurde aber 2005 nach einer EuGH-Entscheidung aufgehoben.

Aktuell gilt für das Studium der Humanmedizin die „Quotenregelung“: 95 Prozent der Studienplätze sind für Bewerber aus EU-Staaten reserviert, 75 Prozent gehen an Kandidaten mit österreichischer Matura.

➤ Mehr dazu: Medizinstudium: EU-Rechtsexperte bewertet Änderungen als aussichtslos

Laut Gutachten könne man Mediziner auch verpflichten, für einen gewissen Zeitraum im österreichischen Gesundheitssystem zu arbeiten, nachdem sie ihre Ausbildung abgeschlossen haben.

Obwexer schlägt eine fünfjährige Tätigkeitsverpflichtung vor, die innerhalb von zehn Jahren nach Ende der Ausbildung erfüllt werden müsse. Ansonsten wäre ein Teil der Ausbildungskosten zurückzubezahlen. Laut Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) werde das Gutachten gerade „sehr intensiv“ geprüft. Er merkt aber an, dass sich solche Änderungen der aktuell geltenden Regelungen frühestens in zwölf Jahren auswirken würden.

➤ Mehr dazu: Ärztemangel: 60 Bewerbungen für Kassenärzte-Stipendium