Politik/Inland

Was sich im Heer ändern muss

Bleibt Österreich nun bei der allgemeinen Wehrpflicht – oder stellt das Land auf ein Berufsheer um? Wenn sich am 20. Jänner die Wahlberechtigten für oder gegen die Umstellung auf eine Profi-Armee entscheiden, bedeutet das eine wesentliche, wenn nicht sogar die wichtigste Entscheidung der heimischen Sicherheitspolitik seit Langem.

Interessant ist freilich: Egal, wie sich die Wähler in wenigen Tagen auch entscheiden mögen: Änderungen und Reformen muss es in der heimischen Armee in Bälde in jedem Fall geben – mit oder ohne Berufsheer.

Der KURIER hat interne, zum Teil noch unter Verschluss gehaltene Unterlagen und Strategiepapiere des Ministeriums gesichtet und gemeinsam mit Experten jene Reformen recherchiert, die das rot-weiß-rote Militär auf alle Fälle erledigen muss, will es in Zukunft schlagkräftig bleiben:

1) Das Heer braucht dringend ein neues Dienstrecht

Derzeit gilt für Soldaten im Bundesheer noch weitgehend das Beamtendienstrecht – eine völlig antiquierte Lösung. Denn selbst wenn die Wehrpflicht aufrechterhalten bleiben sollte, ist es nicht Ziel des Verteidigungsministeriums, dass möglichst viele Mitarbeiter im Militär in Pension gehen. Für die Armee sinnvoller und die Steuerzahler langfristig wesentlich günstiger wäre, wenn sich die Soldaten ein paar Jahre befristet an das Militär binden. Für diese Aus- und Umstiege in zivile Berufe ist das Beamtendienstrecht aber nicht ausreichend ausgestaltet – genauso wenig wie für die spezifischen Belastungen, die insbesondere bei den zunehmend wichtiger werdenden Auslandseinsätzen entstehen (Tod, Verwundung, Traumatisierung etc.).

2) Abbau von überflüssigem Personal

Nicht nur das Dienstrecht, auch die Zahl der Mitarbeiter der Armee muss in Zukunft weitaus flexibler werden. Interne Kalkulationen ergeben, dass der Heeresapparat um 2000 Personen mehr beschäftigt als er verträgt bzw. benötigt.

3) Ausstattung und Ausrüstung müssen erneuert werden

Gerät und Material im Bundesheer sind vielfach veraltet, die Wartungs- und Betriebskosten überdurchschnittlich hoch. Wie bedenklich die Verhältnisse zum Teil sind, zeigt der Zustand der Kfz-Flotte: Das durchschnittliche Alter der Fahrzeuge im Heer beträgt 17,3 Jahre (!). Abgesehen davon, dass der technische Stand der Geräte längst überholt ist (Kraftstoffverbrauch), ist das Instandhalten der alten Maschinen teuer (ständige Reparaturen etc.).

4) Die Infrastruktur des Militärs muss restrukturiert werden

Die Infrastruktur – insbesondere die Kasernen – ist den Anforderungen nicht mehr gewachsen. Die Heereskasernen stammen zum Teil aus der Monarchie, und das bedeutet: Sie sind für die Bedürfnisse der alten k.u.k. Armee geeignet – nicht aber für moderne Streitkräfte. Am augenscheinlichsten wird dies bei den Betriebs- und Heizkosten – die alte Substanz kommt sehr teuer. In Papieren des Verteidigungsministeriums wird die Infrastruktur seit Jahren als „unwirtschaftlich“ qualifiziert, insbesondere kleinere Garnisonen sollten laut Experten längst verkauft werden.

5) Budgetäre Probleme

Seit vielen Jahren wird das Heer finanziell schleichend ausgehungert. Im Schnitt geben die EU-Mitgliedsstaaten 1,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für das Militär aus, Österreich liegt mit 0,8 Prozent weit abgeschlagen. Schon jetzt orten hochrangige Militärs ein deutliches Missverhältnis zwischen den Personalkosten (62 Prozent), den Aufwendungen für den laufenden Betrieb (20 Prozent) und dem verbleibenden Geld für Investitionen (18 Prozent).

Da die Personalkosten 2016 auf 68 Prozent ansteigen werden, nimmt der finanzielle Spielraum ohne Gegenmaßnahmen bis dahin so weit ab, dass das Heer de facto überhaupt keine Investitionen mehr tätigen, sondern sich nur noch verwalten kann.

Bereits die Bundesheer-Reformkommission hat empfohlen, dass zumindest ein Drittel der Gesamt-Ausgaben für Investitionen verwendet werden sollte – ein vorerst frommer Wunsch.

In zwei Wochen werden wir wissen, welches Bundesheer die Österreicher wollen. Bis dahin werden wir am Boulevard so manche Absurdität erleben. So werden in der Kronenzeitung die Salzburger Landeshauptfrau Burgstaller und der Spitzenbeamte Paulus deshalb hergebeutelt, weil sie es wagen, für die Wehrpflicht einzutreten. So wird aus dem Finanzskandal eine Kampagne gegen alle entfacht, die sich eine eigene Meinung bewahrt haben. Man stelle sich vor, Paulus und Burgstaller wären für das Berufsheer, dann wären für die Krone die Spekulationen kein Problem.

Wobei Frau Burgstaller im profil-Interview ein Argument gegen das Berufsheer anführt, das besonders schmerzt: die höheren Kosten. Vielleicht könnte man beide Modelle zu ähnlichen Kosten auf die grüne Wiese stellen. Aber wer Tausende Beamte loswerden will, muss sehr viel Steuergeld haben. Das werden die Krone-Leser nie erfahren, weil es für die Zeitung ja nicht ums Heer, sondern den Beweis ihrer Kampagnenfähigkeit geht.

Der KURIER versucht in der aktuellen Serie die Vor- und Nachteile der beiden Systeme herauszuarbeiten. Bei uns kommen auch Vertreter beider Komitees zu Wort, die Minister Darabos und Mikl-Leitner haben auch schon die Klingen gekreuzt, nachzulesen auf kurier.at. Sicher ist, dass das Bundesheer in jedem Fall vor einer großen Reform steht. Die Bedrohungsszenarien haben sich einfach verändert.

Aber viele Österreicher werden bei ihrer Entscheidung auch an die Folgen für den Zivildienst denken. Es ist ja kein Wunder, dass Frau Burgstaller für das gegenwärtige System ist, sie weiß, dass die Hilfsorganisationen die Zivildiener brauchen. Auch deshalb ist in Salzburg die Zustimmung zur Wehrpflicht groß.

Wer am 20. Jänner nicht in sein Wahllokal gehen kann, aber an der Volksabstimmung über die Wehrpflicht teilnehmen möchte, kann dies per Wahlkarte tun. Diese kann bei der Gemeinde beantragt werden. Auslandsösterreicher können den Antrag auch bei den Vertretungsbehörden (Botschaften, Konsulate) stellen. Die Wahlkarte kann in einem Wahllokal oder per Post (Briefwahl) abgegeben werden. Wahlkarten können bis 18. Jänner beantragt werden.

Achtung: Für die Briefwahl wäre das zu spät, denn hier gibt es ab heuer eine Änderung. Die Wahlkarten müssen bis zum Wahltag bzw. Abstimmungstag bei der Wahlbehörde einlangen (bisher gab es eine achttägige Nachfrist).

Ausgezählt werden die Wahlkarten allerdings noch nicht am 20. Jänner, sondern erst einen Tag danach. Das vorläufige Endergebnis inklusive Wahlkarten-Stimmen wird daher erst am 21. Jänner vorliegen.