Faktencheck: Was kommt auf Österreichs Arbeitslose zu?
Noch ist unklar, wie es mit dem Arbeitslosengeld weitergeht. Aus der Regierung kamen von ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) zuletzt unterschiedliche Signale. Zentral ist die Frage, ob und - wenn überhaupt - wann letztlich auf das Vermögen von Langzeitarbeitslosen zugegriffen wird, wie das aktuell in der Mindestsicherung bereits Praxis ist. Sicher ist, dass die Koalition das Arbeitslosengeld reformieren will, laut Kurz soll es die - bisher theoretisch unbefristete - Notstandshilfe dann nicht mehr geben.
Wer keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr hat, dem bleibt die Mindestsicherung, kündigte der Bundeskanzler an. Hartinger-Klein meinte im KURIER dennoch, man werde "definitiv nicht auf das Vermögen zugreifen". Wie das vereinbar sein wird, ist vorerst offen.
Der KURIER liefert die wichtigsten Fragen und Antworten.
- Wer kann die Notstandshilfe beantragen?
Die Notstandshilfe kann beantragt werden, wenn die höchstmögliche Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes ausgeschöpft ist, der Antragsteller dem Arbeitsmarkt aber grundsätzlich zur Verfügung steht. Anders als beim Arbeitslosengeld muss der Antragsteller aber nachweisen, dass eine Notlage vorliegt, also die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.
Grundsätzlich ist die Bezugsdauer der Notstandshilfe unbegrenzt, muss aber nach längstens 52 Wochen neu bewilligt werden.
- Was plant die Regierung?
Das türkis-blaue Regierungsprogramm sieht vor, die Notstandshilfe abzuschaffen bzw. sie durch das "Arbeitslosengeld neu“ abzulösen. Dabei sollen die Zahlungen mit zunehmender Bezugsdauer abnehmen. Und: Je länger jemand vor dem Jobverlust gearbeitet hat, umso länger soll er Anspruch auf Arbeitslosengeld haben.
Und danach? Bisher hat die Regierung noch keinen konkreten Vorschlag vorgelegt, wie hoch die maximale Bezugsdauer künftig sein soll. Sollte es eine zeitliche Begrenzung des Arbeitslosengeldes plus Streichung der Notstandshilfe geben, müssten Langzeitarbeitslose Mindestsicherung beantragen, sobald sie kein Arbeitslosengeld mehr beziehen können - und dann kommt auch der Zugriff auf das Eigentum (mit einem Freibetrag von 4.200 Euro - siehe unten).
- Warum warnt die Opposition vor Hartz-IV-Plänen?
Das deutsche Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") hat mit der Mindestsicherung das Prinzip gemeinsam, dass Bezieher keine wesentlichen Vermögen besitzen dürfen (in Österreich davon ausgenommen: Eigentumswohnung als Hauptwohnsitz). Auf diese Parallele pocht die SPÖ, wenn sie von drohendem "Hartz IV in Österreich" spricht. Offen ist allerdings noch, ob die Regierung das "Arbeitslosengeld neu" tatsächlich ähnlich wie in Deutschland gestaltet oder die auslaufende Notstandshilfe ein Ersatzmodell bekommt.
- Was bedeutet Hartz IV In Deutschland?
Hartz IV war die Reform von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe im Jahr 2005. Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe sind im neuen Arbeitslosengeld II zusammengefasst worden. Es beträgt 416 Euro plus Ersatz der Wohnungs- und Heizkosten, allerdings nur soweit die Wohnung als "angemessen" erachtet wird. Das höhere Arbeitlosengeld I wird maximal ein Jahr lang ausgezahlt.
- Wie wirkt sich zusätzlicher Druck auf Langzeit-Arbeitslosigkeit aus?
Das ist schwer zu sagen. Das Wifo stellte jedenfalls in einer Studie im Auftrag des AMS fest, dass "von einem erhöhten Druck zu Arbeitsaufnahmen keine große Beschäftigungswirkung zu erwarten ist", weil Unterstützungsleistungen und Bezugsbedingungen bereits eine "geeignete Balance" schaffen würden.
Im Armuts- und Reichtumsbericht der deutschen Bundesregierung heißt es, Langzeit-Arbeitslose hätten nicht proportional vom Beschäftigungsaufbau profitiert. Zwar sank der Anteil der Langzeit-Arbeitslosen (an allen Arbeitslosen) von 2007 bis 2009 von 46 Prozent auf 33 Prozent, bis 2016 ist er aber wieder auf 37 Prozent gestiegen. Die Langzeit-Arbeitslosigkeit verfestigt sich.
- Was unterscheidet Notstandshilfe und Mindestsicherung?
Im Unterschied zu Arbeitslosengeld und Notstandshilfe wird die Mindestsicherung unabhängig von den vorhergegangenen Versicherungszeiten ausgezahlt. Mindestsicherung bekommt man erst, wenn man sein Vermögen aufgebraucht hat, also (ausgenommen einer Eigentumswohnung als Hauptwohnsitz plus Einrichtung) nur mehr rund 4.200 Euro besitzt (mehr dazu hier).
Die Notstandshilfe wird hingegen über das Einkommen definiert - sie kann auch bezogen werden, wenn man zum Beispiel ein größeres Vermögen hat.
- Wie hoch ist die Notandshilfe?
Die Höhe hängt vom Arbeitslosengeld davor ab. Lag es über dem Ausgleichszulagenrichtsatz (909,42 monatlich), beträgt die Notstandshilfe 92 Prozent des vorher bezogenen Arbeitslosengeldes, ansonsten 95 Prozent davon.
- Wie hoch ist die Mindestsicherung?
Seit 1. Jänner 2017 ist gibt es keine bundesweit einheitliche Mindestsicherung mehr. Im Bundesländer-Schnitt liegt sie bei etwa 840 Euro im Monat (wie hoch die Mindestsicherung in den einzelnen Bundesländern im Detail ist, können Sie hier nachlesen).
- Wie hoch ist das Arbeitslosengeld?
Wer Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, bekommt 55 Prozent seines bisherigen Netto-Einkommens. Im Jahr 2016 waren das laut Statistik Austria im Schnitt 31 Euro pro Tag, also rund 930 Euro im Monat.
313.051 Menschen bezogen in Österreich im Jahr 2016 Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe. Der Anteil der Notstandshilfe-Bezieher war mit 167.075 Personen höher als die Zahl, die Arbeitslosengeld bekamen. Das waren 145.976 Menschen.
Als langzeitarbeitslos gilt, wer über ein Jahr durchgehend arbeitslos gemeldet war.
- Wie lange bekommt man Arbeitslosengeld?
Das Arbeitslosengeld wird für 20 Wochen genehmigt. Dafür muss man innerhalb der vergangenen zwei Jahre eine Tätigkeit ausgeübt haben, bei der man mindestens 52 Wochen lang arbeitslosenversichert war. Je nach Alter des Beziehers und Dauer der vorherigen Beschäftigung kann man bis zu 52 Wochen Arbeitslosengeld bekommen.
- Von welchen Summen sprechen wir?
Das AMS zahlte 2016 1,9 Mrd. Euro Arbeitslosengeld und 1,6 Mrd. Euro Notstandshilfe aus.
- Wie haben arbeitslose Personen gewählt?
Die Österreichische National Wahlstudie, AUTNES, zeigt: FPÖ und SPÖ sind mit je ungefähr einem Drittel der Stimmen die stärksten Parteien bei den Arbeitslosen, gefolgt von der ÖVP mit ungefähr einem Fünftel der Stimmen.