Warum wir uns vor der russischen Fälscherwerkstatt fürchten müssen
Haben Sie schon gehört, dass die Flüchtlinge die Frauen Europas dazu zwingen, einen Schleier zu tragen? Wussten Sie, dass 20.000 bewaffnete Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten an der kroatischen Grenze stehen, um in die EU einzufallen? Oder dass durch die Wahl Van der Bellens zum Präsidenten eine totalitäre Herrschaft in Österreich errichtet wurde?
Nichts davon ist wahr. Das alles sind aber reale Beispiele für gefälschte Nachrichten, die von Russland aus in Umlauf gebracht wurden - mit dem Ziel, soziale, kulturelle und gesellschaftliche Probleme in Europa anzufachen.
Tausende solche Falschmeldungen haben die Experten der „East Stratcom Task Force“ (Arbeitsgruppe Strategische Ostkommunikation) der EU-Kommission seit 2015 auf unterschiedlichen Nachrichtenkanälen ausgeforscht. Die Ergebnisse werden auf der Webseite https://euvsdisinfo.eu/ veröffentlicht.
Die meisten in den russischen Medien, viele auch auf osteuropäischen Webseiten. Mit wenigen Klicks finden diese Fakenews in den Sozialen Medien auch ihren Weg nach Österreich.
In zwei aktuellen Berichten warnt das EU-Parlament eindringlich vor einer Manipulation der Öffentlichkeit im EU-Wahlkampf: Es drohe ein „böswilliger Einsatz von Bots, Algorithmen, künstlicher Intelligenz, Trollen, Deepfakes und gefälschten Profilen“, die „aufs Schärfste zu verurteilen sind“. Das EU-Parlament fordert die Mitgliedstaaten auf, „eingehende Untersuchungen dieser feindseligen Kampagnen anzustellen“. Erforderlichenfalls würde die EU-Justizbehörde die Staaten dabei unterstützen.
Die wichtigsten Begriffe für Nachrichten-Fälscher
Destruktive Rolle
Zudem zeigen sich die EU-Parlamentarier in dem Bericht besorgt über die jüngsten Entwicklungen bei den Algorithmen großer Sozialer Netzwerke (wie Facebook). Beispiel: Personen, die sich im Netz besorgt über Migration zeigen, werden gezielt mit ausländerfeindlichen Nachrichten, darunter auch falsche, gefüttert.
Die Sorge der Parlamentarier ist alles andere als unbegründet: Schon bei der US-Präsidentenwahl 2016 gab es massive Manipulationen im Wahlkampf, wie die Geheimdienste der USA offengelegt haben. Auch bei der Abstimmung über einen EU-Austritt Großbritanniens sehen die EU-Parlamentarier, dass sich „staatliche russische Akteure mit offenen und verdeckten Mitteln, einschließlich sozialer Medien und möglicherweise illegaler finanzieller Unterstützung“, in die Kampagne für den EU-Austritt eingemischt haben.
Auch die EU-Kommission und der EU-Rat sind sich längst der Gefahren bewusst und setzen bereits Strategien um, damit diese Angriffe („Informationskrieg“) abgewehrt werden können. Das Thema hat bereits auch ein Einfluss auf die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland.
So hieß es am Dienstag ganz offiziell aus dem EU-Parlament: Russland könne nicht länger als strategischer Partner betrachtet werden, man solle weitere Sanktionen gegen Russland vorbereiten. Seit 2015 hätten sich die Beziehungen der EU mit Russland stetig verschlechtert.
Kreml-Agitation
Aber warum macht der Kreml das? „Russland hat kein Interesse an einem geeinten, starken Europa“, erklärt ÖVP-EU-Mandatar Othmar Karas, der auch die FPÖ als Problem sieht:„Sie macht gemeinsame Sache mit all denen, die Europa schwächen, spalten, ja sogar zerstören wollen. Das ist nicht nur bedenklich, sondern alarmierend.“
Und: „Europas Demokratien müssen sich besser gegen Autokraten und diejenigen schützen, die Europa schwächen wollen.“ Konkret fordert Karas: Die Arbeitsgruppe „East Stratcom“ müsse massiv ausgebaut werden, die EU-Staaten müssten stärker zusammenarbeiten und die Sozialen Medien zur Verantwortung ziehen. Nötig sei auch eine „digitale Verteidigungspolitik“. Parteispenden für Anti-EU-Populisten müssten erschwert und offengelegt werden.