Politik/Inland

VP-Chef: „Schwarz-Grün hätte Charme“

Nach ihrem überraschend guten Abschneiden bei der sonntäglichen Wahl, findet sich die Tiroler Volkspartei in einer komfortablen Position wieder. Sie konnte ihre 16 Landtagssitze halten. Eine Zweier-Koalition ginge sich mit vier Parteien aus – der SPÖ, den Grünen, der FPÖ und der VP-Abspaltung Vorwärts Tirol. ÖVP-Bundesobmann Michael Spindelegger ließ am Montag bereits eine Präferenz erkennen: „Es hätte durchaus Charme, Schwarz-Grün zu probieren.“

Lust aufs Mitregieren

Die Tiroler Grünen, die nun bei fünf Mandaten halten (+1), zeigen sich alles andere als abgeneigt. „Ich glaube, dass das spannend wäre und kann mir das in Tirol sehr gut vorstellen“, sagte Grünen-Chefin Ingrid Felipe zum KURIER. Ihr Vorgänger Georg Willi schlägt in die selbe Kerbe. „Ich bin absolut dafür, mitzuregieren. Es ist Zeit, dass wir nach so vielen Jahren im Landtag in die Regierungsrolle kommen“, so das grüne Urgestein, das nach 19 Jahren im Landtag im Herbst in den Nationalrat wechseln soll.

Landeshauptmann Günther Platter wollte sich am Montag nicht auf eine Lieblingskoalition festlegen. Der Parteivorstand habe ihm jedoch „mehr oder weniger freie Hand gegeben“, sagte der VP-Chef nach der Sitzung. Er geht gestärkt aus der Wahl hervor. Die Analyse der Ergebnisse offenbart jedoch eine eklatante Schwäche der Tiroler Schwarzen. Sie wurde dieses Mal überdurchschnittlich von Älteren gewählt. Das ist eine Entwicklung, die wenig Gutes für die Zukunft verheißt. Darum hört man aus der Landespartei, dass es „frischen Wind“ braucht. Den verspricht man sich von einer Regierung mit den Grünen.

Die konnten vor allem bei Jungen punkten. Stark war auch das Abschneiden in den Städten. In Innsbruck luchsten die Grünen mit Spitzenkandidat Gebi Mair der Volkspartei sogar den ersten Platz ab. Die ÖVP hat in den Städten generell ein Problem. Das weiß auch Platter: „Wir müssen uns in urbanen Räumen verbessern. Der Wille der Veränderung ist in der VP sehr groß.“

Das spricht ebenfalls für eine schwarz-grüne Verbindung. Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig hätte damit kein Problem – sofern die Bedingungen stimmen. Genau hier liegt der Knackpunkt. Die Tiroler Grünen fordern etwa eine 180-Grad-Wende in der Umweltpolitik. Das bietet jede Menge Konfliktpotenzial mit der VP – sei es bei Skigebietserschließungen, Kraftwerksbauten oder der Verkehrspolitik.

Regierung bis Ende Mai

Günther Platter kündigte an, im Laufe der Woche mit allen Parteien Gespräche zu führen. Bis Ende Mai soll die neue Regierung stehen. Der erste Weg führt heute zum Langzeit-Partner SPÖ, der – in Tirol bereits eine Kleinpartei– erneut ein Minus verkraften muss. Eine Neuauflage der Koalition hätte für die VP ebenfalls Charme – auch weil die Roten „billig zu haben wären“.

Am Mittwoch sollen Sondierungsgespräche mit den Grünen folgen. Geht es nach Georg Willi münden diese in Koaltionsverhandlungen und einer gemeinsamen Regierung: „Wir müssen uns auf dieses Abenteuer einlassen. Die Grünen müssen das auch lernen.“

Bei der Tiroler SPÖ war man am Tag nach der Wahl einigermaßen ratlos. Der Sonntag hatte nach einem 10-Prozent-Absturz im Jahr 2008 ein erneutes Minus gebracht – auf den historischen Tiefststand von 13,84 Prozent. Spitzenkandidat Gerhard Reheis versuchte sich damit zu trösten, dass er Platz zwei zurückerobern konnte.

Besonders bitter fällt für die SPÖ die Analyse der Wählerströme aus. „Es ist uns nicht gelungen, unsere Wähler zu mobilisieren“, gesteht Reheis ein. Jeder Zweite, der 2008 sein Kreuz bei der SPÖ gemacht hat, blieb am Sonntag zuhause. Im Wahlkampf ließ sich der designierte SP-Chef, der erst vor wenigen Monaten das Ruder übernommen hat, schon als neuer Landeshauptmann plakatieren. Nun wackelt sogar eine erneute Regierungsbeteiligung, da die VP es vielleicht mit Schwarz-Grün versucht.

Innerhalb der SPÖ war man sich aber ohnehin nicht einig, ob nicht auch der Gang in die Opposition heilsam wäre. Am Montag wurde im SP-Vorstand über die möglichen Lehren aus der erneuten Schlappe beraten.

Steirische Schelte

Der SPÖ haftet in Tirol das Image des „VP-Ministranten“ an. Seit Ende des Proporzes 1999 sitzt man gemeinsam im Regierungsboot. Für den steirischen SP-Landeshauptmann Franz Voves ist „die SPÖ in Tirol eine Kleinpartei, die nicht vom Fleck kommt“. Dennoch scheint Gerhard Reheis vorerst nicht um seinen Job bangen zu müssen. Er gilt als engagierter Sozialpolitiker. Solidarisch zeigt er sich auch innerfamiliär: Sein „Flinserl“ ließ er sich vor knapp 30 Jahren stechen, um seinem Sohn die Angst vor der Prozedur zu nehmen.

Er überreicht schon mal einen Rollator im Wahlkampf, geht mit Anhängern klettern oder verlost einen Abend mit sich auf der Wohnzimmer-Couch: Anfangs belächelt, ist der Tiroler Gebi (eigentlich Gebhard) Mair nach der Landtagswahl der grüne Shootingstar. Mit 23,9 Prozent schaffte der Spitzenkandidat in Innsbruck nicht nur Plus 3,5 Prozentpunkte, sondern verdrängte die Volkspartei auf Platz zwei.

Von einer One-Man-Show will Mair nicht sprechen: „Das kann man allein gar nicht machen. Wir haben ein tolles Team, von der Vizebürgermeisterin abwärts“, sagt er im KURIER-Gespräch.

Auch Georg Willi, Spitzenkandidat der Grünen für die Nationalratswahl, sieht die Partei in Innsbruck breit aufgestellt. Das sei auch wichtig, denn Mair „zieht auf der einen Seite, polarisiert aber auf der anderen. Gebi ist manchmal zu forsch mit seinen Ansagen und Forderungen“, sagt Willi. Besonders in der ÖVP würden manche empfindlich auf ihn regieren.

Ex-Landeshauptmann Van Staa (ÖVP) habe er schon mal als Sonnenkönig plakatieren lassen, sagt Mair, auch Scharmützel mit dem Umwelt- oder dem Gesundheitslandesrat seien keine Seltenheit. „Das Verhältnis mit Van Staa hat sich aber wieder entspannt.“ Er sage aber „klar, wer verantwortlich ist für Missstände im Land.“ Das mache nicht nur Freunde: „Ich ecke gerne an.“ Dass manch führender VP-Funktionär ihn nicht in einer Koalition sehen will, nimmt er gelassen. „Die ÖVP wird sich unser Personal nicht aussuchen können.“ Mittlerweile heißt es auch aus der ÖVP, am Personal werde es nicht scheitern.

Potenzial

Als reine Studentenpartei sieht Mair die Grünen nicht. Von 30.000 Studenten in Innsbruck hätten nur 8000 hier ihren Hauptwohnsitz. Auch Politologe Ferdinand Karlhofer sieht das Phänomen breiter: „Die Grünen haben sich in 25 Jahren einen breiten Wählerstock erarbeitet.“ Noch mehr Potenzial ortet Karlhofer im zunehmend urbaneren Inntal, wohin auch Mair schielt. Dass er dort bald als Landesrat wahlkämpft, kann er sich vorstellen: „Das wäre eine tolle Aufgabe.“