Verdecktes Spiel um Reform von Österreichs geheimen Diensten
Bei den Nachrichtendiensten bahnen sich Veränderungen an. Dass – öffentlich unbemerkt – fünf Beamte des Heeresnachrichtenamtes (HNaA) kürzlich in das Innenministerium abgewandert sind, sorgt seit einiger Zeit für Getuschel innerhalb der Sicherheitsapparate. Am Ende sollen insgesamt 20 bis 30 HNaA-Experten transferiert werden, und sie könnten sogar über dem BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) direkt im Innenministerium angesiedelt werden.
„Was Kickl macht, muss man sich sehr genau anschauen“, warnt der international bekannte Geheimdienstexperte Siegfried Beer. Aber der Transfer von gut ausgebildeten Experten – darunter offenbar ein blauer Personalvertreter – aus dem HNaA direkt ins Innenressort ist möglicherweise erst der Anfang größerer Umwälzungen bei den geheimen Diensten.
Laut KURIER-Informationen gibt es Pläne für eine Zusammenlegung der beiden Nachrichtendienste des Verteidigungsministeriums, dem HNaA und dem Abwehramt. Das alles wäre eine neue Form der Machtkonzentration.
Geheimhaltung
Offiziell gibt man sich sowohl im Innen- als auch im Verteidigungsministerium wenig auskunftsfreudig zu den Vorgängen. Der Vorsitzende des Geheimdienst-Unterausschusses, Rudolf Plessl (SPÖ), beobachtet diese Entwicklungen und will mit einer parlamentarischen Anfrage, die dem KURIER vorliegt, nun Licht ins Dunkel der Abwerbungen für das Ressort von Herbert Kickl (FPÖ) bringen. „Die Bürger haben ein Recht auf Transparenz“, sagt der Abgeordnete.
Hinter vorgehaltener Hand ist bei Mitarbeitern der Sicherheitsapparate immer häufiger von möglicherweise „demokratiepolitisch bedenklichen Vorgängen“ die Rede. Was die Zukunft der österreichischen Nachrichtendienste angeht, lässt das türkis-blaue Regierungsprogramm nämlich vieles offen. Hier heißt es nur allgemein, dass „die Prozesse der Zusammenarbeit zwischen BVT, Bundeskriminalamt und Heeresdiensten verbessert werden“.
Jetzt hört man, dass im engsten Kreis von Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) die Aussage gefallen sei, die beiden Heeresnachrichtendienste zusammenzulegen. Darüber etwas zu sagen „ist zu früh“, meint die Ressortsprecherin Ute Axmann. „Nach der Reform der Zentralstelle wird man sich die Reform der Ämter anschauen“, fügte sie hinzu. Wann es soweit ist? „In einigen Monaten.“
Eine Zusammenlegung etwa der Heeresdienste beurteilt Beer sachlich: „Es gibt gute Beispiele für beide Modelle. Die Schweiz etwa hat 2010 alle Dienste, sowohl den polizeilichen als auch den militärischen, zusammengelegt, und es funktioniert sehr gut.“ In Österreich sei eine Fusion schwer vorstellbar, weil „die Dienste hierzulande seit jeher eine Spielwiese des politischen Einflusses sind. Niemand traut sich, in Österreich einen echten Systemwandel durchzusetzen“.
Planposten unbesetzt
Schon Hans Peter Doskozil (SPÖ), der Vorgänger von Kunasek , wollte das HNaA modernisieren, die Zahl der Mitarbeiter aufstocken, die Expertise verbessern und den Dienst „akademisieren“. Aktuell ist die Lage aber vorerst eine andere: Nur 460 von 560 Planposten sollen laut gut informierten Kreisen besetzt sein. Der Transfer der HNaA-Leute in das Innenministerium hinterlässt eine weitere Lücke.
Zur BVT-Reform tagt derzeit eine geheime Expertengruppe im Innenministerium. Das Problem, das die Opposition sieht, ist, dass alles ausschließlich innerhalb von FP-Ressorts passiert. Zuvor standen sich überall in irgendeiner Form VP und SP gegenüber, die ein Gleichgewicht der Kräfte hielten.
Fest steht jedenfalls, dass es zu einer Konzentration von Macht, zu einem Monopol, kommen dürfte. Auch die einst angedachte Aufspaltung des BVT in einen operativen Teil beim Bundeskriminalamt und in einen Analyseteil im Verfassungsschutz wurde im Herbst fallen gelassen. Damit könnte es statt einer Aufspaltung auf vier Dienststellen künftig nur noch zwei geben.
Nicht fallen gelassen wurde außerdem der heftig diskutierte Plan für eine generelle Auskunftspflicht aller Geheimdienste an Bundes- und Vizekanzler. Die einen befürworten dies wegen der dadurch möglichen Kontrolle, andere befürchten eine Art Durchgriffsrecht der Regierungsspitze auf die Dienste. Aus dem Kanzleramt heißt es, dass man erst einmal das Ergebnis des BVT-Ausschusses abwarten möchte.
Die Opposition ruft nach mehr Kontrolle der nachrichtendienstlichen Arbeit. Neos-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper möchte nach einem Lokalaugenschein in den USA nach dortigem Vorbild „eine öffentliche Gefahreneinschätzung der Nachrichtendienstspitze“ etwa vor dem Parlament und mehr Informationsrechte für Abgeordnete. „Wir werden mit Argusaugen darauf achten, dass nicht eine Art Geheimpolizei nach Gutdünken der Ressortspitze entsteht.“
Ruf nach Kontrolle
SPÖ-Mann Plessl verlangt „die Stärkung der parlamentarischen Kontrolle. Diese Kontrolle könnte eine Rechtsschutzabteilung im Parlament wahrnehmen“. Seine Parteikollegin Andrea Lueger möchte Auskunftspersonen ins Parlament unter Wahrheitspflicht laden können, wie in Untersuchungsausschüssen.
Geheimdienste: Zwei, drei oder vier?
Heeresnachrichtenamt (HNaA)
Mitarbeiter: ca 560
Leiter: Edwin Potocnik
Sitz: 1140 Wien, Hütteldorfer Straße 126
Das HNaA dient der Beschaffung und Analyse von Informationen aus dem Ausland und von internationalen Organisationen. Bekanntermaßen führend ist es am Balkan, aber auch im (nord-)afrikanischen Raum. Der Dienst unterhält technische Aufklärungsstationen, etwa die Königswarte, Neulengbach oder die Koralpe. Das HNaA schickt täglich Lageberichte an Präsidentschaftskanzlei, Außenministerium und an das Bundeskanzleramt.
Kontrolle: Geheimdienstausschuss des Parlaments
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Abwehramt (AbwA)
Mitarbeiter: ca 250
Leiter: Rudolf Striedinger
Sitz: 1030 Wien, Hetzgasse 2
Das AbwA dient der Aufklärung über Bedrohungen für das Heer, auch bei Auslandseinsätzen. Es geht um die Abwehr von Sabotage, Spionage oder die Erstellung von Lagebildern für militärische Sicherheit. Auch Extremismus innerhalb des Heeres wird bekämpft oder die Verlässlichkeit von Heeresmitarbeitern geprüft. Das AbwA ist zuständig für die Suche nach Abhörsystemen. So wurde die „Wanze“ (Lautsprecher) im Büro des Vizekanzlers entdeckt.
Kontrolle: Geheimdienstausschuss des Parlaments
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Verfassungsschutz (BVT)
Ca. 300 (bald 400) Mitarbeiter
Leiter: Peter Gridling
Sitz: 1030 Wien, Rennweg 93
Aufgaben: Einerseits Nachrichtendienst (Sammlung von Informationen über Terrorismus oder Extremismus), andererseits Polizei-Dienststelle. Während ein Geheimdienst nur beobachten kann, muss der Verfassungsschutz festnehmen, wenn er eine Straftat beobachtet. Die Observation wurde großteils im vergangenen Jahr ausgelagert und dem Ministerium zugeordnet. Heuer sollen 100 Beamte aufgenommen und das BVT in eine „Informationsbeschaffung“ und eine „kriminalpolizeiliche Ermittlung“ geteilt werden.
Kontrolle: Innenausschuss des Parlaments
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Bundeskriminalamt (BK)
Ca. 700 Mitarbeiter
Leiter: Franz Lang
Sitz: 1090 Wien, Josef-Holaubek-Platz 1
Kein Dienst, aber zuständig für Kriminalitäts-Analyse, Forensik, Organisierte Kriminalität oder Wirtschaftskriminalität. Das BK ist auch operativ tätig bei Ermittlungen. Eigentlich sollte der kriminalpolizeiliche Bereich des BVT zum BK dazukommen, dieser Plan wurde aber im Vorjahr wieder fallen gelassen. Kurz nach Platzen der BVT-Affäre wurde Franz Lang überraschend als Leiter verlängert, Insider waren davon ausgegangen, dass ein Kabinettsmitarbeiter Kickls das Zepter übernehmen wird.
Kontrolle: Innenausschuss des Parlaments