Jubiläum: Das Umweltwissen der Republik wird 25
Von Bernhard Gaul
Die jährlichen Klimaschutzberichte, der Verdachtsflächenkataster und der Altlastenatlas, die Biozidbelastung, Ammoniak in der Außenluft, Mikroplastik, Quecksilber-Kontamination, adsorbierbare organisch gebundene Halogene in Deponiesickerwasser: Das ist nur ein ganz kleiner Ausschnitt dessen, was die mehr als 600 Experten des Umweltbundesamtes jeden Tag messen, prüfen, dokumentieren, und die daraus auch gleich Empfehlungen und Strategien ableiten können.
Für jeden, der um Expertise ansucht: Das ist vor allem das Umwelt-, das Landwirtschafts- und das Finanzministerium, aber auch die Landesregierungen und Gemeinden, bis hin zur EU-Kommission, die immer öfter auf die Expertise der österreichischen Vorzeigeinstitution zurückgreift. Mehr noch, das Umweltbundesamt war bisher in über 60 Ländern tätig, Schwerpunkte der Beratungstätigkeit liegen in der Umweltberatung und dem „Institutional Capacity Building“ – der Stärkung und Weiterentwicklung von Institutionen im Umweltbereich.
„Wir sind das Umweltwissen der Republik“, sagt Hildegard Aichberger. Gemeinsam mit Verena Ehold sind die beiden Frauen seit dem Februar 2023 (Ehold) bzw. seit Mai 2024 (Aichberger) die neuen Chefinnen des Umweltbundesbundesamtes.
Aber was ist das überhaupt?
Unter dem roten Umweltminister Kurt Steyrer wurde 1985 vom Nationalrat das Umweltkontrollgesetz verabschiedet und das Umweltbundesamt aus der Taufe gehoben. Bis 1999 blieb es eine Sektion im Ministerium, dann bekam das Umweltbundesamt die Rechtsform einer GmbH – dieser Tage jährt sich die Ausgliederung zum 25. Mal.
Ehold sagt, dass sie die Institution Umweltbundesamt und ihren Job als Co-Geschäftsführerin immer schon spannend und erstrebenswert fand. „Es ist genau das, wo ich jetzt sein will“, sagt sie mit einem Lächeln. Aichberger fasziniert an ihrem Job „das vernetzte Denken, das Verstehen der politischen und der wirtschaftlichen Logik, den juristischen Hintergrund und das Ganze in einem naturwissenschaftlichen Setting“.
Das Umweltbundesamt erhält eine niedrige Sockelfinanzierung des Bundes, vor allem für die vielen Berichtspflichten wie die Treibhausgasinventur. „Den Rest finanzieren wir über Aufträge, vor allem vom Bund, den Ländern und Gemeinden, aber immer mehr auch Beratung, etwa vom ORF in Richtung Nachhaltigkeit. Wir haben auch schon Rapid beraten.“ Bei 55 Disziplinen, in denen die Experten tätig sind, und aktuell über 600 Projekten, darunter auch Klima-Anpassungsstrategien für Gemeinden, sei das Spektrum der Arbeit groß.
Neuer Fokus
Der Fokus habe sich in den vergangenen Jahrzehnten aber verschoben. Früher sei die Kernkompetenz im Aufbau von Messsystemen gelegen, damit man eine Umweltkontrolle aufbauen kann und Daten sammelt. „Jetzt geht es immer stärker um übergreifende Themen, um die Verschneidung zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Umweltthemen. Da geht es für uns nicht mehr nur ums Messen, sondern welche Strategien nötig sind, damit Umweltziele eingehalten werden und eine Transformation in Richtung einer nachhaltigen und fairen Zukunft gelingen kann“, sagt Aichberger.
Ehold merkt zudem an, dass in der Gesellschaft die Zustimmung für Klima- und Umweltschutz extrem hoch sei, „die Menschen wollen das. Ein Erfolg ist, dass Umweltthemen im Mainstream angekommen sind. In Summe sind wir alle stolz auf die Natur, und wir halten uns ja auch für sehr umweltbewusst. Nur die Handlungsmöglichkeiten müssen jetzt besser kommuniziert werden.“
Polarisierendes Thema
Sorgen bereite der Umstand, dass Umwelt- und vor allem Klimathemen immer mehr die Gesellschaft polarisieren. Ehold: „Da wird inzwischen schon mit vielen Unwahrheiten, Fake News und Desinformationen Stimmung gemacht. Das ist aber kein österreichisches Spezifikum, sondern ein weltweites Phänomen. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. In Zeiten der Desinformation sind vor allem Daten und Information nötig – und jemand, der dazu Orientierung geben kann.“
Welche Umweltthemen machen aktuell Sorgen?
Die PFAS werden da sofort genannt, das sind chemische Verbindungen, die extrem stabil sind, und deshalb auch „Ewigkeitschemikalien“ genannt werden. Bei diesen würden aber immer öfter neue Probleme für die Natur und Gesundheit festgestellt. Ein sofortiges Verbot der PFAS sei aber unrealistisch. „Weil diese inzwischen in so vielen verschiedenen Materialien zum Einsatz kommen.“ Da gehe es um zehn- bis fünfzehntausend Substanzen, die alle neu bewertet werden müssen.
„Das kann man gar nicht von heute auf morgen verbieten. Ich fürchte, die werden uns die nächsten Jahrzehnte noch massiv beschäftigen“, sagt Aichberger.