Politik/Inland

Causa Schmid: Jetzt streiten Türkis und Grün über Jobvergaben

Die Grünen "appellieren an das Verantwortungsgefühl" von Thomas Schmid: Er müsse einsehen, dass er sich nach dem Auftauchen von Chatnachrichten zwischen ihm und Finanzminister Gernot Blümel sowie mit Kanzler Sebastian Kurz zurückziehen müsse, wenn er Schaden von der ÖBAG abwenden möchte, sagte die Grüne Vize-Chefin Nina Tomaselli am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal.

Als Chef der Österreichischen Beteiligungs AG verwaltet er Vermögen im Wert von 26 Milliarden Euro - quasi das "Familiensilber der Republik". Auch Vizekanzler Werner Kogler hat dem ÖBAG-Chef schon den Rückzug nahegelegt.

Am späten Vormittag dann der Konter der ÖVP: Abgeordneter Andreas Hanger wirft den Grünen "Doppelmoral" vor. Gerade sei nämlich bekannt geworden, dass Dieter Brosz als Abteilungsleiter für Sportstrategie im Sportministerium von Kogler besetzt wurde. 

Brosz war bis 2017, als die Grünen aus dem Nationalrat geflogen sind, Abgeordneter und soll auch den misslungenen Wahlkampf federführend gestaltet haben. Er hielt weiterhin Kontakt mit Kogler und beriet ihn für seine Medienauftritte im Wahlkampf 2019.

Als die Grünen dann in die Regierung kamen, wurde er Kabinettschef im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport. Er gilt als enger Vertrauter Koglers, ist in der grünen Partei aber umstritten. Im Mai 2020 zog sich Brosz in die Privatwirtschaft zurück. Und kehrt nun offenbar ins Ministerium zurück. 

ÖVP kritisiert "Dreistigkeit" und "Doppelmoral"

„Liebe Grüne Tomaselli, wollt‘ ihr uns pflanzen?“, meinte deshalb der türkise Nationalratsabgeordnete Andreas Hanger als Reaktion auf das Ö1-Interview der Grünen. 

„Dass just der Kogler-Vertraute und Ex-Grün-Nationalratsabgeordnete Dieter Brosz als Abteilungsleiter für Sportstrategie versorgt wird, während die Abgeordneten-Kollegin Nina Tomaselli sich lautstark über Besetzungen empört, die vor Jahren stattgefunden haben, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten und offenbart eine Doppelmoral, die man selten sieht“, so Hanger.

Und weiter: "Seit der grünen Regierungsbeteiligung werden laufend grüne Parteigängerinnen und Parteigänger in Positionen in Ministerien oder dem staatsnahen Bereich gehievt, so ehrlich muss auch Kollegin Tomaselli sein." 

Brosz "im höchsten Ausmaß" geeigneter Bewerber

Im Büro von Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler bestätigt man auf KURIER-Anfrage, dass Brosz am 15. Mai als Abteilungsleiter für Sportstrategie bestellt wurde. Es habe eine öffentliche Ausschreibung gegeben und Brosz sei von der Kommission als "im höchsten Ausmaß geeignet" bewertet worden. Unter den vier Bewerbern, die zum Hearing eingeladen worden waren, sei er deshalb an der Spitze gestanden, Kogler sei dieser Empfehlung gefolgt, erklärt seine Sprecherin. 

Der Job wurde übrigens mit einem Mindestbruttogehalt von 3.395 Euro monatlich ausgeschrieben. Mit seinen Dienstjahren könnte Brosz auf rund 5.000 Euro monatlich kommen.

Mit Schmid, der angeblich über die ÖVP zum Alleinvorstand der ÖBAG geworden ist, lässt sich dieser Fall nur sehr begrenzt vergleichen. 

JVP verspottet Sportministerium

Das Statement der Kogler-Sprecherin läutete die nächste Runde ein: Die Junge ÖVP rückt mit einer spöttischen Aussendung aus. Sie "kritisiert" nun die früheren Sportminister für ihr "derart schlechtes Händchen", wenn es um Personalbesetzungen geht. "Wie sich heute zeigt, braucht es offenbar erst einen Grünen Sportminister, um zu erkennen, dass der ehemalige Grün-Abgeordnete Brosz der am besten geeignete Bewerber für den Abteilungsleiter Sportstrategie im Sportministerium der Republik Österreich ist“, heißt es darin. 

„Diese wichtige Personalentscheidung kommt jedoch um Jahre zu spät. Wer weiß, wo der österreichische Sport bereits sein könnte, hätten die beiden Ex-Minister Strache (Heinz-Christian, FPÖ) und Doskozil (Hans Peter, SPÖ) ihre Hausaufgaben gemacht und den absolut qualifizierten Top-Sportexperten Brosz mit der Erarbeitung der Sportstrategie betraut“, so die JVP.

Und die jungen Türkisen gehen noch weiter: „Es ist absolut ausgeschlossen, dass es sich bei der Besetzung des ehemaligen Grün-Abgeordneten und Kogler-Vertrauten um einen sogenannten ‚Postenschacher‘ handle, denn immerhin ist die Qualifikation des nunmehr zum Zug gekommenen Ex-Grün-Abgeordneten zweifellos, wie seine langjährige Mitgliedschaft bei den Grünen schwarz auf weiß beweist." 

"Koalition wird bleiben"

Zurück zum Ursprung der türkis-grünen Auseinandersetzung:

Im Ö1-Interview hatte die Grüne Tomaselli gesagt: "Uns ist vollkommen klar, dass Thomas Schmid nicht der richtige Mann an der ÖBAG-Spitze ist. Es braucht jemanden, der das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher genießt." Aber: Die Postenbesetzung sei eine Idee der ÖVP gewesen. "Es muss in der ÖBAG aufgeräumt werden, und ich erwarte mir, dass jene, die diese Idee gehabt haben, auf Schmid einwirken."

Auf die Frage der Ö1-Moderatorin, ob die Grünen denn "alles schlucken" und sich in dieser Koalition noch als glaubwürdig empfinden, nachdem sie bereits bei mehreren Themen im Parlament gegen das eigene Gewissen stimmen mussten (Stichwort: Flüchtlinge), lachte Tomaselli, bevor sie antwortete: "Ja, selbstverständlich."

Die Grünen seien mit zwei Versprechen angetreten: Saubere Umwelt, saubere Politik. "Ich bin überzeugt, wir liefern in beiden Bereichen." 

Die Koalition wird bleiben, betont die Grüne. "Weil die Menschen sich von uns noch mehr Antworten erwarten." Als Beispiel nennt sie den Kampf gegen Korruption. 

Personalexperte für zweiten Vorstand in der ÖBAG

Die Position von Thomas Schmid als Alleinvorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) wird von Personalexperten eher kritisch gesehen. "Wenn man es privatwirtschaftliche sieht, die ATX-Unternehmen haben zumindest vier Vorstände, vier bis fünf im Durchschnitt," sagte Peter Pendl am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal. 

Es stelle sich vor allem die Frage, wie die ÖBAG positioniert sein solle: "Ist die ÖBAG ein Erfüllungsorgan der Politik oder soll die ÖBAG auch ein strategisch zukunftsorientierter Sparring-Partner sein? Und wenn das auch ein Sparring-Partner sein soll, dann sind auf jeden Fall zwei Vorstandsmitglieder opportun," so Pendl, der Geschäftsführer der Personalberatung "Dr. Pendl & Dr. Piswanger GmbH" ist.

Auch wenn zwei Vorstände mehr kosten würden und Entscheidungen möglicherweise länger dauern, sei das Vieraugenprinzip bei der Staatsholding jedenfalls zu bevorzugen, vor allem wegen des großen Portfolios der ÖBAG. Die ÖBAG verwaltet die Anteile des Staates an wichtigen börsenotierten Firmen wie OMV, Telekom Austria, Post und Verbund, und managt über 26 Mrd. Euro an Staatsvermögen.

Verwundert zeigte sich der Personalexperte auch, dass Schmid keine internationale Erfahrung habe und vor der Position in der ÖBAG nie in einer Managementposition war. "Mich hat sehr gewundert, dass das in der Stellenausschreibung überhaupt nicht gefordert und nicht enthalten war", so Pendl zum Ö1-Journal. Ein zweiter Vorstand könnte hier die mangelnde Erfahrung Schmids wettmachen.