Politik/Inland

Strolz' Abschied aus einer "verrückten Branche"

Als Matthias Strolz an einem sonnig-kühlen Septembernachmittag seine vorerst letzte Parlamentsrede hält, fällt weniger auf, was gerade alles passiert, sondern viel mehr was alles nicht passiert: Die Abgeordneten im Plenum schauen nicht auf ihr Handy, um eMails zu checken; sie tippen keine Reden in die Laptops, lesen keine Zeitung, kaum einer tratscht mit dem Sitznachbarn.

Es ist still, als der Klubchef der Neos spricht. Auffallend sogar. Und diese Ruhe, die so selten im Plenum zu beobachten ist, muss man wohl in gewisser Weise als ein Zeichen der Wertschätzung verstehen.

Ganz klar wird die Sache, wenn man einige Stunden zuvor im Plenum war: Am Beginn des Tages verabschiedete sich ein anderer, SPÖ-Mandatar Wolfgang Katzian, vom Parlament – der Gewerkschaftspräsident will sich voll auf den ÖGB konzentrieren.

Und bei diesem Rückzug ist die Situation eine gänzlich andere: Regierungsmandatare strafen Katzian mit demonstrativem Desinteresse – vielen sind Handy, Laptop und Sitznachbar weit wichtiger als die Rede des ÖGB-Chefs.

Das hatte wohl auch damit zu tun, dass der Spitzengewerkschafter seine letzte Parlamentsrede dafür nutzte, eine rhetorische Breitseite gegen die Regierung abzufeuern. „Die Unternehmer bestellen, die Regierung liefert!“, donnerte Katzian vom Rednerpult – und drohte ein wenig: „Wenn die Demontage des Sozialstaates weitergeht, dann werden wir uns wiedersehen – und zwar vor dem Parlament, und dann werden mehr als 120.000 Demonstranten da sein!“

Verhaltener Applaus

Der Applaus in den Reihen der Regierungsmandatare? Er fällt verhalten aus, das ist nicht weiter überraschend.

Und damit ist man wieder beim 45-jährigen Parteigründer Matthias Strolz, der in seiner Rede wieder und immer wieder auf ein Wort zurückfällt, das für ihn in der Politik oft zu kurz kam und kommt: die Wertschätzung.

Tatsächlich war es ja so, dass Strolz im Oktober 2013 ein Versprechen abgegeben hat: Er wollte in jeder Rede etwas Wertschätzendes über die politische Konkurrenz loswerden. Nun, Strolz hielt den Vorsatz nicht ganz durch.

Doch am Tag seines Abschieds kommt er wieder darauf zurück und bemüht sich hörbar um Respekt und Anerkennung – und zwar gegenüber allen Fraktionen.

„In jedem von uns steckt etwas Liebenswürdiges“, sagte Strolz etwa zu FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz. Und Karlheinz Kopf – er war einst Strolz’ Mentor in der ÖVP – flötet der Vorarlberger zu: „Nie ist die Liebe so groß wie im Abschied.“

Das Adieu ist getragen von dem Wunsch, den Umgangston zu verbessern. „Die Politik ist eine verrückte Branche“, sagte er. Häme und Geringschätzung seien Alltag. „Das tut uns nicht gut.“

An den Schluss stellte Strolz einen Appell: Das Parlament müsse die Demokratie verteidigen und illiberalen Tendenzen entgegentreten. Abgang Strolz, es wird laut: Stehende Ovationen, Applaus.

Alle Inhalte anzeigen