SPÖ geißelt „Klassenkampf von oben“
Von Daniela Kittner
Die Transparente gegen die Bundesregierung waren gar nicht so zahlreich. Ein paar gegen den Innenminister („Immer Wickel mit Kickl“), der Kanzler kam einige Male vor, aber das Transparent gegen den roten Parteigeschäftsführer Thomas Drozda („Hast Du auf die Uhr geschaut? Es ist Zeit zu gehen“) erregte fast mehr Aufmerksamkeit.
Es war der Mix aus Themen, Tönen und Emotionen, der diesen Maiaufmarsch 2019 zu einem besonderen machte. „Was bedeutet Schwarz und Blau? Rassismus und Sozialabbau“– dieses Motto zog sich durch die mehr als dreistündige Parade und die Reden der SPÖ-Oberen. Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner bezeichnete Vizekanzler Heinz-Christian Strache als einen „permanenten Einzelfall“ und forderte ihn zum Rücktritt auf. „Niemals Blau-Rot, bis in den Tod“, stand auf dem Transparent einer Frau im Publikum.
Die neue Frauenchefin der SPÖ-Wien, Marina Hanke, zieh die Regierung des „Klassenkampfs von oben“. Die SPÖ werde diesen „zu beantworten wissen“.
„Ende der WGKK“
Damit sprach sie aus, was an diesem 1. Mai anders war: Von sozialpartnerschaftlichem Grundkonsens war nichts zu spüren. „Nach 151 Jahren wird die Wiener Gebietskrankenkasse abgeschafft“, prangerte ein Transparent an. „Industrie und Wirtschaft sitzen in unserer Krankenkasse“, rief der Platzsprecher.
Die Arbeiterkammer und damit die Arbeitnehmervertretung sollen geschwächt werden – „auf Zuruf der reichen Kanzler-Freunde in der Industrie“, tönte es aus dem Lautsprecher.
Es war sehr viel Konzernkritik zu bemerken, mehr und schärfer als üblich. „Gerechte Steuern statt auf Minderheiten feuern“.
„Die Erde retten statt Geld-Marionetten“. So viel Umwelt- und Klimaschutz ist auf einem 1. Mai auch selten.
„Sie stehlen unsere Würde“, Menschen 1,50 Euro für eine Arbeitsstunde zuzumuten, sei würdelos, rief Rendi-Wagner in die Menge.
Die FPÖ bezeichnete sie als „falsche Freundin der Arbeiter“. Die FPÖ würde der ÖVP „devot den Hammer reichen, um unser Sozialsystem zu zertrümmern“, im Gegenzug würde die ÖVP die täglichen „Einzelfälle“ der FPÖ in Kauf nehmen.
Gegen „das Europa der Konzerne“ mobilisierte auch EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder. Geschickt verwoben die SPÖ-Oberen die EU-Wahl am 26. Mai mit der Wien-Wahl 2020. Indem sie die EU-Wahl zum Auftakt für die Schlacht um das Rote Wien deklarierten, versuchen sie, die traditionell schwache Beteiligung an der EU-Wahl zu heben.
„Brutale Faschismen“
Heuer wird „Hundert Jahre Rotes Wien“ begangen. Die Stimmung, in der sich die SPÖ befindet, drückte sich in der Rede von Bürgermeister Michael Ludwig aus: „Die 100 Jahre waren unterbrochen durch zwei brutale Faschismen. Karl Seitz ist im Rathaus verhaftet worden. Daher haben wir ein besonderes Sensorium gegen Rechtsextremismus.“ Dann sprach der Bürgermeister von den Einzelfällen der FPÖ, und dass der Kanzler täglich rote Linien ziehen müsse. Ludwig gab für die SPÖ-Wien das Versprechen ab: „Niemals eine Koalition mit dieser FPÖ.“