Spion im Bundesheer: Im Dienste Russlands
Der Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Spionage-Falles ist merkwürdig: Die Causa ist nicht neu, wird aber gerade in einer heiklen Phase der BVT-Untersuchungen publik. Unabhängig davon, ob man vom BVT-Skandal ablenken will – der Spionagefall eines mittlerweile pensionierten Oberst ist politisch höchst brisant und zieht politische Konsequenzen nach sich: Außenministerin Karin Kneissl sagt eine Reise Anfang Dezember nach Moskau kurzfristig ab. „Sollten sich die jetzt vorliegenden Verdachtsmomente bestätigen, dann würde dies eine schwerwiegende Belastung für die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Russland darstellen“, sagte sie am Freitag gegenüber der APA. (Siehe Kommentar). Der russische Geschäftsträger Igor Nikitin wurde umgehend ins Außenamt zitiert.
Auch Russland bestellt angesichts der Ermittlungen den österreichischen Botschafter ein. Der russische Außenminister Sergej Lawrow gab sich vor russischen Journalisten in Moskau „unangenehm überrascht“. Er fügte auch hinzu, dass er den österreichischen Botschafter, Johannes Eigner, erklären werde, wie sich Wien zukünftig verhalten solle, wenn es Fragen an die Russische Föderation hat.
Die Sache könnte sich damit zu einer veritablen diplomatischen Krise entwickeln. „Dass der Fall am Freitag publik wurde, hängt damit zusammen, dass alle Unterlagen für eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft fertig waren“, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Oberst Michael Bauer zum KURIER. Am Donnerstagabend ging die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Salzburg ein. „Wir wurden im September von einem befreundeten Geheimdienst über den Fall informiert und haben ihn darauf beschattet“, ergänzt der Sprecher. Spekuliert wird, dass es sich um einen westlichen Nachrichtendienst aus einem NATO-Land handelt.
Danach hätten Beamte des Heeresabwehramtes Gespräche mit dem 70-jährigen Oberst geführt – dieser habe seine Spionagetätigkeit zugegeben. Sein Laptop wird ausgewertet. Da der Soldat in Salzburg stationiert war, vermuten Bundesheer-Kreise, dass er vor allem Radardaten, die unter anderem mit Deutschland ausgetauscht worden waren, an Russland weitergegeben habe. Bauer bestätigt diese Vermutungen jedoch nicht. Der Oberst habe ein breites Spektrum an Informationen weitergegeben. „Das reicht von unbedeutenden Dingen bis hin zu brisanteren Informationen“, sagt Bauer. Für seine mehr als 20 Jahre andauernde Spionagetätigkeit soll der Offizier mehr als 300.000 Euro bekommen haben – das ist auf lange Sicht keine hohe Summe.
Attraktives Ziel
Für Russlands Interesse an Österreich , seit jeher ein Hotspot der Spionage, gibt es mehrere Gründe: Wien ist Sitz internationaler Organisationen. Als EU-Mitglied verfügt Wien über alle Informationen der Weiterentwicklung der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU, und Österreich ist Mitglied des NATO-Programmes „Partnership for Peace“ (PfP). Dadurch hat Österreich Zugang zu bestimmten Daten. Nach Angaben von Brüsseler Experten war und ist Russland an Informationen über Waffensysteme, Daten rund um die Zuwanderung und Migration sowie an Persönlichkeitsprofilen interessiert. Außerdem verfügt Wien seit Langem über sehr gute Zugänge zu Balkan-Ländern. „Wien ist eine wichtige Relais-Station für Informationen“, sagt ein hoher Militär in Brüssel dem KURIER.
Was wir bisher über den Spion wissen
Wem wird da überhaupt
Spionage vorgeworfen?
Laut Verteidigungsministerium wurde nach dem Tipp eines Nachrichtendienstes ein 70 Jahre alter Offizier aus Salzburg ausgeforscht, der vor fünf Jahren pensioniert wurde. Er soll seit den 1990ern für die Russen spionieren.
Welche Beweise liegen bis jetzt vor?
In ersten Gesprächen soll der Pensionist ein Geständnis abgelegt haben. Er soll zuvor noch versucht haben, belastendes Material zu vernichten. Sichergestellt wurden ein Laptop und technische Ausrüstung, die ihm die Russen zur Verfügung gestellt haben sollen – darunter etwa ein UKW-Radio, mit dem er verschlüsselte Nachrichten empfangen konnte.
Welche Informationen wurden weitergegeben?
Laut Verteidigungsminister Kunasek waren vor allem Waffensysteme, die Migrationssituation und Persönlichkeitsprofile von Interesse. Nach ersten Einschätzungen gab der Spion aber nur weiter, was ihm in seinem Bereich zur Verfügung stand – nichts „streng Geheimes“.
Was droht dem Spion nun?
Die Staatsanwaltschaft Salzburg ermittelt wegen „Verrats von Staatsgeheimnissen“ – darauf stehen ein bis zehn Jahre Haft.