BVT-U-Ausschuss: Brisantes Thema Amtsverschwiegenheit
Die für die Verfassungsschutz-Affäre zuständige Staatsanwältin Ursula Schmudermayer ist zum zweiten Mal im Untersuchungsausschuss befragt worden. Bekannt wurde dabei, dass die Razzia im BVT auch einen "Zufallsfund" zutage förderte. Außerdem gab es eine Premiere: erstmals wurde ein Teil der Befragung "geheim" durchgeführt, weil besonders geschützte Unterlagen besprochen wurden.
Geklärt werden sollte in der geheimen Sitzung eine zwar formale Frage, die aber für das weitere Strafverfahren relevant sein könnte. ÖVP und NEOS gehen nämlich davon aus, dass die vom Innenministerium vermittelten Belastungszeugen nicht ordnungsgemäß von der Amtsverschwiegenheit entbunden wurden. Schmudermayer wies das zurück. Sollte es stimmen, wären die Aussagen - die ja erst zur Hausdurchsuchung im Verfassungsschutz führten - per Gesetz nichtig.
Laut Strafprozessordnung (Paragraf 155) dürfen Beamte über Umstände, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen, nämlich nur befragt werden, wenn sie zuvor von der Verschwiegenheit entbunden wurden. Zumindest die schriftliche Bestätigung dieser Freigabe erfolgte im Fall der vier vom Ministerium vermittelten Zeugen aber nur nach den ersten Befragungen. Strittig ist nun, ob vorab eine mündliche Freigabe vorlag. Schmudermayer sagt ja, ÖVP-Fraktionschef Werner Amon ging davon aus, mit dem Ausschuss vorliegenden geheimen E-Mails das Gegenteil beweisen zu können.
Im Übrigen enthalte die Strafprozessordnung (Par. 78) ja auch eine Anzeigepflicht für Beamte, wenn ihnen rechtswidrige Tatsachen bekannt werden: "Die Amtsverschwiegenheit dient nicht dazu, die Aufklärung von Straftaten zu verhindern."
FP-Fraktionschef Hans-Jörg Jenewein ließ sich von Schmudermayer bestätigen, dass die Hausdurchsuchung im BVT auch zu "Zufallsfunden" geführt hat. Allerdings nicht, wie Jenewein vermutete, im Zusammenhang mit Mobbing und sexueller Belästigung. Vielmehr wurden bei einem Beschuldigten Fotos gefunden, wegen denen die Staatsanwaltschaft Wien gebeten wurde, den Verdacht der Verhetzung und der NS-Wiederbetätigung zu klären.
Pilz: Preiszler war formal nicht Leiter der Spezialeinheit
Von Peter Pilz wurde die Staatsanwältin darauf hingewiesen, dass der Einsatzleiter bei der Razzia, der FP-Kommunalpolitiker Wolfgang Preiszler, formal gar nicht Chef der damit betrauten Polizeitruppe EGS ist, sondern der Vorgesetzte des EGS-Leiters. Was Schmudermayer nach eigenen Angaben zwar nicht wusste und meinte, wenn ihr das absichtlich falsch gesagt wurde, wäre das wohl eine Täuschung gewesen, aber: "Die Frage ist, ob diese Täuschung inhaltlich für mich relevant ist."
Extremismusreferatsleiterin sah BVT-Razzia als "Tag X"
Am Vormittag wurde die Leiterin des Extremismusreferats im BVT befragt. Bekannt wurde Sybille G., weil bei der Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz wahllos Datenträger in ihrem Büro beschlagnahmt wurden - darunter auch Unterlagen über Ermittlungen gegen Rechtsextreme. Und das, obwohl sie im Verfahren nur Zeugin und nicht Beschuldigte ist.
In ihrem Hausdurchsuchungsprotokoll behauptet die Ermittlerin, dass sie bedroht worden sei und man ihr geraten habe, gleich in Pension zu gehen, sonst würde man dienstrechtlich etwas gegen sie finden. Zuletzt war außerdem bekannt geworden, dass Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber versucht haben soll, von G. zu erfahren, ob und gegen welche Burschenschaften ermittelt wurde.
Sybille G. hat die Hausdurchsuchung im BVT "als Drohgebärde, als Muskelspiel" empfunden. "Irgendwer wollte Aufsehen erregen", meinte sie bei ihrem selbstbewussten, durchaus launigen Auftritt am Donnerstag im Untersuchungsausschuss. "Für mich war das wirklich eine Show." Die Razzia sei außerhalb der Norm gewesen, sagte Sybille G.
Die Beamten der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS), die die Hausdurchsuchung durchführten, seien zudem nicht ausreichend "sicherheitsüberprüft". Die Chefermittlerin erinnerte daran, dass in ihrem Büro heikle Daten gelagert sind. Die EGS-Beamten hätten die physischen Akten in ihrem Büro allein gesichtet - ohne Staatsanwältin oder IT-Beamte.
G.s Eindruck sei schon damals gewesen: "Jetzt ist der Tag X, von dem in der Szene immer geredet wird - wenn sie an die Macht kommen, dann hängen sie als erstes die Staatspolizei auf und als nächstes kommt die Justiz dran." Das sei ihr erster Gedanke gewesen.
Hausdurchsuchung eher "Showprogramm"
Die FPÖ-Abgeordnete Petra Steger fragte nach, ob G. den Eindruck hat, es sei bei der Hausdurchsuchung vor allem um die Mitnahme von Extremismusdaten gegangen. "Nein, das glaube ich nicht", es habe sich eher um ein "Showprogramm" gehandelt, bekräftigte sie. Steger war auch bemüht, den Eindruck zu zerstreuen, dass mit der EGS - deren Leiter FPÖ-Mitglied ist - eine "blaue Truppe" im BVT einmarschiert ist. Die politische Gesinnung ihrer Kollegen sei ihr egal, erklärte G., sie habe keine Befindlichkeiten gegenüber der EGS - "ob die dort alle blau sind, entzieht sich meiner Kenntnis".
SPÖ-Mandatarin Sabine Schatz sprach die Zeugenaussage ihres ehemaligen Vorgesetzten W. an, einem der zentralen Belastungszeugen im BVT-Verfahren. G. wies dessen Darstellung zurück, wonach sie sich sinngemäß fast nur mit Rechtsextremismus, aber kaum mit Linksextremismus befasse. "Man hat mich verkauft", meinte sie stattdessen, damit die aktuelle Führung im Innenministerium "aufspringt auf mich" und W. irgendwelche Vorteile dadurch habe. In einem E-Mail an die Staatsanwaltschaft im April hatte G. auch über eine "Hetzjagd" gegen sie geklagt.
Kardeis soll G. Pension nahegelegt haben
Spannend wurde es auch, als G. darüber aussagte, von wem ihr, wie berichtet, der Gang in die Pension nahegelegt wurde. Die Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, soll die Extremismus-Chefermittlerin im Mai zur freiwilligen Pensionierung gedrängt haben. Außerdem habe Kardeis sie aufgefordert, ihre "Frontalangriffe" gegen Generalsekretär Peter Goldgruber zu unterlassen, sagte Sybille G.
Die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper wollte von der langjährigen Beamtin wissen, von wem die Aufforderung gekommen ist. "Das war die Frau Generaldirektorin", sagte G. Kardeis habe sie nach Ostern zu sich gebeten und gesagt, "die wollen dich loswerden". "Das wird ganz brutal werden", habe Kardeis gemeint und dann als "sanftere Methode" die freiwillige Pensionierung vorgeschlagen. G. hatte nach der Razzia eine Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung eingebracht und das aus ihrer Sicht fahrlässige Vorgehen dabei kritisiert. "Ich nehme an, dass das der Hintergrund der Aussage war", so die Beamtin.
Aus dem Innenministerium gibt es vorerst keine Stellungnahme zur Aussage von G., sie sei von der Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit zur Pensionierung gedrängt worden. Kardeis sei selbst als Auskunftsperson in den Ausschuss geladen - und werde dort am 27. November Stellung nehmen, hieß es auf Anfrage der APA.
Ein Ultimatum von höherer Stelle
Die Extremismus-Referatsleiterin gab an, Generaldirektorin Kardeis habe es wohl gut gemeint und sie habe das nicht als Drohung empfunden. Aber sie habe die Aussagen durchaus als Ultimatum von höherer Stelle gewertet. Wer hinter dem Ultimatum stand, habe sie nicht nachgefragt, so Sybille G. in der Befragung durch Peter Pilz.
Allerdings habe G. ihre Pensionierung abgelehnt. "Ich habe gesagt, ich gehe sicher nicht freiwillig in Pension. Schon gar nicht in dieser Phase, weil dann heißt es, irgendwas wird schon gestimmt haben und ich bin nicht der Sündenbock für andere", sagte die Referatsleiterin, die im BVT-Verfahren nicht als Beschuldigte, sondern als Zeugin geführt wird.
Einladung "except Austria"
Schon zuvor hatte die Beamtin mit der Schilderung aufhorchen lassen, wie das Misstrauen der internationalen Partner die Arbeit im Verfassungsschutz beeinträchtigt hat. So schilderte sie, dass Mitarbeiter eine geplante Dienstreise zu einer Tagung über die rechtsradikale "Identitäre Bewegung" zwei Stunden vor dem geplanten Abflug wieder absagen mussten. Und in einem weiteren Fall sei eine Einladung zu einer Fachtagung explizit an alle Partner "except Austria" ergangen.
Auf die Frage der FP-Abgeordneten Petra Steger meinte Sybille G., dass möglicherweise nicht nur die Hausdurchsuchung das Vertrauen der ausländischen Partner beeinträchtigt habe, sondern auch andere Entwicklungen. "Ich weiß, dass sie die politische Entwicklung in Österreich kritisch beobachten." Ob die Regierungsbeteiligung der FPÖ mit ihrer bekannten Nähe zur russischen Regierung das Vertrauen getrübt haben könnte, wollte Krisper wissen. Antwort: "Ja, das kann sein."
Sie gehe allerdings davon aus, dass es dem Bundesamt gelingen werde, die Vertrauensbasis in geraumer Zeit wieder zu verbessern, betonte Sybille G.: "Der Direktor Gridling reißt sich einen Haxen aus, dass er das wieder in den Griff kriegt."
Datenforensiker wusste nicht, um welchen Akt es ging
Wenig ergiebig war am Nachmittag die Befragung des privaten IT-Dienstleisters und Datenforensikers Andreas W. Der Zeuge war im Auftrag der Staatsanwaltschaft bei der umstrittenen Razzia dabei. Dabei suchte er nach einem Akt, dessen Namen er nicht kannte, wie er im Ausschuss angab. Er sei deshalb nach dem Ausschlussprinzip vorgegangen.
Der Datenforensiker erklärte, am Abend vor der Hausdurchsuchung, die am 28. Februar stattfand, von der Staatsanwaltschaft beauftragt worden zu sein. Er trieb dafür auch noch kurzfristig zwei seiner Mitarbeiter auf. Dass es ums Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ging, habe er erst am Tag des Einsatzes in der Früh erfahren. Eingeteilt war er an der Privatadresse eines IT-Spezialisten des BVT.
Worum es inhaltlich ging, sei bei einer Einsatzbesprechung grob thematisiert worden: Einerseits sei man auf der Suche nach einem Akt gewesen, der eigentlich vernichtet hätte werden sollen - um was es konkret ging, wusste er nicht. "Sie suchen nach einem Akt, von dem Sie gar nicht wissen, wie er heißt?", wollte der Verfahrensrichter wissen. "Genau." Er habe erst später über die Medien erfahren, um welchen Akt es sich handelte (jenen des Rechtsanwalts Gabriel Lansky, Anm.). Zweiter Teil sei der Aspekt mit den nordkoreanischen Pässen gewesen.
Der Datenforensiker sollte die Unterlagen qualifizieren, die Sicherstellung sei durch die Polizei erfolgt. Auf der Suche nach dem Akt sei er nach dem "Ausschlussverfahren" vorgegangen. Er habe nur die privaten Daten ausgeschlossen, "alles andere war für mich relevant". Der BVT-Beamte sei kooperativ gewesen, und wenn er plausibel erklären konnte, dass es sich um Daten zu seiner privaten Firma handelt, habe er mit dem Staatsanwalt Rücksprache gehalten. Rund 30 Prozent der Datenträger seien mitgenommen worden. Der Einsatz von ihm und seinen zwei Kollegen kostete 7.900 Euro.
Nächste Woche zwei Sitzungen
Die Befragungen im U-Ausschuss sind am Donnerstag nach gut neuneinhalb Stunden beendet worden. Nächste Woche gibt es wieder zwei Sitzungen, am Dienstag und Mittwoch sollen jene Zeugen aussagen, die der Staatsanwaltschaft vom Innenministerium bereitgestellt wurden. Ihre Angaben führten schließlich zur umstrittenen Razzia im Verfassungsschutz. Ebenfalls Rede und Antwort stehen muss Rechtsanwalt Gabriel Lansky - er ist insofern in die Causa involviert, als einer der zentralen Vorwürfe gegen das BVT lautet, dass Beamte Daten seiner Kanzlei nicht wie vorgeschrieben zurückgegeben bzw. gelöscht, sondern diese weiterverwendet haben sollen. Auch der frühere BVT-Direktor Gert-René Polli muss in den Ausschuss kommen, er arbeitet nun wieder im mittlerweile FPÖ-geführten Innenressort.