Politik/Inland

Schieder warnt vor Salvini & Co: "Europa darf nicht Trump werden"

Es war ein Start, den man keinem frisch gekürten Spitzenkandidaten wünscht – ausgerechnet mit einem blauen Auge die Antrittsrede zur EU-Kandidatur abspulen zu müssen. Andreas Schieder sorgte jedenfalls am zweiten Tag des SPÖ-Parteitages für launige Assoziationen. „Ich könnte jetzt sagen, es war ein Bike-Unfall, aber ich war schneller als die Tür“, erklärte der SPÖ-EU-Spitzenkandidat sein ramponiertes Auftreten. Und setzte ironisch nach: „Jetzt weiß ich, dass Schminke das halbe Leben ist“. Erst die Visagistin hatte Schieder bühnentauglich gemacht.

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Stück Stacheldraht

Am zweiten Tag des SPÖ-Parteitages in Wels waren die Reihen deutlich luftiger besetzt, vielleicht weil die EU-Wahl auf dem Programm stand. Mitgebracht hatte Schieder ein Stück Stacheldraht aus dem Jahr 1989, als der Eiserne Vorhang fiel. Damals war der Traum vom neuen Europa „endlich Freiheit für die Menschen in Osteuropa“, startete Schieder seine Rede. Aber heute, sei die Gesellschaft „gespaltener als je zuvor, die Armen werden ärmer und die Reichen immer reicher“.

Warnung vor Nationalismus

Wenig überraschend warnte Schieder vor dem Nationalismus und setzte in diesem Punkt gleich zur einer Attacke gegen ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz an, den er in einem Atemzug mit den bekanntesten Rechtspopulisten Europas nannte: „Die Salvinis, Orbáns, Le Pens, Straches und Kurz spalten das gemeinsame Europa.“

Soziale Gerechtigkeit wird die rote Botschaft im EU-Wahlkampf bis zum 26. Mai 2019 sein. Kein Sozialdumping mehr, dafür sollen Konzernriesen wie Google, Apple oder Starbucks, die vor der Steuer flüchten, an die Kandare genommen werden. „Dieselben Konzerne und Superreichen verhindern faire Arbeitsbedingungen und drücken die Löhne.“ Er warnte davor, dass „Europa nicht Trump werden darf“.

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„Keine Spindoktoren“

Überraschend viel Selbstkritik übte Schieder. Die Ursache für die Krise der SPÖ analysierte der rote EU-Spitzenkandidat so: „Viele fühlen sich im Stich gelassen, weil wir uns viel zu lange mit uns selbst beschäftigt haben. Wenn wir so weiter machen, werden sie uns nicht mehr wählen – und das zu recht.“

Es war auch eine Rückbesinnung auf die rote Basis, um die sich die SPÖ-Spitze oftmals zu wenig gekümmert hatte. Die Mobilisierung der Basis ist bei der EU-Wahl, wo nur rund jeder zweite Wahlberechtigte wählt, dringend notwendig. „Wir brauchen keine Spindoktoren. Wir brauchen Euch“, war Schieders Botschaft. Er versprach, dass er ein offenes Ohr haben werde. „Es ist ein Startschuss zum Zuhören.“ Letztlich wurde Schieder mit 91,8 Prozent der abgegebenen Stimmen als EU-Spitzenkandidat abgesegnet.

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Luca Kaiser streut Rosen

Die EU-Spitzenkandidatenwahl war wenige Woche zuvor von einer sehr emotionalen Diskussion über die Listenplatzbesetzung von Luca Kaiser, dem Sohn von Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, dominiert. Zur Erinnerung: Als Kärntner Spitzenkandidat sollte der junge Kaiser auf Platz sechs der Bundesliste in die EU-Wahl geschickt werden. Das brachte der Partei den Vorwurf des Nepotismus ein. Aus dem Kärntner Plan wurde nichts.

Luca Kaiser wurde nach dem Beschluss der SPÖ-Spitzen nur auf den aussichtslosen neunten EU-Wahllistenplatz gesetzt. SJ-Chefin Julia Herr erhielt den Vorzug. Vater Kaiser war sehr erzürnt über diese Entscheidung.

Geste der Versöhnung

Nach dem Zerwürfnis setzte Luca Kaiser nun eine Geste der Versöhnung. In Richtung Herr sagte er in seiner Rede: „Julia, ich bin stolz und froh, dass Du ins EU-Parlament kommen wirst. Ich bin froh, dass wir Vorbild sind für die Partei, weil wir gemeinsam für die Sache kämpfen und nicht für Listenplätze.“

Dissonanzen gab es rund um das neue Parteistatut, das weniger Mitsprache für die Basis bringt als ursprünglich geplant. Das passte den Jugendorganisationen gar nicht. Geschlossen beantragten sie, dass Koalitionspakte verpflichtend einer Abstimmung der Basis unterzogen werden. Ursprünglich war das ja auch so vorgesehen. Beim Parteitag blieb der Jugend-Antrag relativ knapp in der Minderheit.