Runder Tisch: Ringen um das Einwegpfand
Auf hitzige Diskussionen ist man im Klimaministerium eingestellt. Denn heute, Dienstag, um 11.30 Uhr treffen auf Einladung von Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Staatssekretär Magnus Brunner (ÖVP) rund 40 Vertreter von NGOs, der Abfallwirtschaft, des Handels sowie Experten für Kreislaufwirtschaft aufeinander, um "Möglichkeiten zur Vermeidung von Plastikmüll und zur Erreichung der EU-Plastiksammelziele" zu diskutieren, wie es in der offiziellen Einladung heißt.
Das eigentliche Thema heißt aber Einwegpfand. Ein solches Pfand auf PET-Getränkeflaschen wird nicht nur von 83 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher befürwortet. Auch Experten, Umweltschützer und kommunale Abfallwirtschaftsverbände betrachten es als effizienteste und kostengünstigste Lösung im Kampf gegen den Plastikmüll.
Eindeutiges Ergebnis
Gestützt wird diese Position von einer Studie, die von Gewesslers Vorgängerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) in Auftrag gegeben und von Gewessler im Jänner veröffentlicht wurde.
Die Aufgabe der Autoren war es, verschiedene Varianten zur Erreichung der in der Einwegplastik-Richtlinie festgeschriebenen EU-Ziele zu analysieren. Diese schreibt unter anderem fest, dass die Mitgliedstaaten bis 2029 90 Prozent der in Umlauf gebrachten PET-Flaschen getrennt sammeln müssen. In Österreich liegt diese Quote aktuell je nach Schätzung zwischen 70 und 76 Prozent.
Das Ergebnis der Studie: Ein Pfandsystem sei "die einzige realistische Maßnahme“, die 90-Prozent-Quote zu erreichen. Bonus: Das Pfand habe auch den größten Effekt auf das Problem des Littering, also des achtlosen Wegwerfens von Müll. Die anderen geprüften Maßnahmen wie die zusätzliche Nachsortierung des Hausmülls wären deutlich ineffizienter und teurer.
Zusätzlich, so das Ergebnis eines weiteren Gutachtens, entspräche eine solche Nachsortierung nicht dem EU-Recht, wie Lena Steger, Ressourcenexpertin der NGO Global 2000, im Februar nach Erscheinen des Papiers zum KURIER sagte.
Gegen-Lobby
Handelsverband, Wirtschaftskammer und Österreichs größter Abfallverwerter, die Altstoff Recycling Austria AG (ARA) - parteipolitisch betrachtet Türkis zuzurechnen - wehren sich jedoch nach Kräften gegen die Einführung eines Einwegpfands und zweifeln auch die besagten Studien an. Während der Handel Mehraufwand und damit zusätzliche Kosten für die Sammlung der Flaschen fürchtet, argumentiert die ARA, das Pfand wäre ungeeignet, die EU-Ziele zu erreichen.
Umweltschützer vermuten freilich vielmehr handfeste wirtschaftliche Interessen hinter dem Vorgehen der ARA, verdiene die doch momentan gutes Geld mit der Sammlung und Verwertung der PET-Flaschen.
Schritt für Schritt
Im Klimaministerium erwartet man folglich schwierige Verhandlungen. Wobei das Ziel des Runden Tisches gar nicht die Einigung auf Pfand oder nicht Pfand sei, wie es im Vorfeld aus dem Ministerium gegenüber dem KURIER hieß. Vielmehr gehe es vorerst einmal darum, die Fakten außer Streit zu stellen und klarzustellen, dass die Zeit drängt, denn: "Wir müssen bald eine Entscheidung treffen."
Dass das Grüne Ministerium die Pfandlösung bevorzugt, liegt dabei auf der Hand. Ministerin Gewessler war vor ihrem Wechsel in die Bundesregierung Geschäftsführerin von Global 2000 und bereits im Februar hieß es auf KURIER-Anfrage aus dem Ressort, "dass ein Pfandsystem die im internationalen Vergleich kostengünstigste mögliche Maßnahme zur Erreichung der Ziele der Richtlinie wäre“.
Doch auch aus der ÖVP gibt es Unterstützung für die Pfandlösung. Im Vorfeld des Runden Tischs ließ etwa Anton Kasser, türkiser Bürgermeister von Allhartsberg (Bezirk Amstetten) und Präsident der kommunalen Abfallwirtschaftsverbände, mit einem deutlichen Statement aufhorchen. "Die anhaltende Zustimmung zum Einwegpfand in der Bevölkerung ist unser Gradmesser und Auftrag", so Kasser. Österreich solle sich dem europaweiten Trend nicht verschließen und ein Pfand einführen.
Er fordere daher "nochmals eindringlich alle Partner der Abfallwirtschaft auf, sich für die Interessen der Bevölkerung, der Umwelt und auch der Wirtschaft einzusetzen", so Kasser. Ein Pfandsystem sei "sowohl ökonomisch, als auch ökologisch, die beste Lösung für Österreich, für unsere Kommunen und die Wirtschaft."
Entscheidung bis Ende 2020
Die Fronten sind also geklärt. Jetzt liegt es an Gewessler und Brunner, einen Dialog in Gang zu setzen. Der weitere Fahrplan steht jedenfalls bereits in groben Zügen.So sollen die verschiedenen Stakeholder nach dem Runden Tisch in Arbeitsgruppen weiter diskutieren, um etwa auch die Getränkeproduzenten einzubinden.
Zusätzlich wird Gewessler eine Umsetzungsstudie in Auftrag geben, hieß es aus dem Ministerium. Diese soll die verschiedenen Möglichkeiten, ein Einwegpfand organisatorisch, aber auch finanziell umzusetzen, ausloten. Das Ziel sei es, bis zum Ende des Jahres eine Entscheidung zu fällen.
Mehr Mehrweg
Zu guter Letzt kann aber auch ein Pfandsystem nur ein Teil einer umfassenden Müllvermeidungsstrategie sein. Das betont auch der WWF: Es brauche nicht nur ein Einwegpfand, sondern auch "verpflichtende Reduktionsziele und effiziente Mehrwegsysteme, um insgesamt Ressourcen zu sparen und so unsere Natur und unser Klima zu schützen“, sagt WWF-Klimaexpertin Elisa Gramlich.
Die SPÖ stößt ins selbe Horn: "Es ist fünf vor zwölf, es braucht jetzt nach Jahrzehnten ÖVP-Gemurxe ein rasches und entschlossenes Handeln der grünen Umweltministerin“, verlangt Umweltsprecherin Julia Herr.
Gemeinsam mit Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima fordert sie in einer Aussendung noch vor dem Sommer einen Vorschlag für verpflichtende Mehrwegquoten kombiniert mit einem modernen Einwegpfandsystem. Mehrweg müsse stufenweise wieder die Norm werden, so die SPÖ-Politikerinnen.