Politik/Inland

Rote Personalnot in Salzburg

Während in Salzburg intensiv recherchiert wird, wie hoch der Schaden des Finanzskandals tatsächlich ist, hat sich Bundeskanzler Werner Faymann am Sonntag demonstrativ hinter Landeshauptfrau Gabi Burgstaller gestellt – und die ÖVP kritisiert.

Wenn die ÖVP glaube, nun die Landeshauptfrau „schnell wegzubringen“ und „politisches Kleingeld“ wechseln zu müssen, werde sie „sich täuschen“, sagte der SPÖ-Chef in der ORF-Pressestunde. Faymann verwies darauf, dass die Spekulationen „unter einem ÖVP-Landesrat“ begonnen hätten. Ob Burgstaller bei der Landtagswahl im Frühjahr als Spitzenkandidatin ins Rennen gehen wird, ließ sie offen. Faymann sagte gestern, er „hoffe sehr“, dass sie antrete.

Das liegt wohl auch daran, dass es an Alternativen mangelt. Der bis vor Kurzem als Kronprinz gehandelte Finanzlandesrat David Brenner tritt bekanntlich ab. Die beiden übrigen roten Regierungsmitglieder, Wohnbaulandesrat Walter Blachfellner und Gesundheitslandesrat Walter Steidl, gelten nicht als potenzielle Zugpferde für die Wahl. Und auch Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden steht nicht zur Verfügung. Daher gehen Insider davon aus, dass Burgstaller Frontfrau bleiben wird – es sei denn, sie kommt durch neue Details in der Spekulationsaffäre noch stärker unter Druck. Sollte Burgstaller zurücktreten, ist von einem „Schnitt“ die Rede. Dann würde die SPÖ mit einem jungen Team aus engagierten Bürgermeistern in die Wahl gehen, heißt es.

Nicht nur Burgstaller, auch der Leiter der Abteilung für Finanz- und Vermögensverwaltung, Eduard Paulus, steht im Fokus. Die SPÖ sagt, für etwaige disziplinäre Schritte sei ÖVP-Landesrat Sepp Eisl zuständig. Dieser erklärt, dafür müssten Brenner und Burgstaller eine „begründete Disziplinaranzeige“ vorlegen. Paulus hat unterdessen seine Funktion als Präsident der Offiziersgesellschaft ruhend gestellt.

Ja zur Pröll-Forderung

Auf Bundesebene geht die Debatte über neue Regeln für die Veranlagung von öffentlichen Geldern weiter. Faymann sagte gestern erneut, der Bund müsse Einsicht in die Länder-Finanzen bekommen.

Zur Forderung von Landeshauptmann Erwin Pröll im Sonntag-KURIER, dass die Länder im Gegenzug auch den Bund kontrollieren sollen, sagte Faymann: „Ich habe nichts zu verbergen.“

Unklar ist unterdessen, warum Salzburg 1,8 Milliarden Euro bei der Bundesfinanzierungsagentur aufgenommen hat, bei einem Schuldenstand von rund 770 Millionen Euro. Das ist wesentlich mehr als alle anderen Bundesländer.

Es war ein ungewöhnlicher Auftritt, den politische Beobachter am Mittwoch im Salzburger Landtag zu sehen bekamen. Der sonst so ruhig und oft spröde wirkende ÖVP-Chef Wilfried Haslauer stand mit hochrotem Kopf hinter dem Rednerpult und attackierte die SPÖ frontal. „Ich will nicht länger Teil einer Regierung Burgstaller/Brenner sein“, polterte er in Richtung Koalitionspartner; baldige Neuwahlen seien der einzige Ausweg.

Der 56-Jährige will es offenbar wissen. Neun Jahre lang musste sich Wilfried Haslauer mit der Rolle des Landeshauptmann-Stellvertreters begnügen. Neun Jahre lang musste er miterleben, wie Gabi Burgstaller ihn bei gemeinsamen Auftritten blass aussehen ließ. Neun Jahre lang musste er sich den Vergleich mit seinem Vater, dem legendären Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer senior (1992) gefallen lassen, der das Land von 1977 bis 1989 regierte, zuletzt sogar mit absoluter Mehrheit: ein großer Schwarzer, begnadeter Redner, voller Leidenschaft für Kultur – und Cognac.

Nun will auch der Junior in die erste Reihe aufrücken.

Dabei war Haslauer ein politischer Spätstarter. Nach seinem Jus-Studium arbeitete er 19 Jahre lang als selbstständiger Rechtsanwalt in Salzburg. Im Jahr 2004 zauberte der damalige ÖVP-Landeshauptmann Franz Schausberger den Juristen mit dem prominenten Namen kurz vor der Landtagswahl als seinen Wunschnachfolger aus dem Hut. Die Wahl ging dennoch desaströs verloren. Schausberger nahm den Hut, Burgstaller zog in den Regierungssitz im Chiemseehof ein und Haslauer rückte zur Nummer eins in der ÖVP auf. In den folgenden Jahren gelang es Haslauer zwar, die bei seinem Antritt stark gespaltene Partei zu einigen – gegen die Sympathiewerte von Landesmama Gabi Burgstaller fand er aber bei der Wahl 2009 kein Rezept.

„Mann der Inhalte“

Als Showman eignet sich der 56-Jährige nicht. Zu sehr haftet ihm das Image an, „unnahbar“ zu sein; ein harter Arbeiter und guter Sachpolitiker – aber ein Bier würde man lieber mit Gabi Burgstaller trinken. Dabei beschreiben ihn Freunde als eloquent und humorvoll, mit einem Hang zur Selbstironie. Auch die oft gehörte „konservative Weltanschauung“ Haslauers dürfte dieser selbst nicht so streng auslegen: Nach zwei Ehen lebt er in einer neuen Partnerschaft und hat vier Kinder.

Immer wieder forderte der Salzburger, dass die Politik nicht auf die nächsten Wahlen schielen solle. Genau dieses Credo scheint Haslauer verlassen zu haben: Ausgerechnet seine ÖVP stellte sich im Oktober 2012 plötzlich gegen ein Kraftwerksprojekt im Lungau – und bekam dafür Applaus vom kleinformatigen Boulevard. Im kommenden Wahlkampf dürfte das kein Nachteil sein.

Das Finanzdebakel war für Haslauer nun der ideale Anlass, die Koalition zu sprengen, um endlich den Landeshauptmann-Thron zu erobern. Die Chancen stehen so gut wie nie zuvor: Laut einer Umfrage der SN würden derzeit 36 Prozent die ÖVP wählen, die SPÖ 33 Prozent.