Politik/Inland

Pamela Rendi-Wagner: Rote Frontfrau gibt nicht klein bei

Angezählt war Pamela Rendi-Wagner in ihrer Karriere als Parteivorsitzende schon öfter. Diverse Wahlniederlagen, parteiinterne Scharmützel oder schmerzliche Parteitagsergebnisse haben die 51-jährige Medizinerin zwar ins Wanken gebracht. Nach wie vor steht sie aber an der Spitze der SPÖ. Mit dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hat sie nun erstmals einen Gegner, der tatsächlich zum KO-Schlag ansetzen könnte.

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An Gründen für einen Rückzug hätte es bisher nicht gefehlt. Eine krachende Niederlage bei der von der SPÖ mit erzwungenen Nationalratswahl hat den Traum von der ersten roten Kanzlerin zunächst in die Ferne rücken lassen. Schwache EU-Wahlen und reihenweise verlorene oder zumindest enttäuschende Landtagswahlen gaben auch nicht unbedingt Grund zur Freude - dort wo die SPÖ gut abschnitt, war entweder der parteiinterne Gegner am Werk (Burgenland) oder zumindest eine Person für den Erfolg verantwortlich, die eindeutig nicht Rendi-Wagner war (Wien).

Spätestens nach einem Parteitagsergebnis von 75 Prozent hätten andere den Abgang entschieden bzw. den gesichtswahrenden Transfer auf eine andere Position suchen lassen. Rendi-Wagner tat etwas anderes: Sie moderierte sämtliche Querschüsse von Neusiedlersee bis Achensee weg, inszenierte sich vor allem in der Corona-Pandemie als fachkundige Expertin und punktete damit zunächst durchaus - bis vor kurzem war der Traum von der ersten SPÖ-Kanzlerin dann doch wieder nicht so weit hergeholt.

Warum sie das sein möchte, erschließt sich ähnlich wie dereinst bei Sebastian Kurz aber inhaltlich nur bedingt. Größere Visionen verbreitet sie nicht, vielmehr referiert sie mittlerweile seit Jahren ein Best-of der Forderungen von Gewerkschaft und Arbeiterkammer. Auch wenn die anfängliche Unsicherheit in so manchem Themenfeld mittlerweile Geschichte ist, wirkte die Impfmedizinerin nur in der Pandemie so richtig sattelfest. Dass Rendi-Wagner außenpolitische Sprecherin ihrer Partei ist, wissen wirklich nur Insider.

Vorgeworfen wird der Parteichefin seit jeher, dass sie übercoacht ist, nicht natürlich über die Medien kommt, auch dass sie zu wenig Stallgeruch hat - trat sie, die im Favoritner Gemeindebau Per-Albin-Hansson-Siedlung aufwuchs, doch erst zwei Jahre, bevor sie im Chaos um den Rücktritt von Christian Kern an die Spitze gespült wurde, der SPÖ bei. Tatsächlich kannte man davor eine ganz andere Rendi-Wagner, als sie noch als Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit der heimliche Star des zuständigen Ressorts und ob ihrer Souveränität bei öffentlichen Auftritten nicht nur erklärter Medien-Liebling war.

Der frühe Tod von Sabine Oberhauser brachte die politische Quereinsteigerin Rendi-Wagner dann an die Spitze des Ministeriums, viel bewegen konnte sie dort nicht mehr, alleine deshalb, weil Sebastian Kurz der Koalition recht rasch den Garaus machte. Die Partei meinte trotzdem, ein Talent zu erkennen, gab ihr einen prominenten Listenplatz und ließ sie - auch angesichts einer gewissen Personalverlegenheit - 2018 die Spitze der Sozialdemokratie erklimmen.

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Wenig danach wankte die SPÖ schlecht vorbereitet in das schlechteste Nationalratswahl-Ergebnis ihrer Geschichte, was Rendi-Wagner mit dem legendären Spruch "Die Richtung stimmt" auch noch garnierte. Eigentlich schien ihre Zeit damit schon abgelaufen, doch sie besitzt eine machtpolitische Kunst, die selbst manchem Berufspolitiker fehlt. Rendi-Wagner sucht sich die Verbündeten an den richtigen Hebeln. Die mit allen Wassern gewaschene Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) wurde ihr politischer Schutzengel, Bürgermeister Michael Ludwig verdonnerte seine Wiener Stadtpartei hinter Rendi-Wagner und die Gewerkschaft goutierte, in allen inhaltlichen wie personellen Fragen bei der Chefin Gehör zu finden.

Mit dieser mächtigen Rückendeckung zieht die SPÖ-Vorsitzende nun ins nächste Gefecht, das nicht das letzte sein muss. Zum Erstaunen des Publikums ging Rendi-Wagner just in einer burgenländischen Ruhephase und im Gefolge der nächsten schmerzhaften Wahl-Pleiten der Sozialdemokratie in die Offensive, griff Doskozil ungewöhnlich scharf öffentlich an und verkündete vor Selbstvertrauen strotzend ihre Bereitschaft zum Duell.

Dass dieser sich nun tatsächlich auf ein solches einlässt, war nicht unbedingt zu erwarten - und ob Doskozil ein solches auch ohne die Provokationen der letzten Tage gesucht hätte, weiß nur er selbst. Der Ausgang des Rennens ist dabei einigermaßen offen. Denn ob die Partei lieber den robusten Macher aus dem Burgenland an ihrer Spitze hat als die öffentlich meist freundliche, aber stets etwas distanzierte Amtsinhaberin, ist alles andere als gewiss. Und schließlich hat Rendi schon der ein oder andere Sturm nicht umgehauen.

Facharztausbildung in London

Zur Person: Joy Pamela Rendi-Wagner, geboren am 7. Mai 1971 in Wien, verheiratet mit dem Diplomaten Michael Rendi, zwei Töchter, 1996 Promotion an der Medizinischen Universität Wien, Facharztausbildung in London, wissenschaftliche Arbeit am Institut für Tropenmedizin der Med-Uni Wien, 2008 Habilitation, Gastprofessur an der Universität Tel Aviv, ab 1. März 2011 Sektionschefin und Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, ab 8. März 2017 Gesundheits- und Frauenministerin, seit der Regierungsbildung von ÖVP und FPÖ Abgeordnete zum Nationalrat und Gesundheitssprecherin der SPÖ. Seit 25. September 2018 Vorsitzende der SPÖ, zunächst geschäftsführend.