Politik/Inland

Sozialminister Rauch: "Situation ist extrem heikel"

Seit vier Monaten ist der gelernte Sozialarbeiter Johannes Rauch Minister für Soziales, Gesundheit, Konsumenten- und Tierschutz und damit in allen Krisen – von der Pandemie bis zur Teuerung – an vorderster Front.

Im Club 3 von KURIER, Kronenzeitung und Profil spricht er über die Kritik von Wirtschaftskammerboss Harald Mahrer, warum Österreich ein Image-Problem hat und wieso er pandemiebedingte Schulschließungen de facto ausschließt.

Johannes Rauch über die von der ÖVP-FPÖ-Regierung versprochene „Patientenmilliarde“, die die Fusion der Krankenkassen bringen soll

Ich habe sie nicht gefunden, sie ist nicht vorhanden.

… über Kosten und Herausforderungen im Pflegebereich

Das Geld ist die eine Sache. Die viel schwierigere Frage wird sein: Wie gelingt es uns, das Personal zu bekommen? Wir brauchen bis 2030 rund 80.000 Pflegekräfte. Und hier wird es nicht reichen, dass wir uns in Österreich auf die Suche machen. Wir werden Zuwanderung brauchen, weil wir gar nicht die Kapazitäten an jungen Leuten haben, die in den Beruf gehen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass Österreich über 20 Jahre eine Abschottungspolitik betrieben hat, bei der alles, was von außen kommt, per se als fremd oder gefährlich deklariert worden ist. Wir haben als Standort Schwierigkeiten, weil sich Menschen überlegen: ‚Soll ich nach Österreich gehen, wo ich möglicherweise angepflaumt werde, weil ich fremd bin – oder gehe ich lieber wo anders hin, wo ich willkommen bin?‘ Wir haben ein Imageproblem.

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… über die Rolle von ÖVP und FPÖ beim „Imageproblem“

Den größten Anteil hat die FPÖ. Sie hat über Jahrzehnte eine Kultur etabliert, die ihresgleichen sucht. Sie war vollkommen irrational, permanent wurde alles in einen Topf geworfen, von der qualifizierten Zuwanderung, über die Flucht, das Asyl, bis zur Migration. So entstand eine Stimmung, in der es überhaupt nicht möglich ist, differenziert über das Thema zu sprechen. Die ÖVP hat das in der FPÖ-Koalition mit transportiert. Aber ich orte einen Wandel – auch, weil sich Verhältnisse und Weltlage komplett geändert haben.

… über die mittlerweile abgeschaffte Impfpflicht

Die Impfpflicht ist ein völlig untaugliches Mittel, um die Pandemie zu bekämpfen. Sie funktioniert nicht. Das ist ein Vorschlaghammer, mit dem ich nicht zurande komme. Hätte man die Impfpflicht auf einer anderen Basis eingeführt, etwa, indem man eine Volksabstimmung dazu macht, hätte es mit Sicherheit eine breite Mehrheit gegeben, und der Diskurs wäre ein anderer gewesen.

… über die Corona-Aussichten für den Herbst

Nach zwei Jahren Pandemie mit sehr großen Anstrengungen müssen wir einen Weg finden, der eine Balance schafft zwischen dem Schutz von vulnerablen Gruppen und möglichst viel Leben. Es ist nicht möglich, den permanenten Kriegszustand aufrechtzuerhalten. Das bedeutet zum Beispiel, dass Schulschließungen für mich nicht mehr infrage kommen. Die Kollateralschäden, die angerichtet werden oder worden sind, sind unglaublich. Kinder haben ein Bildungsjahr verloren, das sie nie wieder aufholen. Und das trifft zum wiederholten Male Familien, die sich private Nachhilfe nicht leisten können. Es geht bei Covid nicht nur um Gesundheit im Sinne der Abwesenheit einer körperlichen Erkrankung. Es geht auch darum, psychische Folgeschäden mitzudenken.

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… über Wirtschaftskammerboss Harald Mahrer, der die Politik in Sachen Energie und Teuerung scharf kritisiert

Das ist ein Ausmaß an Unverantwortlichkeit, das macht mich fassungslos. Putin, der den Krieg vom Zaun gebrochen hat, der verantwortlich ist für den Tod von Tausenden von Menschen, der Landraub begeht, diesem Mann jetzt wieder den roten Teppich ausrollen zu wollen, nur weil man meint, dann wirtschaftlich wieder am billigen Gas hängen zu können, das ist in einem Ausmaß absurd, wie ich es bislang nicht vernommen habe! Und das von einem Wirtschaftskammerpräsidenten, der uns in der Vergangenheit immer erklärt hat, dass die Grünen mit der Energiewende falsch liegen und dass sich das alles nicht ausgeht.

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… über die Teuerung – und was sie auslösen könnte

Die Situation ist extrem heikel, und ja: Sie wird zu Einschränkungen führen. Es muss gelingen, ein Mindestmaß an sozialem Zusammenhalt zu bewahren. Wenn uns die Krise um die Ohren fliegt, also wenn ein Drittel des Mittelstandes nicht weiß, wie es die Miete zahlen soll, dann sind die Leute auf der Straße. Deshalb muss man sagen: ‚Ja, wir kümmern uns drum! Wir wissen nicht genau, wie wir es im Herbst machen, aber wir tun unser Bestes!‘ Wenn uns die Sache um die Ohren fliegt, steht die Demokratie fundamental in Frage, und auch Dinge, die wir für sicher halten – wie Menschenrechte oder das staatliche Gewaltmonopol.

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