Rassismus-Report: Weniger Meldungen - aber was sind die Gründe?
1.302 Vorfälle mit rassistischem Motiv wurden im Vorjahr bei der Anti-Rassismus-Beratungsstelle ZARA gemeldet. Das ist ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahr (1.479) und nur noch halb so viel wie im Rekordjahr 2020 mit mehr als 3.000 Meldungen.
Man dürfe sich von diesen Zahlen aber nicht täuschen lassen, betonte ZARA-Geschäftsführerin Rita Isiba bei der Präsentation des Rassismus Reports am Mittwoch: Die Dunkelziffer sei hoch, viele Opfer - gerade Kinder und Jugendliche in der Schule - würden sich nicht trauen, solche Vorfälle zu melden, weil sie befürchten, dass sich die Situation dann noch verschlimmert, sagte sie.
Zudem fehle es an Ressourcen, erklärte Isiba: Die Beratungsstelle hat nur noch an zwei Tagen in der Woche geöffnet und kann nur dann Meldungen aufnehmen.
2020 lag die hohe Zahl wohl auch daran, dass das Thema durch die "Black Lives Matter"-Bewegung und den Tod von George Floyd durch Polizisten in den USA wieder stärker im öffentlichen Fokus war.
Zudem verlagerte sich das öffentliche Leben im ersten Corona-Jahr wegen der Lockdowns in den digitalen Bereich. 2020 gab es 2.148 Meldungen von rassistischen Kommentaren im Internet. Auch im Vorjahr, 2023, war der Online-Anteil mit 60 Prozent noch hoch.
Grünes Fettnäpfchen
ZARA erneuerte zudem seine Forderung nach einem Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus (NAP). Die türkis-grüne Regierung sei hier säumig, wurde am Mittwoch wieder betont.
Zeitgleich fand ein paar hundert Meter weiter das Ministerrats-Foyer statt. Als Sozialminister Johannes Rauch nach dem NAP gefragt wurde, erklärte er, dazu werde man in dieser Legislaturperiode "nicht mehr kommen" - und trat damit voll ins Fettnäpfchen.
Hängen blieb bei einigen Medien, dass der Grüne Sozialminister einen Anti-Rassismus-Plan absagt. Der NAP liegt aber gar nicht in seiner Zuständigkeit, sondern in der von Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) im Kanzleramt.
Im Vizekanzleramt des Grünen Werner Kogler arbeitet man unterdessen an einer eigenen Anti-Rassismus-Strategie für den öffentlichen Dienst, die morgen, Donnerstag, anlässlich des internationalen Tags gegen Rassismus, präsentiert werden soll.
"Tief verwurzelter Rassismus"
Auf die Absage angesprochen, betonte ZARA-Geschäftsführerin Isiba, der Verein werde sich "weiter dafür einsetzen, Österreich näher an eine rassismuskritische Gesellschaft zu bringen." Denn: "Wenn wir schon nicht die Unterstützung aus der Politik haben, haben wir zumindest die Unterstützung von Privatpersonen und Unternehmen."
Der Bericht zeige, "wie tief verwurzelt Rassismus in vielen Lebensbereichen in Österreich noch ist", so Isibas Fazit. Allen voran im Bildungssystem, am Arbeitsplatz, im Gesundheitssystem und im Kontakt mit der Polizei gebe es den größten Aufholbedarf.
1.708 Mal hat ZARA bei Meldungen von Rassismus persönlich beraten, 702 Mal rechtliche Maßnahmen und andere Interventionen gesetzt.
Die gemeldeten Fälle teilen sich wie folgt auf:
- 58 Prozent der Fälle finden im Online-Bereich statt,
- 15,9 Prozent im "öffentlichen Raum",
- 11 Prozent im Bereich Güter und Dienstleistungen,
- 8,4 Prozent bei staatlichen Behörden und Institutionen,
- 4,5 Prozent bei Kontakten mit der Polizei,
- 1,6 Prozent in Politik und Medien
- und 0,4 Prozent in der Arbeitswelt.
Nur in 4 von 58 Fällen rassistischer Polizeigewalt wurden formale Beschwerden eingereicht. Zur neuen Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibedienstete, die im Jänner die Arbeit aufgenommen hat, könne man derzeit noch nicht viel sagen. Auch wenn es Bedenken die Unabhängigkeit betreffend gebe, sei diese "nichtsdestotrotz ein wichtiger erster Schritt."
Sprachverbote in der Schule
Kritik äußerte die Stelle erneut an den Deutschförderklassen. "Nicht die Deutschförderklassen an sich, sondern das System, das da implementiert wurde, ist das Problem", sagte der Lehrer Ali Dönmez. Schülerinnen würden anhand ihrer Sprachkenntnisse segregiert, der für die Einstufung notwendige MIKA-D-Test messe der Grammatik einen viel zu hohen Stellenwert zu.
Der Umgang mit Mehrsprachigkeit sei aber generell ein Problem an vielen Schulen. Dönmez schilderte mehrere Fälle, in denen Kindern und Jugendlichen verboten wurde, Türkisch oder Arabisch zu sprechen bzw. diese dafür bestraft wurden.
Häufig hätten Kinder und Jugendliche Angst, dass Lehrpersonen über die Meldung informiert werden würden. "Es besteht die berechtigte Sorge, dass sich die Situation verschlimmert wenn sie sie melden", so Dönmez.