Politik: Wie der Quereinstieg gelingen kann
Von Christian Böhmer
Eine Politik, in der es nicht allein um parteipolitisches Gewäsch oder Hick-Hack geht, sondern um den Wettbewerb der besten Ideen: Ist so eine Politik möglich?
Natürlich ist sie das. Zumindest, wenn man mit Menschen wie Sonja Jöchtl spricht. Vor zwei Jahren hat sie mit einem Team den Verein "Love Politics" gegründet und ein Ausbildungsmodul entwickelt, das politisch Interessierten Werkzeuge an die Hand gibt, um in der bisweilen fordernden Tagespolitik bestehen zu können. Eines der expliziten Ziele des partei-übergreifenden Projekts ist, Menschen an Politik heranzuführen, die in der institutionalisierten Politik immer noch unterrepräsentiert sind, sprich: Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund und besonderen Bedürfnissen bzw. Einschränkungen.
Finanziert wird die Ausbildung aus Stiftungszuwendungen und öffentlichen Förderungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz; die Mitarbeiter von Love Politics arbeiten zum überwiegenden Teil ehrenamtlich.
1.200 Kandidaten haben sich um die ersten Ausbildungsplätze beworben, der KURIER hat vor Beginn der Ausbildung einige davon getroffen (mehr dazu lesen Sie hier).
Am Freitag zogen Initiatoren und Teilnehmer des ersten Lehrgangs Bilanz. Und einer der Unterstützer, Ex-Bundespräsident Heinz Fischer, nutzte die Gelegenheit, für einen grundsätzlichen Appell. Natürlich seien die Zeiten fordernd. Allerdings könne er mit dem Blick in die Vergangenheit eines mit Sicherheit sagen: "Wir alle neigen dazu, die Gegenwart viel kritischer und verdrossener zu sehen als die Vergangenheit."
Wie lautet also das Fazit, was hat man gelernt?
Yvonne Heuber war zwar keine Quereinsteigerin, weil sie sich als Gewerkschafterin mit dem Arbeitsmarkt und anderen Themen sehr wohl politisch auseinandergesetzt hat. In der Ausbildung selbst hat sie für sich aber das Thema der Gesundheit und Pflege entdeckt - und genau in diesem Bereich will sie sich politisch auch weiter engagieren.
Eine bemerkenswerte Entwicklung hat auch Alexander Auer genommen. Der Start-up-Unternehmer hat mitten in der Ausbildung eine politische Kampagne begonnen und für den Innsbrucker Gemeinderat kandidiert. "Mich haben mehrere Parteien angerufen", sagt Auer. Letztlich kandidierte er auf der Liste der Grünen - und wird in wenigen Tagen tatsächlich angelobt. Wie man Menschen um sich schart, organisiert, wie man für Ideen wirbt, das und vieles andere mehr hat Auer in dem Lehrgang mitnehmen können.
Letztlich geht es für ihn und die Teilnehmer aber auch darum, dass im Zuge des Projekts eine Community, also eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten und Politik-Interessierten, entstanden ist. "Und diese Beziehungen und Freundschaften bleiben dir", sagt Heuber.
Einen spannenden Satz sagt Winfried Kneip, einer der Gründer und Programmleiter von Love Politics: "Perfektion ist in der Politik eine Illusion, dafür sind die Probleme einfach zu komplex." Deshalb müsse man eine Fehlertoleranz entwickeln. "Derzeit werden Fehler in der Politik sehr hart bestraft."