Politik/Inland

Schwache ÖVP in bürgerlichen Ländern

532.496 Wahlberechtigte entscheiden heute über die Zusammensetzung des Tiroler Landtages. Elf Gruppierungen machen sich Hoffnungen um die 36 Mandate. Die Wahllokale haben bis 17 Uhr geöffnet, das vorläufige Endergebnis soll bis 20.00 Uhr feststehen.

Es ist noch nicht lange her, da galten die Bundesländer als fest gefügte Blöcke. Landtagswahlen bewirkten zwar mehr oder minder große Verschiebungen im Kräfteverhältnis der Parteien, aber es stand stets im Vorhinein fest, wer am Ende als Landeshauptmann heraus kommen würde. In Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Vorarlberg und mit Abstrichen im Burgenland ist das immer noch so.

Im Rest der Bundesländer werden Landtagswahl-Ergebnisse zunehmend zum Lotteriespiel. Die fest gefügten Blöcke zerbröseln, der Parteien werden immer mehr, die Länder wechseln die Farbe wie die Modesaisonen. 1989 war der Wechsel von Rot auf Blau in Kärnten noch ein Aufsehen-erregender Sonderfall gewesen. Seither war Kärnten schwarz, blau, orange, blau und seit kurzem ist es wieder rot.

Fünfzehn Jahre später, 2004, gelang es der SPÖ – mit dem Rückenwind der Oppositionsrolle gegen Schwarz-Blau im Bund – die zuvor als schwarze Bastionen geltenden Länder Salzburg und Steiermark umzudrehen. Die machtverschlissene, zerstrittene steirische ÖVP und ein als schwach und abgehoben geltender ÖVP-Landeshauptmann in Salzburg hatten das Ihre dazu beigetragen.

Tirol wählt

Jetzt ist erstmals Tirol an der Reihe, in die neuen Zeiten einzutreten. Heute können 532.496 Tiroler einen neuen Landtag wählen. Was dabei heraus kommen wird, ist so wenig abschätzbar wie noch nie. Nicht einmal, dass die ÖVP ihre einstige Hochburg halten kann, gilt als bombensicher. Das bürgerliche Lager ist derart zersplittert, dass der Sozialdemokrat Gerhard Reheis, Chef einer 15-Prozent-Partei, den Anspruch auf den Landeshauptmann anmelden kann, ohne dafür mitleidig belächelt zu werden.

Selbst wenn die ÖVP heute in ihrer Führungsrolle bestätigt werden sollte, mag kaum jemand darauf wetten, ob der Landeshauptmann wieder Günther Platter heißen wird. Gut möglich, dass eine partei-interne Revolte ausbricht. Möglich ist auch, dass die ÖVP ihren Chef opfern muss, um einen Koalitionspartner zu finden. Sie hofft darauf, dass die Grünen Platters politisches Überleben sichern, indem sie auf eine schwarz-grüne Koalition einsteigen.

Fünf Partien – ÖVP, Grünen, SPÖ, Vorwärts Tirol und FPÖ – ist heute der Einzug in den Tiroler Landtag sicher. Es könnten aber bis zu acht Parteien werden, die künftig im Landesparlament sitzen. Das Team Stronach und die Listen „Fritz“ und „Gurgiser“ pendeln um die Fünf-Prozent-Einzugshürde in den Landtag. Sollten sie allesamt scheitern, könnte ein Rekord an letztlich wertlosen Stimmen heraus kommen, weil sie für die Sitzverteilung im Landtag nicht zählen.

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Selbst wenn die ÖVP-Tirol heute noch einmal über die Runden kommt – auf Sicht wird sie sich anstrengen müssen, das bürgerliche Lager im Heiligen Land wieder zu einen. Dass sie starke Frauen wie die Innsbrucker BürgermeisterinChristiane Oppitz-PlörerundAnna Hospvon „Vorwärts Tirol“ aus der Partei drängte, zeugt von der abnehmenden Integrationskraft der ÖVP im nach wie vor großen bürgerlichen Lager Tirols.

Spitzenkandidaten bei der Stimmabgabe

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Situation in Salzburg

In Salzburg, das am kommenden Sonntag wählt, ist die Lage der ÖVP nicht unähnlich. Salzburg ist ein trotz neun Jahren Gabi Burgstaller an der Landesspitze bürgerliches Land. Dennoch wird die ÖVP dort in einer Woche ein historisch schlechtes Wahlergebnis einfahren. Mag sein, dass die SPÖ noch mehr verliert, und die ÖVP dadurch zur stärksten Kraft wird – ein „Sieg“ wäre das allemal nicht. In Salzburg gibt es zwar keine Abspaltungen von der ÖVP wie in Tirol, aber die Bürgerlichen wenden sich woanders hin: Die Grünen stehen dort vor einem Rekordgewinn, und die Liste Stronach schnellt in den Umfragen in die Höhe.

Die Milchburschen-Rechnungen in den Reihen der ÖVP – „Wir halten Tirol und erobern Salzburg zurück“ – könnten sich als trügerisch erweisen. Bundesweit ist die ÖVP nur deshalb ungefährdet auf Platz 2, weil Frank Stronach die Strache-FPÖ abräumt. Die erwarteten „Erfolge“ der ÖVP, so sie überhaupt eintreten, basieren auf Zufällen, nicht auf Eigenleistung.

Heute, Sonntag, rittern gleich elf Gruppierungen in Tirol um die Stimmen der 532.500 Wahlberechtigten und die 36 zu vergebenden Mandate. Für ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter könnte es knapp werden – gelten doch gerade die Tiroler als besonders rebellisch. Aber was macht das bergige Land eigentlich noch aus?

A wie Absolute Mehrheit: Die hatte die ÖVP zuletzt bei der Wahl 1989 unter Landeshauptmann Alois Partl. Die absolute Mandatsmehrheit verlor die Volkspartei bei der Wahl 2008 unter Herwig van Staa.

B wie Berge: Davon hat Tirol reichlich, darunter die acht höchsten Gipfel Österreichs. Was andererseits bedingt, dass nur 11,9 Prozent des Landes besiedelbar sind.

C wie Christentum: Die katholische Kirche ist die mit Abstand größte Glaubensgemeinschaft mit einem Anteil von 76,3 Prozent.

D wie Dialekt: Den kann man nicht lernen, sagen die Einheimischen. Die Ötztaler Mundart wurde von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe in Österreich ernannt. Dort heißt etwa der Großvater Nene und die Großmutter Nale.

E wie Energie: Weil Berge viel Gefälle aufweisen, hat Tirol mit dem Kaunertalkraftwerk (395 Megawatt) und der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz (500 Megawatt) zwei der mächtigsten Speicher- beziehungsweise Pumpspeicherkraftwerke.

F wie Fußballer: Der Wiener David Alaba, Nationalspieler, wurde ob seiner Hautfarbe von Landeshauptmann Günther Platter bei einem Trainingslager in Tirol mit „How do you do?“ begrüßt. Was die Bekanntheit Platters enorm steigerte.

G wie Gramais: Der Ort im Bezirk Reutte ist mit 54 Einwohnern die kleinste Gemeinde Österreichs und mit zuletzt 88,57 Prozent ÖVP-Stimmen eine Hochburg.

H wie Hofer, Andreas: Der Anführer des Tiroler Volksaufstandes von 1809 gilt als Freiheitskämpfer gegen die bayrische und französische Besetzung. Bis heute wird er als Nationalheld geehrt.

I wie Inntal: Von Südwest bis Nordost bildet das Inntal die wichtigste Transitroute durch die Alpen – und ist damit seit Jahrzehnten Gegenstand heftiger Konflikte mit Wien und Brüssel.

J wie Jodeln: Das Jodeln (Singen mit Klangsilben im Wechsel von Brust- und Kopfstimme, „Juhui ridldulio“) gilt als ursprünglichste Form alpenländischen Musizierens.

K wie Kitzbühel: Der Nobelskiort, umgeben von Hahnenkamm und Kitzbüheler Horn, gilt als eines der bedeutendsten Wintersportzentren in Österreich.

L wie Lienz: Die Stadt ist der wirtschaftliche Mittelpunkt Osttirols, das seit dem Vertrag von Saint-Germain 1919, in welchem Südtirol dem Königreich Italien zugesprochen wurde, mit Nordtirol nicht mehr geografisch verbunden ist.

M wie Mitterer, Felix: Der Dramatiker greift meist problematische und kontroverse Themen auf und wurde vor allem durch „Piefke-Saga“ bekannt.

N wie Napoelon:Franzose aus Korsika, der in den vier Bergiselschlachten des Tiroler Volksaufstandes anno 1809 die von A. Hofer geführten Truppen besiegte.

O wie Ortler: Einst mit 3905 Metern der höchste Gipfel Österreichs, heute nur ein großer Gipfel in Südtirol, Italien.

P wie Patriotismus: In Tirol ist dieser – bezogen nur auf Tirol – besonders groß. Das Misstrauen gilt Wien und Brüssel.

Q wie Quereinsteiger: 2008 erreichte Fritz Dinkhauser 18,35Prozent und wurde damit zum erfolgreichsten Quereinsteiger. Er hat sich zur Ruhe gesetzt.

R wie Radieschen: 60 Prozent aller österreichischen Radieschen werden auf Feldern im Osten Innsbrucks geerntet.

S wie Skifahren: Wichtigste Tourismussparte des Landes, durch welchen Tirol in etwa so viele Gästenächtigungen verzeichnet wie Griechenland.

T wie Tirolerhut: Kopfbedeckung aus grünem Filz und breiter Krempe mit Hutschnur und schmückenden Federn. Darf bei keinem Tiroler Jäger fehlen.

U wie Unterinntal: Abschnitt der Alpen-Transitroute mit besonders hohem Verkehrsaufkommen und einer der größten österreichischen Ballungsräume. Zwischen Innsbruck und Rosenheim (D) leben rund 380.000 Menschen auf engem Raum.

V wie Volksaufstand: Rebellion unter A. Hofer gegen die bayrisch-französische Besatzung im Frühjahr 1809, die erst im Herbst niedergeschlagen werden konnte.

W wie Wallnöfer, Eduard: Bauer, Schütze und längstdienender Landeshauptmann von 1963 bis 1987.

X wie Xiberger: Westliche Nachbarn. Durch den Arlberg einst getrennt, durch den Arlbergtunnel verbunden.

Y wie Yeti: Zweibeiniger, behaarter Schneemensch, den der berühmte Südtiroler Bergsteiger Reinhold Messner im Himalaya-Gebiet angetroffen haben will.

Z wie Zu Mantua in Banden: Die Tiroler Landeshymne, die die Hinrichtung von Andreas Hofer (1767 – 1810) im Auftrag Kaiser Napoleons beschreibt.

Im Finale des Wahlkampfs hat die Tiroler VP ganz auf die Sorge vor der Unregierbarkeit des Landes gesetzt. Auf ihren Plakaten warnte die Volkspartei angesichts der Vielfalt an antretenden Listen vor "italienischen Verhältnissen". Außerdem zu sehen ist, wie Ex-Premier Silvio Berlusconi einen Fiat 500 zu Schrott fährt.

Die Empörung, vor der etwa Innsbrucks Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer, gewarnt hatte, ließ nicht lange auf sich warten. Mittlerweile gebe es schon Überlegungen zum Tirol-Urlaubsboykott seitens Italiens - und der wäre nicht so ohne, meint Oppitz-Plörer, schließlich seien die Italiener eine der größten Besuchergruppen Innsbrucks.

Die italienische Botschaft in Wien berichtete der "Kleinen Zeitung" von etlichen Beschwerde E-Mails zu den VP-Plakaten. Botschafter Eugenio d’Auria habe diesbezüglich Kontakt mit dem Außenministerium aufgenommen.

"Wir wollen in Europa nicht mit derartigen Leuten in derselben Partei sein." PdL-Vertreter Bertoldi


Am Samstag reagierte auch die Berlusconi-Partei PdL auf die Plakate. Der Südtiroler PdL-Koordinator Alessandro Bertoldi appellierte an die Europäische Volkspartei (EVP), die ÖVP aus der "gemeinsamen europäischen Familie" auszuweisen. "Der PdL ist die drittstärkste Kraft in der EVP und Berlusconi zählt zu seinen Mitbegründern", so Bertoldi.

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Der Südtiroler erklärte, er werde EVP-Generalsekretär Antonio Lopez-Isturiz Bilder der "gesamten anti-italienischen Kampagne der ÖVP senden". "Wir erwarten uns, dass sich unsere Freunde der ÖVP in Wien von ihren Tiroler Kollegen distanzieren. Initiativen dieser Art sind unerträglich und zielen lediglich darauf, einige Stimmen unter der rassistischen Tiroler Wählerschaft zu ergattern, die Italien hasst. Wir wollen in Europa nicht mit derartigen Leuten in derselben Partei sein", sagte Bertoldi. Seine Partei werde auch den Autohersteller Fiat über das Wahlplakat informieren. "Der Konzern wird dann entscheiden, ob es legale Schritte gegen die ÖVP wegen des Imageschadens unternehmen will."

Kritisiert wurde das Wahlplakat auch von Berlusconis rechtskonservativer Tageszeitung "Il Giornale". "Bilder Berlusconis werden wieder einmal zu Zwecken der politischen Propaganda missbraucht, eine schlechte Angewohnheit in Italien, aber auch im Ausland", kommentierte das Blatt, das dem Tiroler Wahlkampf am Samstag einen größeren Bericht widmete. Es sei skandalös, dass Berlusconi zum "Symbol aller Schändlichkeiten Italiens" gemacht werde.

Aber nicht nur "Il Giornale" beschäftigte sich mit dem Tiroler Wahlplakat. Fast alle größeren italienischen Zeitungen veröffentlichten das Bild Berlusconis an Bord des Fiat 500.