Politik/Inland

Politik und Privatleben Putins geben Rätsel auf

Es mag nur eine gut gesetzte Pointe in einer pompösen Image-Inszenierung sein, jene Antwort, die der eben erst ins Amt eingeführte Präsident auf die Frage bei einer Volkszählung nach seinem Job abgab: „Ein Angestellter, tätig im Management, um Dienstleistung für die Menschen zu liefern.“ Sie erzählt trotzdem einiges über das, was Wladimir Putin damals, knapp nach der Jahrtausendwende, für die Russen verkörpern wollte – und für die Mehrheit auch verkörperte: Der bescheidene, aber entscheidungsstarke Staatsdiener, der nach dem Chaos der Präsidentschaft Boris Jelzins und dem Ausverkauf der Sowjetunion wieder die Zügel in die Hand nahm und Ordnung schuf.

Die Zügel hat Putin heute noch in der Hand, fester denn je. Die Opposition ist mundtot gemacht, die Oligarchen, die Russlands Wirtschaft kontrollieren, sind willfährige Günstlinge, die Politiker rund um ihn entweder Staffage, oder – wie der souveräne Außenminister Sergej Lawrow – ohne eigenen Handlungsspielraum. Der Putin-Kult versorgt die Russen nicht nur mit Bildern ihres Präsidenten in malerischen Macho-Posen, sondern auch mit Büsten und Auftritten vor Militärparaden im sowjetischen Großformat.

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Doch das „System“, wie ehemalige Kreml-Insider den Machtapparat nennen, funktioniert trotzdem nicht nach Plan. Die Versprechen, die der einstige KGB-Spion den Russen gab, sind uneingelöst. Die High-Tech-Wirtschaft, die man schaffen wollte, blieb Illusion. Wie einst die UdSSR ist das Riesenreich vom Export seiner Rohstoffe abhängig und kann nur bei der Produktion von Waffen auf den Weltmärkten mitspielen. Die internationalen Sanktionen haben dem Rubel und damit den Russen schwer zugesetzt, die Lebenserwartung hat zwar seit den Jelzin-Jahren zugelegt, liegt aber mit knapp über 70 Jahren weit hinter westlichen Industriestaaten.

Russland von A bis Z

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Wieder Großmacht

Das einzige, was Putin den Russen tatsächlich zurückgegeben hat, ist das Selbstbewusstsein, wieder eine Großmacht zu sein, die auf der Weltbühne mitspielt. Doch Erfolge wie die Eingliederung der Halbinsel Krim sind teuer und mit außenpolitischer Isolation erkauft. Das nur spärlich verhüllte militärische und politische Mitmischen in der Ostukraine kostete Menschenleben, Geld und produzierte im Endeffekt einen von Kriminellen beherrschten Kleinstaat, der an Russland hängt wie am Tropf. Die Intervention in Syrien war – vor allem wegen Zerstrittenheit und Inkonsequenz des Westens – bisher erfolgreich. Ob aus dem Prestigeerfolg tatsächlich eine dauerhafte Stärkung der Machtposition Russlands im Nahen Osten entsteht, ist weiterhin fraglich.

Geheimniskrämer

Putin habe alle relevanten politischen Entscheidungen unter seine Kontrolle gebracht, analysieren Kreml-Analytiker. Der Machtapparat rund um ihn aber sei bis heute ineffizient: Weil Putin sich statt mit entscheidungsstarken Managern mit Ja-Sagern umgebe, und weil diese Ja-Sager obendrein über die wahren Absichten des Chefs im Dunkeln gelassen würden.

Der Mann, der einst in Dresden saß und den kapitalistischen Feind aushorchte, hat sich von der Denk- und Arbeitsweise des Spions nie ganz lösen können.

Nicht umsonst ist auch sein gesamtes Privatleben in Geheimnisse gehüllt. Niemand weiß genau nicht nur wie viele Residenzen Russlands Herrscher besitzt, sondern ebenso wenig wie viele Kinder er tatsächlich hat – und mit welchen Frauen. Die langjährige vermeintliche Geliebte, die Turnerin Alina Kabajewa, bleibt im Verborgenen, darf aber dafür angeblich lukrative Geschäfte im Umfeld des Kreml machen.

Ein Image, das mit professioneller PR-Beratung – und die hat Putin – leicht ins rechte Licht zu rücken wäre. Doch er ist daran offensichtlich nicht interessiert. Er bleibt für seine Landsleute und den Rest der Welt rätselhaft und daher unberechenbar. Oder aber sein Nachbar im Sommerhäuschen aus St. Petersburger Tagen weiß den eigentlichen Grund für dieses seltsam halbfertige Leben und Lebenswerk: „Putin ist vor allem anderen ein schwacher Mensch.“

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