Politik/Inland

Politik ganz volksnah am Nationalfeiertag

Um punkt 9 Uhr öffnen Parlamentspräsidentin Doris Bures und der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf das schwere Eisentor. Die Rampe entlang bis zur Ringstraße stehen die Besucher Schlange. Jeder wird von Bures und Kopf begrüßt. "Ich will meinen Enkeln zeigen, wo die Politiker arbeiten und die Demokratie zu Hause ist", sagte der Herr aus Linz. Er ist eigens für den Tag der offenen Tür in die Bundeshauptstadt gereist. Einer älteren Dame ist es gar nicht recht, dass viele Touristen das Parlament sehen wollen.

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Eine Frau aus Toulouse, die im Plenarsaal mit dem Guide spricht, wird von der Wienerin unterbrochen: "Ich will etwas fragen, ich zahle schließlich auch Steuern." Der Budgetsaal, wo der Korruptions-Untersuchungsausschuss tagte, quillt über von Menschen. Die technische Ausstattung gefällt: Zahlreiche Laptops, Hochgeschwindigkeitscanner, Berge von Berichten. "Probleme müssen aufgearbeitet werden", findet ein Studentenpaar. Ausgelost wurden am Sonntag auch acht Personen, die sich an der Enquête-Kommission zur Stärkung der Demokratie beteiligen werden. Am 18. Dezember wird sie gebildet. Einige Hundert Meter vom Parlament entfernt tummeln sich im Kanzleramt ebenfalls die Massen.
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Bundeskanzler Werner Faymann, Minister Josef Ostermayer und Staatssekretärin Sonja Steßl schütteln unentwegt Hände, führen durch die Prunkräume, plaudern mit Eltern und verschenken Plüschtiere an die Kleinen. "Der Bundeskanzler ist schon sehr lieb", sagt eine Mutter ihrem Sohn. Geboten wird auch viel Kultur: Die Bundesmuseen geben Einblick in ihre Sammlungen, die Bundestheater bieten ein Bühnenprogramm.

Auf dem riesigen Tisch, wo die Minister tagen, hockt ein riesiger pinkfarbener Hase aus der Albertina. Im Kongresssaal spielen Kinder Archäologie: Aus einer Sandkiste graben sie antike Funde aus. Das Belvedere präsentiert sich mit einem Eisbären aus Federn. Die jungen Besucher sind schlicht begeistert.

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"Ich will hier bleiben", brüllt ein fünfjähriges Mädchen. Ihre Eltern wollen weitergehen. Auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gibt sich am Nationalfeiertag volksnah: Er führt einen Roboter zur Mülltrennung vor, eine technische Errungenschaft. Vis-à-vis vom Bundeskanzleramt in der Hofburg öffnen sich die Tore erst am Nachmittag, dafür geht es umso lauter zu: Bundespräsident Heinz Fischer lässt die Militärmusik aufspielen – mit "Mamma Mia". Vielleicht nicht so gut in Anbetracht der Geldsorgen der Heeres-Blasmusik. Aufatmen in den Reihen: Als nächste Darbietung kommt: "The Winner Takes It All".

Der Nationalfeiertag in Bildern:

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"Ich gelobe!", hallte es Sonntagmittag enthusiastisch aus den Kehlen von 900 neuen Rekruten des Bundesheeres. Das alljährliche Prozedere am Heldenplatz war auch heuer ein Garant für einen Massenansturm an Besuchern. Der KURIER sah sich in dem Gewusel aus Soldaten und Besuchern um und fragte, wie denn die aus Spargründen "abgespeckte" Version der Heeresschau ankam.

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"Wir sind extra aus Graz gekommen, um uns das hier anzuschauen. Eigentlich hätten wir gedacht, es wird weniger geboten, aber es ist genauso viel wie im vergangenen Jahr", sagte Bernhard Moro, der mit der ganzen Familie den Tag genoss. Dieser Meinung waren die meisten Besucher. Von der Sparversion der Schau war nichts zu merken – zumindest nicht, was das Equipment betraf, das vom Heer aufgefahren wurde und im Laufe des Tages zum Kinderspielplatz wurde. Kleine Buben hinter schweren Panzerfäusten und blond gelockte Mädchen am Steuer eines Panzers. Vor allem die Kleinsten outeten sich am Heldenplatz als Fans des Bundesheeres. Sabrina und ihr Sohn Julian vergnügten sich: "Wir genießen den schönen Tag. Für mein Kind sind die ganzen Gerätschaften natürlich besonders spannend", erzählte die Besucherin.

Dass auch ein Großteil der Erwachsenen hinter dem Heer steht, bemerkten die Soldaten in persönlichen Gesprächen. "Es kommt viel Zuspruch von den Leuten. Sie kommen auf uns zu und sagen, dass Österreich das Bundesheer braucht und sie mit dem großen Sparen nicht einverstanden sind", erzählte ein Soldat.

Aufmerksamkeit nutzen

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Einige Hundert Meter neben dem eigentlichen Spektakel machten sich aber auch jene Luft, die Kritik üben wollen. Am Michaelerplatz versammelten sich Atomkraftgegner und protestierten mit Plakaten. "Wir machen diese Aktion jedes Jahr am Nationalfeiertag, weil es schließlich um Österreich geht", erklärte Aktivistin Svanlind Keller.

Die Wiener Plattform "Atomkraftfrei" wollte in diesem Jahr vor allem auf das geplante Atommüll-Endlager in Tschechien aufmerksam machen. "Das Lager ist nur 30 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt geplant. Es wird unser Trinkwasser verschmutzen", sagte Keller weiter. Immer wieder kamen interessierte Passanten vorbei und informierten sich bei den Aktivisten – am Nationalfeiertag ist das Heimatgefühl offenbar besonders groß.

Als Erfolg verzeichneten die Aktivisten, dass sie im Außenministerium vorgesprochen haben und dort auch angehört wurden. "Wir bemühen uns schon viele Jahre, die Verantwortlichen mit dem Thema zu konfrontieren. Heuer wurden wir zum erstem Mal ernst genommen", freuten sich die Atomgegner.

Im Mittelpunkt der Fernsehansprache des Bundespräsidenten zum Nationalfeiertag stand die wachsende Sorge der Bevölkerung über den Terror und die internationalen Konflikte. Die Welt sei auch in der Vergangenheit nicht frei von gefährlichen Spannungen gewesen, aber: "Demokratien sind stärker als Terroristen", sagte Heinz Fischer. Es sei immer wieder gelungen, Lösungen für Konflikte zu finden. Starke Demokratien seien eine Brandmauer gegen Gewalt und Terror, lautete der Tenor der Rede. Terror hat "letzten Endes keine Chance, sich dauerhaft durchzusetzen oder auch nur zu überleben".

Mit dem Blick zurück auf fast 60 Jahre seit Beschluss des Neutralitätsgesetzes am 26. Oktober 1955 hielt Fischer fest, dass dieses Gesetz Österreich zu einer militärischen Neutralität verpflichte, aber nicht zu einer "Neutralität der Werte. Gegenüber fundamentalen Verletzungen von Grundfreiheiten und Menschenrechten kann man nicht neutral sein."

Das Bundesheer sei zum Zweck der Landesverteidigung, des Schutzes der Neutralität und des Katastrophenschutzes aufgebaut worden: "Diese Aufgaben sind weiterhin von großer Wichtigkeit für unser Land."

Das Staatsoberhaupt verwies auch auf die Zukunft Österreichs und Europas hin. Dafür seien drei Kernpunkte wichtig: "Bildung, Leistung und Gerechtigkeit." Wachsende Ungerechtigkeit in der Einkommens- und Vermögensverteilung seien mit der sozialen Marktwirtschaft und den Grundwerten sozialer Gerechtigkeit unvereinbar.