Pilnacek bricht sein Schweigen und kritisiert "Kontrollverlust" in der Justiz
Seit seiner Suspendierung im Februar 2021 meidet Christian Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium, die Öffentlichkeit.
Jetzt meldet er sich recht offen zu Wort - und zwar in einem Artikel in der Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Finanzstrafrecht, wie die Presse am Dienstag berichtet. Darin legt er seinen Befund zum Zustand der Strafverfolgung in Österreich dar.
Pilnacek, der als Sektionschef fast zehn Jahre lang für die Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaften zuständig war, spricht von einem "Kontrollverlust". Die Fachaufsicht sei, um den Anschein politischer Beeinflussung zu vermeiden, "faktisch außer Kraft gesetzt". Um das auszugleichen, wäre ein "effektiver Rechtsschutz durch die Gerichte notwendig". Aber auch dieser sei unzureichend.
Ein Freispruch, ein offenes Verfahren
Pilnacek wurde damals suspendiert, weil gegen ihn ermittelt wird. In einem Verfahren wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses wurde er bereits rechtskräftig freigesprochen, ein weiteres Verfahren läuft noch. Darin geht es um den Vorwurf, dass er dem ehemaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter eine Hausdurchsuchung verraten haben soll, worauf hin dieser den Investor Michael Tojner gewarnt haben soll.
Das Verfahren stockt, weil immer noch an der Sichtung von Brandstetters Handy gearbeitet wird. Zuletzt wurde spekuliert, dass Pilnacek bald ins Justizministerium zurückkehren könnte: Im April wird seine Suspendierung überprüft.
Mit seinem Beitrag in der Juristenzeitschrift will Pilnacek nun eine "ernsthafte rechtspolitische Diskussion anstoßen", schreibt er. Ernsthaft wäre die Diskussion dann, wenn nicht "gebetsmühlenartig auf eine dem Verfasser unterstellte Interessenslage verwiesen würde".
Reformvorschläge
Der suspendierte Sektionschef macht einige Reformvorschläge, wie sie teils auch schon vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) vorgelegt worden waren (mehr dazu hier): So schreibt er, die Strafprozessordnung bleibe bei der Sicherstellung von Handys "hinter den technischen Entwicklungen zurück". Gegen die Sicherstellung kann man erst im Nachhinein Einspruch einlegen, die Staatsanwaltschaften könnten die Daten trotzdem auswerten.
Bei erfolgreichem Einspruch gegen die Sicherstellung sollten die Daten vernichtet werden, fordert Pilnacek. Und: Eine Handysicherstellung solle zuvor gerichtlich bewillig werden müssen - so wie vergleichbare Zwangsmaßnahmen wie Hausdurchsuchungen.
Die präventive gerichtliche Kontrolle sei derzeit zu schwach, "um die Dominanz und Deutungshoheit der Staatsanwaltschaft zu begrenzen", schreibt Pilnacek und fordert die Einführung einer Begründungspflicht. Derzeit reiche ein Stempelabdruck.
"Private Meinung"
Pilnacek adressiert mit seinem Artikel auch das Justizministerium: Er bietet sich an, bei der legistischen Umsetzung mitzuarbeiten, sofern sie von politischer Seite beschlossen werden. Aus dem Justiz-Ressort heißt es auf Presse-Anfrage, dass es sich bei dem Artikel um eine "private Meinungsäußerung" handle.