ÖVP schießt gegen Kickl: "Stellt sich offenbar bewusst hinter Neonazis"
Obwohl fast alle Demonstrationen in Wien am Sonntag untersagt wurden, trafen am Sonntag rund 5.000 Personen zu einem "Corona-Spaziergang" der aggressiveren Art zusammen - Handgemenge und Verhaftungen inklusive. Rechtsextreme, Verschwörungstheoretiker der QAnon-Bewegung, Künstler, religiöse Gruppen, Impfgegner, Esoteriker, Aluhut-Träger sowie einfach nur Gegner der Corona-Maßnahmen stimmten "Wir-sind-das-Volk"- und "Kurz-muss-weg"-Chöre an oder beteten ein "Vater Unser".
Bei einer zuvor abgesagten FPÖ-Kundgebung als Gastredner auftreten und der Menge in gewohnter Manier einheizen wollte eigentlich FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Die ÖVP kritisierte den blauen Corona-Skeptiker - der zuletzt deutlich machte, dass er sich nicht impfen lassen werde - nach den illegalen Zusammenkünften am Sonntag scharf.
Es habe heute einen umsichtigen Einsatz der Polizei gebraucht, sagt Innenminister Karl Nehammer in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz um 21.30 Uhr. Er sei "zutiefst betroffen, dass ein ehemaliger Innenminister Öl ins Feuer" gegossen hat, sagt Nehammer. Der Einsatz sei "alles andere als ein Spaziergang" gewesen. Es seien vier Polizisten verletzt worden.
Zuvor hatten bereits andere türkise Politiker via OTS-Aussendungen gegen Kickl geschossen. Die "Kickl-FPÖ" stelle sich "offenbar bewusst hinter Neonazis", meinte Markus Wölbitsch, Klubobmann der ÖVP Wien.
Bei den Aufmärschen soll es auch zu Spuckattacken gegen Polizisten gekommen sein. Die "derzeit unter der Macht von Herbert Kickl stehende FPÖ" sei dafür verantwortlich, wetterte Karl Mahrer, Sicherheitssprecher der ÖVP, via Aussendung. Kickl sei "Brandstifter und Anführer" der "verantwortungslosen" Demonstranten.
Polizei widerspricht Kickl
Kickl äußerte sich im Laufe des Sonntags mehrmals via Facebook und zitierte etwa den Leitspruch der rassistischen Organisation Pegida: "Wir sind das Volk". Dazu gesellte sich die gewohnte Medienschelte. Es sei "weit entfernt von der Wahrheit", wenn von einem aggressiven Spaziergang berichtet werden würde. Dass sich Neonazis wie Gottfried Küssel oder Rechtsextreme wie Martin Sellner unter den Demonstranten befanden, veranlasste Kickl nicht dazu, sich von diesen zu distanzieren. Im Gegenteil: "Ihr wart entschlossen, aber ihr wart friedlich. Mit Euch verteidige ich gerne unsere Freiheit", schrieb er.
Entschlossen auf die Straße ging die FPÖ selbst nicht. Stattdessen streamte sie den Aufmarsch - der zehn Festnahmen nach sich zog - via Facebook. Für eine mögliche Eskalation sei Innenminister Karl Nehammer verantwortlich, ließ Kickl verlautbaren. Immerhin habe er die Demonstration abgesagt.
Das sei eine "bewusst gestreute Unwahrheit", stellte VP-Klubchef August Wöginger fest: "In diesem Fall haben die Sicherheitsbehörden die Entscheidung gemeinsam mit den Gesundheitsbehörden getroffen." Kickl habe "nahezu vorsätzlich" zum Gesetzesbruch aufgefordert, was eines "Ex-Innenministers" unwürdig sei.
Auch die Landespolizeidirektion Wien wies den Vorwurf Kickls zurück. Man habe die Großversammlungen "aus rein sachlichen Gründen" abgesagt - weil laut Expertisen die Gefahr der erhöhten Übertragung der neuen Virusvarianten bei Massendemos ohne Einhaltung von Abstands- und Maskenpflicht bestehe. "Parteipolitische Überlegungen haben dabei keinen Platz zu finden", wurde betont. Wegen der epidemiologischen Gegebenheiten habe man auch die Auflösung der unangemeldeten Demo am Ring verfügt - und habe sich danach um ein "gewaltfreies Auseinandergehen" bemüht.