ÖVP schickt Khol ins Rennen um die Hofburg
Sonntagabend, die Politische Akademie der Volkspartei in Wien-Meidling: Die Kandidaten-Suche für die Bundespräsidenten-Wahl hat ein Ende, der ÖVP-Vorstand schickt – wie erwartet – Andreas Khol ins Hofburg-Rennen.
„I mog des Land, i mog die Leut’“, sagte Khol nach seiner Kür. „Als Bundespräsident möchte ich die Interessen der Österreicher als Patriot schützen.“
Für Khol wäre das höchste Amt im Staate die Krönung einer langen politischen Karriere, in der er bis auf ein Regierungsamt und die Rolle des Parteichefs so ziemlich alles erreicht hat: Khol war Direktor der ÖVP-Parteiakademie, er saß über 20 Jahre lang im Parlament, wo er die Karriere-Leiter vom einfachen Mandatar zum Klubobmann bis hin zum Ersten Präsidenten erklommen hat.
"Auch Mick Jagger tritt noch auf"
ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hat im Ö1-Morgenjournal erläutert, warum man sich für den 74-Jährigen kurzfristig entschieden hat. "Er kann Erfahrung und Weitblick verbinden", so Mitterlehner. "Mag schon sein, dass er überrascht war", sagte Mitterlehner. Er habe eine "bestimmte Überparteilichkeit" und sei ein erfahrener Verfasssungsjurist. Im Interview mit dem Standard sprach Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek von Andreas Khol als "Notlösung". "Khol ist physisch und psychisch fit", rechtfertigt Mitterlehner die Entscheidung. Auch Mick Jagger sei schon 72 Jahre alt, und tritt "noch immer mit den Rolling Stones auf".
Architekt der Wende
Der 74-Jährige gilt als einer der Architekten von Schwarz-Blau; ein Teil der Verhandlungen fand damals sogar in seiner Hietzinger Wohnung statt. Anstatt ein Ministeramt zu übernehmen, hielt er für Kanzler Wolfgang Schüssel den Parlamentsklub zusammen. Ein Schlüsseljob zu Beginn des schwarz-blauen „Wendeprojekts“, bei dem er sich auch als väterlicher Freund seines blauen Gegenübers Peter Westenthaler gab.
Khol hat sich über die Jahre den Ruf eines ausgesprochenen Verfassungsexperten erarbeitet; und den eines markigen Redners. „Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit“, ist einer seiner viel zitierten Sätze. Hängen geblieben ist auch, dass er die heutige Grünen-Chefin Eva Glawischnig einst eine „wunderschöne Marxistin“ hieß.
Strikt konservativ
Gesellschaftspolitisch gilt Khol als erzkonservativ; so lehnt er etwa die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare strikt ab.
Wie ordnen Parteifreunde ihn ein? „Er bringt alles mit, was ein guter Bundespräsident braucht“, sagt ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka zum KURIER. „Andreas Khol hat die internationale Erfahrung. Er ist ein gestandener Wertkonservativer, aber gleichzeitig ein kulturliberaler Intellektueller, kurz: Ein gescheiter Kerl – und das ist, sollte er es schaffen, in der heutigen Zeit durchaus ein Bundespräsident, den wir brauchen.“
Porträt Andreas Khol:
Malus der zweiten Wahl
In ÖVP-Kreisen heißt es, man baue darauf, dass Khol in einer Stichwahl viele „blaue“ Stimmen einsammeln könnte. Als Polit-Profi und prägnanten Formulierer hält man Khol für gut gerüstet für den Wahlkampf.
Allerdings startet Khol mit dem Makel, erst nach der Absage von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll zum Zug gekommen zu sein. „Er hat den Malus der zweiten Wahl“, sagt OGM-Chef Wolfgang Bachmayer zum KURIER. Der Meinungsforscher gibt Khol keine allzu großen Chancen, Heinz Fischer in der Hofburg nachzufolgen: „Was für ihn spricht, ist die ohne Frage größte politische Versiertheit und staatsrechtliche Kompetenz aller Kandidaten.“ Allerdings, so Bachmayer: „Andreas Khol ist sicher nicht der Typus eines Politikers, dem die Herzen zufliegen.“
Und noch etwas könnte Khols Chancen mindern: „Er gilt als Architekt der schwarz-blauen Regierung und wird demnach links der Mitte kaum Wählerstimmen gewinnen. Er kann also nur rechts der Mitte Stimmen holen. Aber wenn die Freiheitlichen einen eigenen Kandidaten aufstellen, dann wird es kaum jemanden in der freiheitlichen Wählerschaft geben, der Khol dem FPÖ-Kandidaten vorzieht.“ Bachmayers Fazit: Es sei „fraglich, aber nicht auszuschließen“, dass Khol es in eine Stichwahl schaffen kann. Alles in allem „ist vor Khol der Hut zu ziehen, dass er die Aufgabe übernimmt“, sagt Bachmayer. „Die Erfolgschancen sind eher niedrig.“
Zumal in schwarzen Kreisen zu hören ist, dass für den Hofburg-Wahlkampf nur ein kleines Budget zur Verfügung stehen wird: Die Partei ist knapp bei Kasse – und bei der Bundespräsidentenwahl gibt es keine Rückerstattung der Wahlkampfkosten.
Wer 60 Jahre alt wird, bekommt im Museum eine billigere Karte. Komisch. Es wird also vorausgesetzt, dass 60-Jährige nicht mehr arbeiten und weniger Geld haben. Und das, obwohl Männer erst mit 65 Jahren in Pension gehen dürfen. Theoretisch. In der Praxis arbeitet nur mehr eine Minderheit der 65 Jährigen. Und Politiker drücken sich vor echten Pensionsreformen, aus Angst vor der nächsten Wahl. Genau diese Politiker aber haben keine Lust, ihre Ämter aufzugeben, im Gegenteil: Rudolf Hundstorfer wird mit seinen 64 Jahren vielleicht der "Junior" bei den kommenden Wahlen zum Bundespräsidenten sein. Und die Lust an der Tätigkeit jenseits der Pensionsgrenze bezieht sich nicht nur auf das höchste Amt im Staat: Erwin Pröll hat deutlich gemacht, dass er im Jahr 2018, mit 71 Jahren nochmals für fünf Jahre in Niederösterreich kandidieren will.
Warum also wollen Politiker die Menschen vor Arbeit schützen, können selbst aber nicht aufhören? Sicher, es ist einfacher, einen Schreibtisch in einem Unternehmen oder Ministerium zu verlassen, als die Macht, die Politiker offenbar jung hält. Aber die Bewerbung von Senioren für das Amt des Bundespräsidenten sollte Anlass für eine ernsthafte Pensionsdebatte sein. In Schweden und anderen Ländern gibt es Modelle, wonach die Rente angespart wird, also längere Arbeitszeiten auch höhere Auszahlungen bringen. Bei uns scheut man sogar die Diskussion darüber, wie der Effekt der steigenden Lebenserwartung im Budget aufgefangen werden kann. Aber künftig werden wir ja eine Expertin oder einen Experten für Arbeiten im Alter in der Hofburg haben.