Politik/Inland

SPÖ für EU-Renaturierung? Warum Gewessler dennoch nicht zustimmen wird

Könnten die SPÖ-Landeshauptleute Peter Kaiser aus Kärnten oder Michael Ludwig aus Wien die Blockade auf EU-Ebene zum Renaturierungsgesetz beenden?

So einfach ist das nicht, erklärt EU-Rechtsexperte Walter Obwexer im Gespräch mit dem KURIER. Damit Umweltministerin Leonore Gewessler zustimmen kann, benötige sie nämlich nicht nur die Zustimmung zumindest eines Bundeslandes, sondern auch den Sanktus vom Koalitionspartner, konkret die Zustimmung von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, von Finanzminister Magnus Brunner und von Europaministerin Karoline Edtstadler.

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Aber der Reihe nach: Das EU-Renaturierungsgesetz wurde jahrelang zwischen EU-Ministerrat, EU-Parlament und EU-Kommission verhandelt. Am Ende gab es eine überraschende Einigung im Trilogverfahren, das immer zum Zug kommt, wenn Gesetzesmaterien sehr umstritten sind. Triloge scheitern oft, dann muss ein Gesetzgebungsverfahren von vorne beginnen. Doch im Falle der Renaturierung war plötzlich alles auf Schiene, nachdem sich die zuständigen Organe im Trilog (mit Vertretern von Rat, Kommission und Parlament) einigten.

Ungarn springt ab 

Danach erfolgte die Zustimmung des Parlaments. Nun wäre nur mehr ein formaler Beschluss im EU-Ministerrat (auch A-Punkt genannt) notwendig, doch genau da haperte es erneut – weil Ungarn, dem Vernehmen nach, seine zuvor gegebene Zustimmung nicht mehr erteilte. Damit war die nötige „qualifizierte Mehrheit“ im Rat nicht mehr gegeben. Diese ist gegeben, wenn mindestens 55 % der Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 65 % der EU-Bevölkerung repräsentieren, zustimmen. Die Abstimmung wurde also abgesagt.

Jetzt wird es etwas kompliziert: Österreich hat, wie Ungarn, im EU-Rat eine Stimme und fast die gleiche Anzahl an Einwohnern wie Ungarn. Österreichs Umweltministerin musste sich bei der Abstimmung im EU-Rat aber enthalten, weil es eine einstimmige Länderposition gegen das Renaturierungsgesetz gab (Stimmenhaltung wirkt wie eine Gegenstimme).

Doch die wackelt jetzt, und die Frage ist, ob Gewessler damit grünes Licht für Brüssel hätte. Denn die roten Landeschefs von Wien und Kärnten haben angekündigt, ihre Meinung zu ändern, sie können sich vorstellen, dem Gesetzeswerk zuzustimmen, sofern für die dann notwendigen Maßnahmen „ausreichend finanzielle Mittel seitens des Bundes“ bereitgestellt werden.

Es geht also ums Geld

Aber eben nicht nur, erklärt EU-Rechtsexperte Walter Obwexer von der Uni Innsbruck: Richtig sei, dass derzeit – noch – eine einheitliche Stellungnahme der Länder vorliege, die für die Umweltministerin auch in Brüssel bindend sei. Wenn jetzt ein Land oder mehrere Länder „wegfallen“, erklärt Obwexer, gebe es die notwendige Einstimmigkeit der Länder nicht mehr.

„Kärnten oder Wien müsste klar sagen, man sei nun gegen die Stellungnahme der Länder und für das Renaturierungsgesetz, und dass Österreich in Brüssel zustimmen soll. Rein rechtlich müsste das über die Integrationskonferenz der Länder erfolgen, de facto wird das in einem Umlaufverfahren einfach über E-Mail gemacht: Kärnten würde also einfach allen anderen acht Landesregierungen mitteilen, gegen die Stellungnahme der Länder zu sein und für die Renaturierung zu stimmen“, erklärt Obwexer. Eine bloße Stimmenthaltung würde nicht reichen! 

Doch damit könnte Gewessler noch immer nicht in Brüssel zustimmen, erklärt der EU-Rechtsexperte weiter: „Das Gesetzespaket zur Renaturierung betrifft ja mehrere unterschiedliche Bereiche, etwa die Landwirtschaft. Nach dem Bundesministeriengesetz braucht Ministerin Gewessler auch die Zustimmung der anderen zuständigen Ministerien, wie das auch beim Klimaplan NEKP der Fall ist. Das kann die Ministerin nicht alleine entscheiden. Also neben der einheitlichen Stellungnahme der Länder, die ja noch immer vorliegt, muss die Umweltministerin auch koordiniert mit den anderen Ministerien vorgehen, konkret mit dem Bundeskanzleramt, das für die Länder zuständig ist, dem Landwirtschaftsministerium und offenbar auch mit dem Finanzministerium, da Landeshauptmann Kaiser zum Ausdruck gebracht hat, es hänge auch an zusätzlichen finanziellen Mitteln seitens des Bundes. Erst wenn diese Ministerien ihr Okay geben, kann die Ministerin in Brüssel zustimmen.“

Doch was die ÖVP-Minister vom Renaturierungsgesetz halten, stellt Minister Totschnig i einem Statement an den KURIER klar: „Ich bekenne mich klar zu den Vorhaben beim Klima- und Umweltschutz. Was wir hierzu aber brauchen ist eine Anreiz- und keine Verbotspolitik. Die vorgeschlagenen Einschnitte in die Land- und Forstwirtschaft, hätten massive Auswirkungen auf die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln, gefährden Arbeitsplätze und die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft insgesamt.“

Eine Einigung mit den Bundesländern und mit den ÖVP-Ministerien bis Mitte Juni, da tagt der EU-Umweltrat erneut, wird sich also eher nicht ausgehen. Deshalb wird Umweltministerin Gewessler dem Gesetz auch nicht zustimmen. Auch wenn das ganz und gar nicht ihr Wunsch ist.